5. Generalversammlung des Bundes deutscher Frauenvereine in Wiesbaden

 

Ereignis

Was geschah

In Wiesbaden findet die mehrtägige 5. Generalversammlung des Bundes deutscher Frauenvereine (BDF) statt. Die Frauenrechtlerinnen Agnes Karll (1868–1927), Elisabeth Storp, Maria Cauer (1861–1950)1 und Helene Mayer legen im Verlauf der Zusammenkunft ein Konzept zur Verbesserung der Pflege und Hauskrankenpflege vor. Dieses sieht vor, dass der Staat die unter einer hohen Mitgliederfluktuation leidenden privaten Krankenpflegevereine als Krankenpflegeschulen konzessioniert und die Krankenpflegerinnen nach einem einheitlichen Lehrplan ausbildet. Gleichzeitig soll die Möglichkeit geschaffen werden, nach Beendigung einer dreijährigen Ausbildungszeit eine staatliche Prüfung abzulegen, die dazu berechtigt, ein staatlich geschütztes Abzeichen zu tragen. Zur Konzessionierung sollen nur solche Krankenhäuser zugelassen werden, die eine ausreichende soziale Fürsorge für ihre Schwestern gewährleisten. Im einzelnen fordern die Verfasserinnen des Konzepts konkrete Schritte zur Arbeitszeitbeschränkung, die Einführung einer Alters- und Invaliditätssicherung sowie die Schaffung einer Krankenpflegeorganisation zur Verwaltung des ärztlichen und pflegerischen Personals.
Darüber hinaus beschließen die anwesenden Tagungsteilnehmerinnen einen Antrag zur Einrichtung einer Kommission, die die Möglichkeit zur Einführung einer Mutterschaftsversicherung prüfen soll. Diese Aufgabe wird schließlich der bereits im BDF bestehenden Kommission für Arbeiterinnenschutz übertragen. Ein weiterer wichtiger Diskussions- und Entscheidungsgegenstand der Generalversammlung ist die Übernahme abolitionistischer Positionen,2 in denen sich die Delegierten gegen eine Strafverfolgung von Prostituierten aussprechen, da die staatliche Sanktionierung nicht als Hilfe zur „Besserung“ angesehen werden könne. Vielmehr mache die Verfolgung einmal „auffällig“ gewordener Frauen durch die Sittenpolizei den Frauen die spätere Rückkehr in „reguläre Erwerbszweige“ unmöglich.2
(KU)

Bezugsrahmen

Nachweise

Fußnoten

  1. Lungershausen, Agnes Karll, S. 20. Freundlicher Hinweis von Katja Beseoglu.
  2. Der Begriff „Abolitionismus“ entstand in der Frauenbewegung der 1860er und 1870er Jahre in bewusster Anlehnung an den ebenfalls so bezeichneten Widerstand gegen die Sklaverei in den Vereinigten Staaten. Die abolitionistische Bewegung setzte sich für die Abschaffung der staatlich kontrollierten Prostitution ein und ging von England aus, wo sich die Frauenrechtlerin Josephine Elizabeth Butler (1828–1906) in einem langjährigen Kampf gegen die in den 1860er Jahren vom britischen Parlament erlassenen Contagious Diseases Acts (Gesetze über ansteckende Krankheiten) engagierte. Die ab 1869 aufkeimenden Proteste politisierten zahllose Frauen und prägten nicht zuletzt die britische Frauenwahlrechtsbewegung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Eine von den Gegnerinnen der Contagious Diseases Acts verfasste Petition zählt heute zu den Gründungsdokumenten der modernen feministischen Bewegung in Europa. Vgl. Wikipedia: Abolitionismus (Prostitution) (eingesehen am 13.8.2020).
  3. Vgl. Elisabeth Meyer-Renschhausen, Zur Rechtsgeschichte der Prostitution. Die gesellschaftliche „Doppelmoral“ vor Gericht, in: Ute Gerhard (Hrsg.), Frauen in der Geschichte des Rechts: von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München 1997, S. 772-789, hier S. 785.

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Nachnutzung

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Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„5. Generalversammlung des Bundes deutscher Frauenvereine in Wiesbaden, 4.-7. Oktober 1902“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/287_5-generalversammlung-des-bundes-deutscher-frauenvereine-in-wiesbaden> (aufgerufen am 27.11.2025)

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