Rundscheibe mit Wappenhalter (Hanau, Marienkirche)

 
Datierung
um 1480-1485
Fenster
Chorfenster I
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Katalog

Von Daniel Hess

Zur Frage der Herkunft

Auf Grund ihrer Größe und Darstellung kommt als ursprünglicher Standort am ehesten das 1828 abgebrochene Hanauer Stadtschloß in Frage15. Die Scheibe wurde offenbar 1848/49 in den Chor übertragen und befand sich nach Ausweis eines Vorzustandsphotos von Alexander Linnemann oberhalb der heute in Fenster nord II, 4a befindlichen Bekrönung. Die dort von Winkler/Mittelsdorf, 1897, übersehene Rundscheibe wurde von Linnemann in Fenster nord VI transloziert und unterhalb der Hl. Sippe eingesetzt; 1950 gelangte sie schließlich in das Achsenfenster.

Erhaltung

Die gesamte Scheibe ist vorderseitig durch ein Deckglas geschützt, das über die Bleie hinwegläuft. Verbleiung und Fiederranken rechts erneuert; die dünne, wäßrige Bemalung ist stellenweise stark berieben und leicht korrodiert, der Halbton mit Ausnahme des Wappens und Grasbodens beinahe vollständig verloren.

Ikonographie, Komposition

Auch wenn es sich bei dem stehenden Wappenhalter um ein in der deutschen Druckgraphik des späten 15. Jh. überaus beliebtes Motiv handelt, lassen sich für den Hanauer Wappenpagen keine unmittelbaren Vorbilder benennen. Die beiden Wappen auf den schmucklosen Schilden sind noch immer unbestimmt; für das Wappen mit der Minze wurde ein redendes Münzenberg-Wappen angenommen, wie dieses Ulrich II. von Hanau-Münzenberg getragen habe. Bislang läßt sich ein solches Wappen unter dessen Siegeln jedoch nicht nachweisen16.

Farbigkeit

Wappenhalter mit Wappen in Grisaille und Silbergelb vor blauem Fiederrankengrund (Muster III, 23).

Stil, Datierung

Die bisherige Zuschreibung an den »Hausbuchmeister« muß mit Berücksichtigung des heterogenen, diesem Namen subsumierten Werks relativiert werden. Über den Rankengrund ergeben sich Bezüge zu einer Rundscheibe mit dem Hl. Martin in Aschaffenburg, welche dem Wappenhalter auch in der Modellierung der Figur und der Zeichnung des Gesichts verblüffend nahe kommt. Durch den schlechteren Erhaltungszustand wirkt die Hanauer Figur heute etwas weicher. Beide Kabinettscheiben können weder mit jenem Glasmaler, der zeitweilig mit dem Meister der Genreszenen im Hausbuch zusammengearbeitet hat, noch mit dem in Amorbach nachgewiesenen Glasmaler Erhart von Mainz direkt in Verbindung gebracht werden17. Beide Scheiben stammen vielmehr wohl aus einer in Mainz oder Hanau zu lokalisierenden Werkstatt, berücksichtigt man die Herkunft der Aschaffenburger Scheibe aus Klingenberg am Main, das sich von 1469 bis 1493 in Hanau-Lichtenbergischem Besitz befunden hat18. Wie die Aschaffenburger Scheibe, die auf einen um 1475/80 zu datierenden Kaltnadelstich des Meisters des Amsterdamer Kabinetts zurückgeht, kann auch der Hanauer Wappenhalter um 1480/85 datiert werden.

Bildnachweis

CVMA G 8753, Großdia G 34

Weitere Angaben

Rundscheibe

Nachweise

Fußnoten

  1. Zum Stadtschloß vgl. Kat. Ausst. 675 Jahre Altstadt Hanau, Hanau 1978, S. 209-213.
  2. Vgl. Lübbecke (s. Bibl.), 1951, S. 104, ohne Nachweis; ihm folgten Schmidt (s. Bibl.), 1978, Nr. 355c, und Beeh-Lustenberger (s. Bibl.), 1984, S. 16. Unter den in Kat. Ausst. 675 Jahre Altstadt Hanau, Hanau 1978 (s. Bibl.), S. 141, Nr. 82 a-c, aufgeführten Siegeln Ulrichs II. findet das Wappen keine Erwähnung.
  3. Vgl. Hess, 1994, S. 52-65.
  4. Zur Rundscheibe im Stiftsmuseum Aschaffenburg, auf die bereits Bernhard Hermann Röttger, Malerei in Unterfranken, Augsburg 1926, S. X, mit dem Hanauer Medaillon verwiesen hatte, vgl. auch Husband, 1985, S. 152f., Fig. 25, sowie Kat. Ausst. Frankfurt/Main 1985, S. 276. Sie befand sich 1925 noch im Rathaus von Klingenberg, das jedoch erst 1561 erbaut worden ist, und dürfte daher ursprünglich wohl aus der Burg dorthin gelangt sein. Zu Klingenberg vgl. Adolf Feulner/Bernhard Hermann Röttger, Kdm. Unterfranken, XXIII, Bezirksamt Obernburg, München 1925, S. 68f., 76.

Drucknachweis

Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet / Daniel Hess (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 2), Berlin 1999, 246 f. [= 1b. Rundscheibe mit Wappenhalter]

Siehe auch

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Nachnutzung

Rechtehinweise

Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Rundscheibe mit Wappenhalter (Hanau, Marienkirche)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/210-1-01-01_rundscheibe-mit-wappenhalter-hanau-marienkirche> (aufgerufen am 26.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/210-1-01-01