Handel des Kellers zu Brandenstein mit einem Juden aus Franken

HStAM 86 Hanauer Nachträge Nr. 19591  
Laufzeit / Datum
1595 Juli 2 – 1596 April 4
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Joseph Siegler, Keller zu Brandenstein, berichtet den Räten in Hanau am 2. Juli 1595, dass er aus Mangel an Futter und Kaufinteressenten gezwungen gewesen sei, vier Mastochsen an einen Juden aus Franken, einen Hintersassen des Dietz von Erthal, zu verkaufen, dem er zuvor für 50 fl. Bettwerk abgekauft habe. Der habe ihm 108 fl. geboten und versprochen, die Ochsen nach Frankfurt zu treiben und innerhalb von acht Tagen die Kaufsumme zu bezahlen. Als keine Zahlung erfolgte, hat er den Juden mahnen lassen, worauf der um einen Monat Zahlungsaufschub gebeten hat, da er die Ochsen in Frankfurt nicht habe verkaufen können. Als auch nach vier Wochen keine Zahlung erfolgte, hat sich Siegler an den von Erthal gewandt, doch da war sein Schuldner bereits ausgerissen und niemand wusste, wo er sich aufhielt und auch die Frankfurter Juden wussten nichts über seinen Verbleib. Daraufhin habe er beim Markttag zu Schlüchtern den Bruder seines Schuldners, einen Juden von Großenlüder, der dort mit Lederwerk und anderm Getüch gehandelt habe, festnehmen lassen wollen, dieweiln die Jüden einander nicht balt lassen und er vielleicht one Zweivel auch Wissenschafft haben mögte, wo sich sein Bruder halten thete, biß er die 108 fl. fur ine erlegte, oder aber Außforschung thete, wo derselbig antzutreffen und zu bekommen sein möge, dann er one Zweivel seines Uffhalts, und wo er hinauß kehme, Wissens haben würde. Der Zentgraf habe ihm aber die Verhaftung abgeschlagen, dann aber auf sein hartnäckiges Drängen hin den Juden geloben lassen, Schlüchtern, wo er laut Hörensagen uber die 100 fl. Schultenn stehen hat, bis auf weiteren Bescheid nicht zu verlassen. Da es nicht unüblich sei, dass ein Christ für einen anderen im fremden Territorium haften müsse, denke er als ein Christ, der in seines Herren Namen gehandelt habe, mit der Forderung an den Bruder seines jüdischen Schuldners auch nicht unrecht gehandelt zu haben. Er sei sicher, der in Schlüchtern Festgehaltene werde seinen Bruder zu finden wissen, wozu er selbst die Gelegenheit nicht haben kann.
Darauf antworten die Hanauer Befehlshaber am 4. Juli 1595, dass die Festsetzung des Bruders seines Schuldners in Rechten ohnpassirlich und nimmertmehr diessergestalt zu verantworten seie. Für seine Geschäfte mit solchen Leuten müsse er selbst haften.
Am 27. September 1595 berichtet der Zentgraf und Schultheiß zu Donnersdorf, dass er nach dem Juden Samuel aus Dampfach fahnden lasse.
Am 4. November 1595 n. St. schlägt der Zentgraf und Schultheiß, auch Schreiber des Amtmanns zu Zabelstein, Siegler vor, sich mit den Verwandten seines Schuldners, der außer fünf kleinen Kindern nichts habe, zu einigen und sich mit der Hälfte der von ihm geforderten Summe zufrieden zu geben.
Auf weitere Klagen des Kellers Joseph Siegler auf dem Brandenstein erhält dieser schließlich eine Interzessionsschrift an den Bischof von Würzburg und erreicht, dass der Zentgraf zu Donnersdorf seinen Schuldner auf Sieglers Kosten festsetzte. Allerdings gelingt es dem Juden, erneut zu fliehen. Am 28. 3. 1596 März berichtet der Amtmann zu Zabelstein nach Hanau, der Keller zu Donnersdorf habe den Juden auf Sieglers Wunsch hin gefangen genommen, weill sich aber gemelter Jud im Gefenckhnuß etwas schwach, wie es dann der Schein und Leibsgestalt gegeben, erzeigt, ihne, Juden, also uff sein Bitten in ein Wirthshauß biß uff gemelts Kellers Herkunfft an ein Ketten verschlossen und in Beysein des Landtknechten neben zweyer Wächtern verwahren lassen. Der Landknecht habe jedoch die Wächter weggeschickt und erklärt, er könne allein auf den Juden aufpassen. Als er sich dann aber bezecht habe und eingeschlafen sei, sei der Jude samt Kette um Mitternacht entflohen.
Am 18. April 1596 beschwerte sich Siegler bei den hanauischen Räten über die nachlässige Verwahrung des Juden durch den Zentgrafen: Bevorab dieweiln der Jüed nicht, wie sich gegen einen solchen gebüeret, mit der Ketten verwarth worden. Obwoln ime die Ketten umb den Leyb geschlagen, so ist er doch hernach mit solcher Ketten, nür an einem Riegel eines Creutzdisches geschlungen und nicht, wie sich gebürt, angeschmitt und verschlossen worden, weshalb der Zentgraf an der Flucht nicht unschuldig sei. Wenn er den Juden bis zu Sieglers kurz bevorstehender Ankunft in Donnersdorf im Gefengknuß hette liegen lasssen, oder aber, do er ine ye uf sein nichtige vorgebenne Schwacheit die Barmbhertzigkeit an ime, Jüeden, erweisen und solcher Gefengknuß erlassen wollen, billig geweßen, er ine an einen Stock, wie sich gebüert, angeschmieden, oder durch deß Jüeden Freunde verbürgen lassen sollenn, so hette er nicht außreissen und der Schulten entgehenn können. Was die silbernen Becher und Flaschen angehe, die der Zentgraf angeblich von dem Juden angenommen habe, so überlasse er, Siegler, es anderen darüber zu urteilen. Im Übrigen hätte der Zentgraf seine Kosten für die Verwahrung des Juden auch anders als durch Pfändung von 12 Gulden, die ein Bauer zu Zabelstein dem Juden noch von einem Pferdekauf schuldete, decken können. Dass er bestreite, dass ein Schreiben des Amtmanns von Zabelstein mit dem Angebot, Siegler die Hälfte der Forderungen des Juden zu überlassen, in einem vom Zentgraf besiegelten Schreiben an Siegler geschickt worden sei und die Echtheit der aufgedrückten Petschaft bestreite, müsse untersucht werden. Die Behauptung des Juden, er habe Siegler eine gewisse Anzahlungssumme angeboten, die dieser aber abgelehnt habe, bestreitet Siegler entschieden. Wahr sei, dass ihm der Jude ein junges zweijähriges Pferd im Tausch angeboten und versprochen habe, den Aufpreis später zu bezahlen. Das habe aber er, Siegler, abgelehnt. Damit, dass der Zentgraf seinen Landknecht entlassen habe und Siegler auffordert, seine Ansprüche an ihn zu richten, sei ihm nicht geholfen. Am 30. April 1596 beschwert sich Siegler erneut in Hanau über die Flucht des Juden und ihre Folgen für ihn.

Nachweise

Edition

Quellen zur Geschichte der Juden im Hessischen Staatsarchiv Marburg / Nachträge von Uta Löwenstein (ungedruckt), Nr. NL 267.

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Handel des Kellers zu Brandenstein mit einem Juden aus Franken“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/14313_handel-des-kellers-zu-brandenstein-mit-einem-juden-aus-franken> (aufgerufen am 25.11.2025)

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