Widerstand von Pfarrern gegen die Gleichschaltung der Kirche

 

Ereignis

Was geschah

Im Rahmen einer Vortragsveranstaltung der theologischen Fachschaft an der Philipps-Universität in Marburg erklärt der Pfarrer Dr. Karl Bernhard Ritter (1890–1968) die Gleichschaltung der evangelischen Kirche für untragbar. Wenig später schließt sich Ritter dem am 21. September offiziell ins Leben gerufenen „Pfarrernotbund“ an, der zum Träger eines „Systems gemeinsamer Solidarität“ deutscher evangelische Theologen, Pastoren und kirchlicher Amtsträger gegen die Einführung des sogenannten Arierparagraphen in der Deutschen Evangelischen Kirche wird. Aufgrund dieses Paragraphen, der als Teil des am 7. April 1933 erlassenen „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ dazu dienen soll, Menschen jüdischer Abstammung aus allen öffentlichen Ämtern in Deutschland zu entfernen, wird Anfang September ein Kirchengesetz beschlossen, das geistliche und kirchliche Verwaltungsbeamte „nichtarischer Abstammung“ in den Ruhestand versetzt. Betroffen von der Regelung sind auch solche Personen in kirchlichen Diensten, die in Mischehen mit einer „nichtarischen“ Person zusammenleben. Antriebskraft hinter der Umsetzung dieses Gesetzes ist die Strömung „Deutsche Christen“ (DC), die seit der Wahl eines ihrer führenden Vertreter, Ludwig Müller (1883–1945), zum Reichsbischof am 6. September 1933 innerhalb der evangelischen Kirche tonangebend ist. Ziel der „Deutschen Christen“ ist eine Erneuerung der evangelischen Kirche unter Maßgabe ideologischer Leitlinien der NS-Politik und die Schaffung einer „Reichskirche“ ohne Christen jüdischer Herkunft. Das Wirken des gegen die Diskriminierung jüdischer Geistlicher und Kirchenbeamter gegründeten Pfarrernotbundes beschränkt sich allerdings darauf, die von den Bestimmungen des Arierparagraphen betroffene Pfarrer jüdischer Herkunft ideell und materiell zu unterstützen. Der Notbund findet in den darauffolgenden Monaten großen Zulauf und zählt im Januar 1934 mehr als 7.000 Mitglieder. Karl Bernhard Ritter wird in den Bruderrat des Pfarrernotbundes gewählt. Außerdem ernennt man ihn zum Landesführer des im November 1933 parallel zum Notbund gegründeten „Bruderbundes kurhessischer Pfarrer“, der sich ebenfalls gegen die „Arisierung“ der evangelischen Kirche und die Politik der Deutschen Christen wendet. Am 21. Juni 1933 hält der Göttinger Professor für Kirchengeschichte Emanuel Hirsch (1888–1972) einen Vortrag an der Marburger Universität, den zahlreiche Zuhörer dazu nutzen, offen Kritik an den Positionen der DC zu üben. Hirsch ist Deutscher Christ und ein aktiver Befürworter der NS-Ideologie.
(KU)

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Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

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„Widerstand von Pfarrern gegen die Gleichschaltung der Kirche, 16. Juni 1933“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/1685_widerstand-von-pfarrern-gegen-die-gleichschaltung-der-kirche> (aufgerufen am 25.11.2025)

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