Taufgesuch der Frankfurter Jüdin Sprintz in Altenhaßlau
Stückangaben
Regest
Der lutherische Pfarrer Harpf zu Praunheim berichtet seinem Amtsbruder Müller in Hanau, dass sich die Frankfurter Jüdin Sprintz bei der Gräfin von Solms-Rödelheim gemeldet und erklärt habe, sich zum christlichen Glauben bekehren zu wollen. Darauf sei sie vor mehr als zwanzig Wochen zu dem Praunheimer Müller in die Kost gegeben und seiner, Harpfs, Information anvertraut worden. Alsbald hätten die Frankfurter Juden das Gerücht ausgestreut, sie habe in der Frankfurter Judengasse Hurerei getrieben und so viele Diebstähle begangen, dass die Frankfurter Juden sie fortgejagt hätten. Das habe man anfänglich für jüdische Lügen und Lästerungen gehalten, doch habe es sich bald als nur allzu wahr herausgestellt. In der Mühle habe sich ihr leichtfertiges Gemüt offenbart. Am heiligen Osterfest sei sie ins kurmainzische Heddernheim gelaufen und habe bei dem dort gehaltenen üppigen Tantz in aller Leichtfertigkeit Tag und Nacht zugebracht, sei den Praunheimer Mühlknechten aus freien Stücken um den Hals gefallen, habe sie geküsst und ihnen Gelegenheit gegeben, mit ihr schändliche Unzucht zu treiben. Einer der Knechte habe sich ihm, dem Pfarrer, offenbart und erklärt, wenn die schändliche Sprintz länger in der Mühle bliebe, werde sie diese zu einem Hurenhaus machen. Daraufhin habe er Sprintz zu sich bestellt und gedroht, sie fortzujagen, wenn sie nicht von ihrem schändlichen Treiben abließe. Sie habe Besserung gelobt, das Versprechen aber nicht lange gehalten. Deshalb sei sie von der Gräfin von Solms-Rödelheim aus der Mühle genommen und ihm, dem Pfarrer, ins Haus gegeben worden, damit sie desto besser möge eingeschräncket und beobachtet werden. Aber sie war des leichtfertigen Lebens gewohnet, daher wollte und konnte sie davon nicht abstehen. Sie hängete sich an liederliche und leichtfertige Purschen im Dorff und lief denselben sowohl des [tags] als des nachts nach und trieb mit ihnen ihr leichtfertiges Wesen in der Meynung, wie sie sich verlauten lassen, sie möchte mit Mannsleuten umbgehen, wie sie wollte, so wüste sie doch, daß sie keine Kinder bekäme. Als er, der Pfarrer davon erfuhr, habe er sie bestraft und sie habe Besserung gelobt, ihr Versprechen aber wieder nicht gehalten. Alle Hoffnung, sie zu gewinnen und auf bessere Wege zu bringen, sei umsonst gewesen. Als vor 14 Tagen Kirmes in Praunheim war und er, der Pfarrer, wegen des Tumults auf etliche Tage verreißete, habe er ihr mit beweglichen Worten befohlen, dem Tanzen und der Üppigkeit fernzubleiben und zu bedenken, dass sie bald getauft werden sollte und sich daher solche Üppigkeit nicht schicke. Trotzdem habe sie drei Tage und Nächte außerhalb des Pfarrhauses verbracht, der Üppigkeit beygewohnet, mit schnellem Schlagen und Juchtzen getantzet und umb Mitternacht mit leichtfertigen Purschen sich verkrochen. Als er bei seiner Rückkehr davon erfahren habe, habe er sie holen lassen, sie in Gegenwart des Pfarrers von Ginnheim heftig gescholten und gedroht, sie nicht taufen zu wollen, wenn sie sich nicht ändere. Darauf sei sie wortlos und trotzig weg- und wieder zum Tanz gegangen und auf Vermahnen gesagt, sie kümmere sich nicht um den Pfarrer, wolle er sie nicht taufen, ginge sie nach Hanau und ließe sich dort taufen. Mit einem Wort, sie hat sich die Zeit ihres Hierseyns so übel und garstig aufgeführet, daß man von ihrer Boßheit, Leichtfertigkeit, Intriquen, Lügen, Läugnen und Lästern ein gantzes Buch schreiben könnte und sie allerdings werth wäre, daß man sie zum Landt hinauß peitschete und alle Christen vor ihr warnete. Er habe in Rödelheim berichtet, dass und warum er Sprintz nicht habe taufen können, worauf die Gräfin ihm befohlen habe, die Jüdin fortzujagen, was auch geschehen sei. Sprintz habe sich darauf noch einige Tage an liederlichen Orten im Dorf heimlich aufgehalten, sich bei einer bekannten Person in Rödelheim, die von den Vorfällen nichts wusste, ein Gesangbuch geliehen, das sie in Praunheim vergeblich zum Kauf angeboten habe, und sei dann mit etlichen Burschen nach Hanau aufgebrochen und habe sich unterwegs mit denselben in Dörnigheim schändlich aufgeführt.
Ausstellungsort
Praunheim
Weitere Angaben
Ausf. a. Papier mit Resten d. erbrochenen Verschlusssiegels u. Präs. vom 14. August 1720
Archivangaben
Arcinsys-ID
Archivkontext
Nachweise
Edition
Quellen zur Geschichte der Juden im Hessischen Staatsarchiv Marburg / Nachträge von Uta Löwenstein (ungedruckt), Nr. NL 565.
Siehe auch
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Orte
Personen
Quellen und Materialien
Nachnutzung
Rechtehinweise
Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Taufgesuch der Frankfurter Jüdin Sprintz in Altenhaßlau“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/14611_taufgesuch-der-frankfurter-juedin-sprintz-in-altenhasslau> (aufgerufen am 25.11.2025)
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