Hl. Johannes Evangelista (Limburg, Diözesanmuseum)

 
Datierung
um 1340-1350
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Katalog

Von Daniel Parello

Abmessungen

Mittelrhein oder Lahngebiet, um 1340/50.
H. 81,5 cm, B. 46,5 cm. – Inv. Nr. 762 (Schenk zu Schweinsberg 1962, Nr. 25).
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Die Scheibe dürfte zusammen mit der Kreuzigung und dem Figurenfragment aus der Sammlung Zwierlein in Geisenheim erworben worden sein. Schenk zu Schweinsberg 1962 spricht sich für eine Herkunft aus der Limburger Franziskanerkirche, Vetter dagegen für Hadamar aus. Eine Begründung dafür bleiben beide schuldig.

Inschriften

Auf dem um den Nimbus herumlaufenden Schriftband in gotischen Majuskeln: S•IOhAnNES EWAnGELIST. Um das Christusmedaillon der konzentrisch herumlaufende Evangeliumstext: • VERBVM • CARO • FACTVM • EST • ET • HABI/TAVIT • IN • NOBIS • ET • VIDIMUS • GLORIAM • / EIVS (Io 1,14: Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut).

Erhaltung

Zum mittelalterlichen Bestand gehört lediglich die Johannesfigur; Fiederrankengrund und Architekturrahmen wurden von Oidtmann vollständig neu geschaffen. Auf der Innenseite punktförmig feiner Lochfraß, die violetten Gläser weisen leichte Verbräunung auf, auf den roten und violetten Gewandstücken partiell nachgezogene Konturen.

Ikonographie, Farbigkeit

Der Evangelist Johannes in ungewöhnlichen Farben: Ein braunviolettes, ursprünglich wohl blassviolettes Gewand mit einem von Tief- nach Hellrot changierenden Mantel, der beidseitig in parallelen Faltenkaskaden herabfällt und ein kühles blaugrünes Innenfutter zeigt. Gelber kronkorkenförmiger Strahlennimbus, lindgrün gefüllter Clipeus. Bemerkenswert ist die an die Creator-Mundi-Darstellungen angelehnte Ikonographie, auf die bereits Hamburger hinwies17. Die Übernahme des Bildtyps für Johannes scheint aus dem Schöpfungsprolog seines Evangeliums, welcher in die Ankunft Christi mündet, heraus motiviert (Io 1,1–14). Darin wird Christus außerdem als das Licht und Johannes als von Gott Gesandter bezeichnet, damit dieser über Christus Zeugnis ablege. Im nimbenartig gestalteten Clipeus und seiner umlaufenden Umschrift wird dieser Gedanke aufgegriffen. Hier erscheint das gewickelte Christkind mit Kreuznimbus und Segensgestus als das Fleisch gewordene Wort. Üblicherweise hält Johannes, so auf einer etwas jüngeren Johannesscheibe im Kölner Schnütgen-Museum (Inv. Nr. M 520), ein Lamm-Gottes-Medaillon in den Händen18.

Technik, Stil, Datierung

Wentzel hat auf die künstlerischen Zusammenhänge der Scheibe mit der Marburger Werkstatt des Marienfensters hingewiesen. Hier bieten sich in erster Linie die Figuren im Westfälischen Landesmuseum Münster aus der Sammlung Stein zum Vergleich an, welche sich ehemals in der Pfarrkirche zu Dausenau an der Lahn befanden. Gemeinsame Merkmale sind die kräftig ondulierenden Haare, eine breite Nase, das schwere Kinn sowie der lange Hals und die auffallend langen Finger. Hier wie dort lässt sich auch eine Neigung zu achssymmetrischer Faltenführung feststellen. Eine verwandte Figurenauffassung begegnet auch in der Christusfigur des Noli-me-tangere-Fensters SÜD II in der Marburger Elisabethkirche. Ob diese Übereinstimmungen allerdings ausreichen, um den Maler mit der Marburger Gruppe in Verbindung zu bringen, erscheint fraglich, zumal es auch gravierende Unterschiede gibt: Gegenüber Dausenau löst sich der Maler der Johannesfigur von den allzu formelhaften Motiven und gibt ihr einen individuelleren Ausdruck, zieht dabei aber die Konturen sehr unsicher; auch Formdetails wie Stirnlocken oder der ungewöhnliche Strahlennimbus begegnen sonst nicht im Umkreis der Marburger Werkstatt19. Die subtil-kühle, von einem Violett-Grün-Akkord dominierte Farbigkeit könnte einen Hinweis auf die späte Entstehung der Scheibe zur Jahrhundertmitte hin geben, womit diese sich als Spätwerk eines noch im Formenapparat der ersten Dezennien verhafteten Künstlers erwiese.

Bildnachweis

CVMA G 8912, Details G 8913f., Großdia G 91/104

Nachweise

Fußnoten

  1. Hamburger 2002 (s. Bibl.), S. 29f.
  2. Lymant 1982, Nr. 27.
  3. Nah verwandte Nimben findet man erst im 15. Jh. in den Kölner Fenstern der Herrnleichnamskirche, heute Querhausobergaden des Kölner Doms; Rode 1974, Abb. 441, 449.

Drucknachweis

Die mittelalterlichen Glasmalereien in Marburg und Nordhessen / Daniel Parello unter Verwendung von Vorarbeiten von Daniel Hess (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 3), Berlin 2008, 326 f. [= 6. Hl. Johannes Evangelista]

Nachnutzung

Rechtehinweise

Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Hl. Johannes Evangelista (Limburg, Diözesanmuseum)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/315-3-01-01_hl-johannes-evangelista-limburg-dioezesanmuseum> (aufgerufen am 26.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/315-3-01-01

Clipeus mit Christuskind und zweizeiliger Umschrift aus dem Johannesevangelium (Detail aus Fig. 405).Johannes Evangelista (Ausschnitt aus Abb. 245)Hl. Johannes Evangelista: ES [= Erhaltungsschema] Museum Nr. 6