Sprendlingen

Sprendlingen: Bestuhlungskizze zur Rekonstruktion der Räumlichkeiten im Entschädigungsverfahren (um 1959)
Basisdaten
Juden belegt seit
1563
Lage
63303 Dreieich, Stadtteil Sprendlingen, Hauptstraße 29
erhalten
nein
Jahr des Verlusts
1938
Art des Verlusts
Zerstörung
Gedenktafel vorhanden
ja
Synagogen-Gedenkbuch Hessen
Geschichte
Das urkundlich im Jahr 834 erstmals genannte Sprendlingen kam 1486 an die Grafen von Isenburg und 1816 an das Großherzogtum Hessen. Die ersten Hinweise auf einen Juden in dem mehrheitlich protestantischen Ort stammen aus Rechnungsunterlagen von 1563 und 1564, nach denen Seligmann zu Sprendlingen Abgaben zu leisten hatte.1 Erst für die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg liegen dann wieder sporadisch Nachrichten über Jüdinnen und Juden im Ort vor. So wurde 1657 Mosche zu Sprendlingen erwähnt und 1699 Salomon.2
Im Laufe des 18. Jahrhunderts stieg die Zahl der jüdischen Einwohner an. Wann genau sich eine eigene Gemeinde bildete, ist heute unbekannt. Sie bestand aber bereits, als 1830 die Synagoge erbaut und ein Jahr später der jüdische Friedhof eingerichtet wurde. Zu dieser Zeit lebten 55 jüdische Menschen im Ort. Ihre Zahl erreichte 1861 mit 106 den höchsten Stand, sank jedoch in den folgenden Jahren wieder leicht ab. 1900 lag sie bei 77. Zu dieser Zeit zählten auch die jüdischen Einwohner von Neu-Isenburg zur Sprendlinger jüdischen Gemeinde, wie auch die Verzeichnisse der genehmigten Umlagen zur Finanzierung der Gemeindelasten ab 1832 belegen.3
Die Entwicklung der Region zum Industriezentrum sowie die Anbindung des Ortes an die Main-Neckar-Bahn beeinflussten auch die Entwicklung der jüdischen Gemeinde und des Erwerbslebens ihrer Mitglieder. Ende der 1920-Jahre bestanden in Sprendlingen bis zu 15 Geschäfte, die von Jüdinnen und Juden geführt wurden. Dabei waren die Sprendlinger Jüdinnen und Juden Teil der Dorfgesellschaft: Sie waren Mitglieder in Vereinen, wie etwa Julius Pappenheimer, der dem Fußballverein 06 angehörte, oder Erika Strauß, die in der Turngemeinde aktiv war – beide wurden Opfer der Shoah. 15 jüdische Männer aus Sprendlingen dienten als Soldaten im Ersten Weltkrieg.4
Bis 1933 stieg die Zahl der Gemeindemitglieder auf 94 an. Hinzu kamen 150 jüdische Personen, die in Neu-Isenburg lebten. Hierbei handelte es sich überwiegend um Bewohner des Schutz- und Erziehungshauses des jüdischen Frauenbundes, des heutigen Bertha-Pappenheim-Hauses, sowie um aus dem östlichen Europa zugewanderte Jüdinnen und Juden, die sich dort wegen der Nähe zu Offenbach in großer Zahl niedergelassen hatten.5
Zunehmende Entrechtung, Repressalien und wirtschaftlicher Boykott waren für die als „jüdisch“ Verfolgten vielfach Anlass, Sprendlingen den Rücken zu kehren. Teils emigrierten sie ins Ausland, unter anderem in die Vereinigten Staaten. 17 Personen wurden während der Shoah deportiert und ermordet.6
Jüdinnen und Juden, die nach Sprendlingen und Langen kamen, gründeten 1946 die jüdische Gemeinde Langen-Sprendlingen. Die Initiative dazu soll von Wilhelm Kahn aus Langen ausgegangen sein. Zu dieser Zeit sollen 26 Jüdinnen und Juden in Sprendlingen gelebt haben. Da sie in der Folgezeit den Ort wieder verließen, wurde die jüdische Gemeinde am 5. Juli 1950 im Auftrag des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Hessen aufgelöst.7
1988 wurde auf dem jüdischen Friedhof zum Andenken an die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Sprendlinger Jüdinnen und Juden ein Mahnmal errichtet. 2015 wurden erstmals Stolpersteine für Leopold und Hilda Kaufmann verlegt.8
Statistik
- 1830 55 Personen
- 1861 106 Personen
- 1890 89 Personen
- 1905 77 Personen
- 1932/1933 174 Personen
- 1935 83 Personen
- 31. Dezember 1942 ca. 130 Personen
Quellenangabe Statistik
Gargova/Gempp-Friedrich, 2025, Sprendlingen, S. 599.
Betsaal / Synagoge
Die Synagoge von 1830/1831, Hauptstraße 29
Die Synagoge wurde 1830/1831 auf einem Grundstück im Hinterhof der heutigen Hauptstraße 29 erbaut. Es handelt sich um einen zweigeschossigen verputzten Ziegelbau mit Schieferdach, der im hinteren Bereich einer Hofreite lag und im Grundriss 11,40 m mal 7,20 m sowie in der Höhe 5,50 m maß. Diese war von der heutigen Rathausstraße aus zu begehen. Die Firstrichtung erstreckte sich in Ost-West-Richtung. Der von vier mächtigen Pilastern betonte eigentliche Zugang hatte drei Eingänge. Der mittlere Eingang führte direkt in den Synagogenraum, in dem sich der späteren Rekonstruktion zufolge 44 Plätze in Bankreihen befanden: 36 Männerbetplätze mit Pulten und im Osten acht Plätze für Kinder. Durch den linken Zugang wurde die Treppe zur Frauenempore erreicht, die an der Westseite über dem Eingangsbereich lag. Sie soll über 21 Plätze mit Pulten verfügt haben. Der rechte Eingang führte in einen Lagerraum. Über den Eingängen befanden sich hufeisenförmige Fenster und an der Spitze der Giebelfläche befand sich ein Davidstern. Die Belichtung erfolgte über Fenster in den Seitenfassaden. Der Thoraschrein mit Altaraufbau befand sich an der östlichen Giebelwand, davor die Ewige Lampe und – wie weit genau er in den Raum hinein verlagert war, ist nicht bekannt – der Almemor.9
Zur Ausstattung der Synagoge gehörten nach der Zusammenstellung im Rahmen der Entschädigungsverhandlungen nach dem Zweiten Weltkrieg eine Garderobe mit 60 Einheiten, zwei Vorleserpulte, eine Gedenktafel aus Marmor, ein Kronleuchter, acht Seitenleuchter, zwei Leuchter am und ein Teppich vor dem Thoraschrein, 10 m Läufer, ein Schrank für die Aufbewahrung der Kultgegenstände und ein Ofen. Eine Besonderheit bildete eine aus Hirschleder gearbeitete Thorarolle. Nach den religiösen Vorschriften durfte dafür nur das Fell eines ungeborenen Hirschkalbs verwendet werden. Da derartige Felle äußerst selten und schwer zu bearbeiten sind, galt sie als wertvolle Rarität. Ihr Wert wurde bei den Entschädigungsverhandlungen mit 20.000 DM angesetzt. Daneben gab es fünf weitere Thorarollen, zwei Paar silberne Thoraufsätze mit Schellen, zwei silberne Thorakronen, zwei silberne Thoraschilder, drei silberne Lesefinger, zwölf Thoramäntel, 30 handbemalte Wimpel, zwei Thoraschreinvorhänge, vier Decken für die Vorleserpulte, eine Menora, einen silbernen Chanukkaleuchter, zehn Seelenlichter, zwei silberne Weinbecher, eine silberne Hawdallahgarnitur, eine Megillah mit Mantel, zwei Schofarhörner, zwölf Gebetmäntel, fünf Paar Phylakterien (Gebetsriemen), 15 Gebetbücher, 15 Sätze Festgebetbücher, 15 Pentateuche, einen Satz Aufrufplatten, ein Priesterwaschbecken aus Messing mit Kanne, einen Etrogbehälter und eine Almosenbüchse. Im Jahr 2019 tauchte ein Thoravorhang wieder auf, der 1931 aus Anlass des 100. Synagogenjubiläums von den Frauen der Gemeinde gestiftet und von der Firma Grünbaum in Kassel hergestellt worden war.10
Am Morgen des 10. November 1938 erhielt der SA-Hauptsturmführer Karl Johann Stroh in Sprendlingen telefonisch die Anweisung, die Synagoge zu zerstören. Auch der NSDAP-Ortsgruppenleiter Johann Schäfer soll darüber informiert gewesen sein. Die Synagoge wurde demoliert und dann mithilfe von Benzin in Brand gesetzt. Sie brannte vollständig nieder.11 Einige Kultgegenstände hatte eine christliche Familie in Sicherheit gebracht und nach dem Zweiten Weltkrieg einem Juden in Langen abgegeben, der sie nach Frankfurt weitergab. Über ihren Verbleib ist nichts bekannt.12
Mit Vertrag vom 16. Dezember 1938 erwarb die bürgerliche Gemeinde das Grundstück, zahlte den vereinbarten Kaufpreis von 200 RM aber nicht aus, sondern verrechnete ihn mit den anfallenden Kosten für den Abbruch der Ruinen und die Aufräumarbeiten. Im Zuge der Restitutionsverhandlungen zahlten die neuen Besitzer 400 DM.13
1979 ließ die politische Gemeinde auf Veranlassung von Freunde Sprendlingens – Verein für Heimatkunde e. V. eine Gedenktafel gegenüber dem früheren Synagogenstandort am Rathaus anbringen. Sie trägt die Inschrift: „Zur Erinnerung an die Synagoge der jüdischen Gemeinde in Sprendlingen. Sie stand im Hof gegenüber und wurde am 10. Nov. von Nationalsozialisten niedergebrannt.“
Betraum im Haus des Emanuel Pappenheimer, Hauptstraße 1A
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Haus von Emanuel Pappenheimer in der Hauptstraße 1A zeitweise ein Betraum eingerichtet. Daneben wurden in dem Gebäude zwei Büroräume eingerichtet. Die politischen Gemeinden Sprendlingen und Langen halfen bei der Renovierung des Gebäudes. Die evangelisch-lutherische Kirche lieh der jüdischen Gemeinde Stühle. Nach der Gemeindeauflösung 1950 wurde das Gebäude an die Ortsgemeinde übergeben und die Ritualobjekte der jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main übergeben.14
Weitere Einrichtungen
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestand ein Israelitischer Männer-, Kranken-, Verpflegungs- und Unterstützungsverein, dessen Vorsitz 1910 Jonathan Goldschmidt innehatte. Dem Israelitischen Frauenverein stand zur gleichen Zeit Henriette Wolf vor. In den 1920er-Jahren bestand ein Chewra Kaddischa. Zur gleichen Zeit wurde zudem eine Ortsgruppe des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens gegründet.15
Mikwe
1979 wurde unter der Scheune auf dem Grundstück Hellgasse 15 ein 3,40 m mal 2,35 m großer Raum, eine Mikwe, ausgegraben. Der Zugang erfolgt von Norden über eine von einem Backsteingewölbe überdeckte steile Treppe, die direkt in das Becken (1,30 m mal 1,10 m) führte. Westlich davon befindet sich eine 1,25 m mal 3,40 m große ebene Fläche, auf der sich die Badenden entkleiden und ihre Habseligkeiten ablegen konnten. Der Raum wird von einem Natursteingewölbe überspannt, dessen Scheitel in Firstrichtung des darüber stehenden Gebäudes verlief. Eine schräg nach oben verlaufende Öffnung diente vermutlich als Rauchfang oder zur Belüftung.16
1990 wurde diese Anlage wissenschaftlich untersucht. In der Dokumentation heißt es: „Die 1979 von den Freunden Sprendlingen ausgegrabene und im Sommer 1990 vom IBD untersuchte und dokumentierte Gewölbeanlage auf dem Grundstück Hellgasse 15 in Sprendlingen kann eindeutig als eine in einem Bauvorgang errichtete Mikwe einer jüdischen Kultgemeinde identifiziert werden. Auszuschließen ist eine Funktion als Brunnenanlage für die Wasserversorgung des Anwesens sowie als normales Badehaus, wie sie im 15. oder 16. Jahrhundert in Benutzung waren. Die Begehbarkeit der Anlage, die Einrichtung des Tauchbecken unterhalb des Grundwasserspiegels, aber auch die Größe der Anlage und ein ständiger Grundwasserstand von über 1,20 m oberhalb der Beckensohle sind in Übereinstimmung mit den talmudischen Regelungen sowie der Kodifizierung dieser Bestimmungen in der ‚Mikva´ot‘ von Maimonidis errichtet worden. Die Anlage gehört zu den seit dem späten Mittelalter von kleineren jüdischen Gemeinden errichteten Beckenmikwen in gewölbten Kellerräumen, wie sie mittlerweile in mehreren Exemplaren nachgewiesen werden konnten.
Gegenüber vielen schlichteren Anlagen, die einfach aus Bruchsteinen gemauert wurden, ist die Sprendlinger Mikwe insofern etwas reicher ausgestattet, als wahrscheinlich das Tauchbecken, insbesondere aber auch der Fußboden eines das Tauchbecken umgebenden Podestes, mit Ziegelsteinen ausgelegt bzw. ausgekleidet war.
Dieser Umstand, also die Verfügbarkeit über in der Umgebung produzierte Ziegel ist das wichtigste Datierungskriterium für die hier untersuchte Anlage. Während vom Typus her, Tauchbecken mit Treppe innerhalb eines Kellergewölbes, die Anlage nicht unbedingt näher datiert werden kann, liefert die Analyse der Ziegelsteine eine Einschränkung des Datierungsspielraumes vom ausgehenden Mittelalter bis zur Neuzeit. So existieren in der näheren Umgebung, insbesondere im benachbarten Langen, erst seit dem späten 17. Jahrhundert Ziegeleien, die die nähere und weitere Umgebung mit diesem Baumaterial versorgten. Bezüglich der Ziegelformate ist zunächst keine nähere Eingrenzung innerhalb des Zeitraumes vom 17. bis zum frühen 19. Jahrhundert zu gewinnen, da nähere Forschungen zu den in Hessen verwendeten Ziegelformaten bislang nicht vorliegen. Das flache Format von ca. 4 cm Höhe dürfte jedoch am ehesten im 18. Jahrhundert produziert worden sein. Auszuschließen ist auf jeden Fall eine Produktion der Ziegel nach der Mitte des 19. Jahrhunderts, wo, basierend auf dem preußischen Zollmaß, neue, einheitliche Formate eingeführt werden. Aufgrund der topographischen Lage in einem Stadterweiterungsgebiet außerhalb des ursprünglichen Ortskernes und seiner älteren Stadterweiterung nach Süden ist auch von daher eine Datierung nach dem 30jährigen Kriege, insbesondere jedoch im 18. Jahrhundert möglich.
Die Aufgabe der Anlage als jüdisches Kultbad dürfte einerseits im Zusammenhang mit der Neuerrichtung einer neuen Synagoge mit zugehörigem Tauchbade im Jahre 1830 sein. Andererseits fällt dieses Datum zusammen mit Erlassen der hessischen Regierungen, die die Verfüllung der älteren jüdischen Kultbäder aus hygienischen Gründen seit der Mitte der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts fordern und die Einrichtung von neuen Bädern verlangen.
Die Analyse der während der Grabung 1979 geborgenen Funde, die heute im Museum von Dreieich deponiert sind, ergab demgegenüber, dass die Verfüllung der Anlage wohl noch nicht in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgt ist. Sämtliche Funde (bis auf geringe Ausnahmen) datieren seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, die jüngsten Funde gehören in die Zeit kurz vor oder um 1900. Offensichtlich wurde also die Anlage zunächst einige Jahrzehnte in der bestehenden Form weiter genutzt, wobei unklar ist, ob sie als Privatmikwe weiter bestand oder das ehemalige Tauchbecken nun von dem auf dem Grundstück Hellgasse 15 angesiedelten Haushalt als Brunnen benutzt wurde. Als Kellerraum dürfte das Gewölbe nach der Verfüllung des Taufbeckens eine Zeitlang zu Lagerzwecken genutzt worden sein. Nach 1900 scheint zumindest der Zugang in das Gewölbe noch existiert zu haben, so dass sich ältere Anwohner noch an das Gewölbe erinnern. Erst mit Errichtung der heutigen, über der Mikwe stehenden Gebäude wurde der Kellerhals zerschlagen und das Gebäude endgültig verfüllt. Als religionsgeschichtliches und auch hygienegeschichtliches Kulturdenkmal kommt der hier untersuchten Anlage eine überregionale Bedeutung zu [...].“17 Inwiefern es sich um eine privat genutzte oder von der jüdischen Gemeinde insgesamt genutzte Mikwe handelte, lässt sich nicht abschließend klären.18
Auch auf dem Grundstück der 1830/1831 errichteten Synagoge in der Hauptstraße 29 befand sich eine Mikwe, die bis ins 20. Jahrhundert genutzt wurde. Der massive und verputzte Ziegelbau maß im Grundriss 4,11 m mal 4,18 m. Er war mit Schiefer gedeckt.19 Während des Pogroms vom November 1938 drang der Mob in das Gebäude ein, plünderte und demolierte die Einrichtung. Der Bau blieb als Ruine zurück.20
Schule
Im Brandkataster von 1879 findet sich die Bezeichnung „Schule“ für eines der beiden Nachbargebäude der Synagoge in der Hauptstraße 29. Der einstöckige Fachwerkbau mit Ziegeldach und einem Grundriss von 8 m mal 3,80 m wurde erst deutlich später als das Gotteshaus errichtet, denn noch in den Jahren von 1861 bis 1865 versuchte die jüdische Gemeinde, von der politischen Gemeinde ein geeignetes Grundstück übertragen zu bekommen. Einer der Giebelwände des Schulhauses war die Mikwe vorgebaut. Im westlichen Teil des Gebäudes befand sich ein kleiner Vorraum, im östlichen der Schulraum für etwa 20 bis 25 Kinder. Während des Pogroms vom November 1938 wurde das Gebäude geplündert und demoliert.21
Vor dem Neubau des Schulhauses durfte die jüdische Gemeinde 1861 den Saal der Gemeindeschule zur Erteilung des Religionsunterrichts nutzen, machte davon aber offenbar schon 1862 keinen Gebrauch mehr. Zu dieser Zeit soll es 12 jüdische Schulkinder gegeben haben.22 Mitte der 1870er-Jahre erhielten 17 jüdische Schulkinder aus Sprendlingen und Neu-Isenburg Unterricht durch einen von der jüdischen Gemeinde angestellten Lehrer.23 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erteilte der Religionslehrer Salomon den Unterricht in Sprendlingen.24 1911 erteilte der Lehrer Leopold Kaufmann, der auch dem Gemeindevorstand angehörte, noch sieben Sprendlinger Kindern Religionsunterricht. 1913 waren es 13 Schulkinder. Mitte der 1920er-Jahre erteilte Kaufmann den Religionsunterricht an der örtlichen Volksschule.25
Friedhof
Bis 1830 gehörte die Sprendlinger jüdische Gemeinde zum jüdischen Friedhofsverband Offenbach-Bieber. Sie nutzte den dort zu Beginn des 18. Jahrhunderts angelegten, heute nicht mehr existierenden jüdischen Friedhof in der heutigen Bismarckstraße mit. 1831 weihte sie ihren eigenen jüdischen Friedhof östlich des Lachewegs, unmittelbar angrenzend an den christlichen Friedhof ein. Auf dem rund 1.000 qm großen Gelände wurden von 1872 bis 1875 auch die Verstorbenen aus Dreieichenhain#119@syn
, Götzenhain und Offenthal bestattet. Ab diesem Jahr verfügten die letztgenannten Gemeinden über einen eigenen jüdischen Friedhof in Dreieichenhain. Von den rund 180 Bestattungen in Sprendlingen haben sich etwa 100 Grabsteine erhalten. Der älteste stammt noch aus dem Jahr der Eröffnung, der jüngste von 1938.26 Das Leichenhaus ist erhalten.
1988 weihte die Gemeinde auf dem Friedhof ein Mahnmal für die während der Shoah ermordeten Jüdinnen und Juden ein. Auch heute wird der jüdische Friedhof gelegentlich noch genutzt: 1986, 2010 und 2024 fanden weitere Beisetzungen statt.27
Nachweise
Fußnoten
- Baumbusch, 1983, Juden, S. 5. ↑
- HStAD, F 16, Nr. 271; Baumbusch, 1983, Juden, S. 5. ↑
- Baumbusch, 1983, Juden, S. 6; Großherzoglich-Hessisches Regierungsblatt, Nr. 47, 9.6.1832, S. 315. ↑
- Gargova/Gempp-Friedrich, 2025, Sprendlingen, S. 597. ↑
- Kingreen, 2009, Ostjüdisches Leben, S. 81. ↑
- Baumbusch, 1983, Juden, S. 7. ↑
- Gargova/Gempp-Friedrich, 2025, Sprendlingen, S. 598-599. ↑
- Stolpersteine Dreieich-Sprendlingen, online unter: https://stolpersteine-sprendlingen.de/ (Stand: 13.11.2025). ↑
- Gargova/Gempp-Friedrich, 2025, Sprendlingen, S. 592-594. ↑
- HHStAW, 518, Nr. 1379; Gargova/Gempp-Friedrich, 2025, Sprendlingen, S. 591-592. ↑
- Baumbusch, 1983, Juden, S. 130; Ott/Schäfer, 2023, Brandstiftung; Gargova/Gempp-Friedrich, 2025, Sprendlingen, S. 598. ↑
- Baumbusch, 1983, Juden, S. 135. ↑
- HHStAW, 518, Nr. 1379. ↑
- Schäfer/Ott, 2023, Nachkriegssynagoge; Gargova/Gempp-Friedrich, 2025, Sprendlingen, S. 598-599. ↑
- Buschbaum, 1983, Juden, S. 6. ↑
- Baumbusch, 1983, Juden, S. 137; Gargova/Gempp-Friedrich, 2025, Sprendlingen, S. 591-592. ↑
- Untersuchungsbericht des Freien Instituts für Bauforschung und Dokumentation e.V., zitiert nach Altaras, 2007, Synagogen, S. 364. ↑
- Gargova/Gempp-Friedrich, 2025, Sprendlingen, S. 592. ↑
- Gargova/Gempp-Friedrich, 2025, Sprendlingen, S. 592. ↑
- HHStAW 518, Nr. 1379. ↑
- HHStAW 518, Nr. 1379; Gargova/Gempp-Friedrich, 2025, Sprendlingen, S. 594, 601. ↑
- Gargova/Gempp-Friedrich, 2025, Sprendlingen, S. 595. ↑
- Engelbert, 1875, Statistik, S. 56-57. ↑
- Frankfurter Israelitisches Familienblatt, 4.10.1907. ↑
- Handbuch der jüdischen Gemeindeverwaltung und Wohlfahrtspflege, Jg. 20, 1911, S. 167; Jg. 21, 1913, S. 188; 1924, S. 134. ↑
- Baumbusch, 1983, Juden, S. 144. ↑
- Gargova/Gempp-Friedrich, 2025, Sprendlingen, S. 592. ↑
Weblinks
Quellen
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW)
- HHStAW, 503, Nr. 7386: Entschädigungsansprüche der jüdischen Gemeinden im Regierungsbezirk Darmstadt. Bd. 9: Synagogen und andere jüdische Einrichtungen im Kreis und in der Stadt Offenbach am Main sowie in den Kreisen Alsfeld, Bergstraße und Lauterbach, 1960-1962.
- HHStAW, 518, Nr. 1239: Entschädigungsakte Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen (enth. Sprendlingen), 1954, 1961.
- HHStAW, 518, Nr. 1379: Jüdische Gemeinde Sprendlingen, 1950-1962.
- Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD)
- HStAD, F 16, Nr. 271: Conrad Feyer zu Schaafheim gegen den Juden Mosche zu Sprendlingen wegen Forderung aus einem Pferdehandel, 1657-1658.
Literatur
- Alicke, Klaus-Dieter, Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, Gütersloh 2008.
- Altaras, Thea, Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen – Was geschah seit 1945?, 2. Aufl., Königstein im Taunus 2007, S. 364-365.
- Arnsberg, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang. Untergang. Neubeginn, Bd. 2, Frankfurt am Main 1971, S. 265-267.
- Baumbusch, Arno, Die Sprendlinger Juden, Sprendlingen 1983.
- Engelbert, Hermann, Statistik des Judenthums im Deutschen Reiche ausschließlich Preußens und in der Schweiz, Frankfurt am Main 1875.
- Gargova, Fani/Gempp-Friedrich, Tilmann, Sprendlingen (Stadt Dreieich). Mit Neu-Isenburg, in: Wiese, Christian, et al. (Hg.), Zerbrechliche Nachbarschaft. Gedenkbuch der Synagogen und jüdischen Gemeinden in Hessen, Bd. 1/1, Berlin/Boston 2025, S. 591-601.
- Kingreen, Monica, Ostjüdisches Leben in Hessen zwischen 1900 und 1932, in: Hessische Blätter für Volks- und Kulturforschung, Bd. 43, 2009, S. 74-85.
- Lange, Thomas (Hg.), L´chajim. Die Geschichte der Juden im Landkreis Darmstadt-Dieburg, Reinheim 1997.
- Nieß, Rolf/Neubecker, Fred, Jüdische Kultstätten in der Dreieich, in: Landschaft Dreieich, 1990, S. 54-77.
- Ott, Wilhelm/Schäfer, Hans Ludwig, Die Brandstiftung an der Sprendlinger Synagoge und ihre Folgen, Sprendlingen 2023, online unter: https://www.freunde-sprendlingens.de/sprendlinger-juden/synagogen-brandstiftung/ (Stand: 13.11.2025).
- Schäfer, Hans Ludwig/Ott, Wilhelm, Die Nachkriegssynagoge in Sprendlingen (1946-1950), Sprendlingen 2023, online unter: https://www.freunde-sprendlingens.de/sprendlinger-juden/synagogen-brandstiftung/ (Stand: 13.11.2025).
Abbildung vorhanden
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