Jestädt

Die Lage von Jestädt im Orthofoto
Siedlung
Ortstyp
Dorf
Lagebezug
4,5 km nordwestlich von Eschwege gelegen
Lage und Verkehrslage
Straßendorf mit geringer Siedlungsdichte nördlich der Werra an den Südwestausläufern des Höhenzugs Gobert. Kirche in erhöhter Lage in der Nähe des Angers im alten Ortskern am Westrand des Ortes, daneben dreiflügelige Schlossanlage. Moderne Siedlungsentwicklung im Norden und Osten. Durch den Ort führt die L 3403 von Norden nach Süden
Ersterwähnung
876
Historische Namensformen
- Gahesteti (876) [Kop. 10. Jahrhundert MGH DD LdD, S. 238-241, Nr. 170; Fälschung 11. Jahrhundert MGH DD LdD, S. 267-271, Nr. 185; HStAM Bestand Urk. 75 Nr. 40; Kopiar um 1160 Codex Eberhardi 2, fol. 38r+v, S. 60-63, hier S. 61]
- Gestede (1291) [Herquet, Urkundenbuch Reichsstadt Mühlhausen, S. 159, Nr. 380]
- Gestede (1324) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 25, Nr. 48]
- Gestete (1341) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 394, Nr. 1003]
- Geystete 1365) [J. Schminke, Das ehemalige Gericht Jestädt, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde 10 (1865), S. 23]
- Gestede, in (um 1376) [Vogtherr, Ältestes Lehnbuch der Landgrafschaft Hessen, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 37 (1987), S. 25-71, hier S. 38 (23)]
- Geystede (1412) [Schreibweise nach Archivregest HStAM Bestand Urk. 49 Nr. 358]
- Geschede (1413) [Schreibweise nach Archivregest HStAM Bestand Urk. 49 Nr. 360]
- Jeestede (1414) [J. Schminke, Das ehemalige Gericht Jestädt, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde 10 (1865), S. 6]
- Jaestede (1414) [HStAM Bestand Urk. 115 Nr. 193]
- Jestede, to (1418) [J. Schminke, Das ehemalige Gericht Jestädt, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde 10 (1865), S. 6-7]
- Gested (1436) [Eckhardt, Rechtsgeschichte der Stadt Eschwege 1, S. 173-178, Nr. 183]
- Gestede; Jestede (1. Hälfte 15. Jahrhundert) [Ohainski, Lehnregister, S. 56 (9), 59 (34)]
- Gesteden (1468) [NLA HA Cop. in Nr. 20/092]
- Gehestedde (1482) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 498-500, Nr. 1280]
- Gestedde (1503) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 278, Nr. 730]
- Gestede (1538) [Eckhardt, Rechtsgeschichte der Stadt Eschwege 1, S. 231-234, Nr. 242]
- Gestede (1585) [Der ökonomische Staat, S. 79]
- Jestädt (1664) [HStAM Bestand Urk. 49 Nr. 576]
- Gestett (1708/10) [Schleenstein, Landesaufnahme, Karte Nr. 10]
Bezeichnung der Siedlung
- Dorf (1414, 1436, 1538)
- Dorfschaft (1746)
Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung
- Auf dem Berge
- Dudenmühle
- Jestädt, Schloss
- Pletschmühle
- Pochmühle
- Schambach
- Tudenhausen
- Jestädt, Schloss (→ Burgen, Schlösser, Herrenhäuser)
Burgen und Befestigungen
Umlegung der Flur
1895
Älteste Gemarkungskarte
1789-1795
Koordinaten
Gauß-Krüger: 3571231, 5675964
UTM: 32 U 571129 5674133
WGS84: 51.214156° N, 10.018376° O
Statistik
Ortskennziffer
636007040
Flächennutzungsstatistik
- 1885 (Hektar): 774, davon 347 Acker (= 44.83 %), 33 Wiesen (= 4.26 %), 331 Holzungen (= 42.76 %)
- 1961 (Hektar): 617, davon 186 Wald (= 30.15 %)
Einwohnerstatistik
- 1585: 66 Haushaltungen (Der ökonomische Staat)
- 1746: 4 Müller, 1 Schmied, 1 Schreiner, 2 Weißbinder, 11 Schneider, 1 Büchsenmacher, 1 Wagner, 1 Strumpfweber, 2 Schlachter, 2 Wirte, 2 Branntweinbrenner, 14 Leineweber, 24 Maurer
- 1747: 68 Haushaltungen (Stadt- und Dorfbuch des Ober- und Niederfürstentums Hessen)
- 1885: 544, davon 537 evangelisch (= 98.71 %), 7 katholisch (= 1.29 %)
- 1961: 832, davon 701 evangelisch (= 84.25 %), 121 katholisch (= 14.54 %)
- 1970: 950
Diagramme
Verfassung
Verwaltungsbezirk
- 1418: Herzogtum Braunschweig-Lüneburg, Gericht Jestädt (Lehen der von Boyneburg-Hohenstein)
- 1585: Landgrafschaft Hessen, Niederfürstentum, Amt Eschwege, Gericht Boyneburg
- 1627-1834: Landgrafschaft Hessen-Rotenburg (sogenannte Rotenburger Quart), teilsouveränes Fürstentum unter reichsrechtlicher Oberhoheit der Landgrafschaft Hessen-Kassel bzw. des Kurfürstentums Hessen, Amt Eschwege, Dorf derer von Boyneburg ("adelige Quart")
- 1787: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Niederhessen, Amt Eschwege
- 1803-1806: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Eschwege
- 1807-1813: Königreich Westphalen, Harz-Departement, Distrikt Heiligenstadt, Kanton Allendorf
- 1814-1821: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Eschwege
- 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Eschwege
- 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Eschwege
- 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Eschwege
- 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Eschwege
- 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Eschwege
- 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Eschwege
- 1974: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Werra-Meißner-Kreis
Altkreis
Eschwege
Gemeindeentwicklung
Am 31.12.1971 im Zuge der hessischen Gebietsreform mit anderen Gemeinden zur neu gebildeten Gemeinde Meinhard zusammengeschlossen, deren Ortsteil Jesstädt seitdem ist.
Gericht
- 1822: Kurfürstliches Justizamt Eschwege
- 1834: Kurfürstliches Justizamt Eschwege II
- 1867: Amtsgericht Eschwege
- 1879: Amtsgericht Eschwege
Herrschaft
- Um 1376 besitzt der Ritter Reinhard von Keudell eine Fischweide in Jestädt als landgräfliches Burgmannenlehen. Das Gericht Jestädt (zum Umfang s. Mittelpunktfunktion) begegnet zunächst in den Händen der Grafen von Everstein, von denen es 1408 an die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg gelangt, die es bis ins 19. Jahrhundert als Lehen ausgeben, bis ins 18. Jahrhundert an die von Boyneburg-Hohenstein. Durch komplizierte Besitz- und Lehnsverhältnisse kommt es im 15./16. Jahrhundert wiederholt zu Streitigkeiten um unterschiedliche Ansprüche in Jestädt. 1435 will Hans von Bodenhausen seinen Schwägern Heimbrod, Rabe und Reinhard von Boyneburg, genannt von Hohenstein, die ihm versetzten Dorfwüstungen Jestädt, Tudenhausen und Neuerode wieder zu lösen geben (HStAM Bestand Urk. 49 Nr. 375). 1455 lösen die von Boyneburg das Viertel, das den Dieden zum Fürstenstein zustand. 1498 erteilt Herzog Heinrich von Braunschweig-Lüneburg dem Jost von Eschwege seine Zustimmung zum Verkauf der von ihm lehnsrührigen Güter in und um Jestädt an die Brüder Raben, Heimbrod und Heinrich von Boyneburg genannt von Hohenstein. Das Lehnsverhältnis besteht in der Folge fort. Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg belehnt 1532 Heimbrod von Boyneburg genannt von Hohenstein zugleich für seine Verwandten Reinhard, Hermann Joachim, Jost, Joseph und Heimbrod von Boyneburg mit den Dörfern und Gütern Tudenhausen, Neuerode und Motzenrode samt Zubehör, sowie mit dem Dorf Jestädt (HStAM Bestand Urk. 115 Nr. 196).
- Doch bestehen noch konkurrierende Rechtsansprüche zwischen den Landgrafen und den von Boyneburg-Hohenstein um die Hochgerichtsbarkeit. Letztere können sich schließlich durchsetzen und erhalten 1556 von Hessen einen Lehenbrief über das Hochgericht in Jestädt, der eine Anerkennung der bereits länger bestehenden Praxis bildet. 1585 sind alle Hausgessenen den Boyneburgern verpflichtet, die auch das Patronatsrecht innehaben. Auch die zwei Hausgesessenen der Dieden unterstehen der Gerichtsbarkeit der Boyneburger. Die noch vorhandenen Besitzungen derer von Eschwege werden von den Boyneburgern 1738 erworben.
Besitz
Grundherrschaft und Grundbesitzer
- Vgl. Herrschaft
- 1365 verpfändet Bodo von Boyneburg dem Ritter Reinhard Keudell viereinhalb Mark jährlichen Zinses an seinem Gut zu Jestädt und an seinem Zehnten (theyzmen) zu Tudenhausen und Neuerode.
- Um 1370 haben die von Keudel eine Fischwaid bei Jestädt als hessisches Burglehen inne.
Eschwege, Cyriacusstift Das Cyriacusstift Eschwege erwirbt 1361 fünf Acker Land in Jestädt und 1516 einen Hof und weiteres Land. Bei der Auflösung des Stifts in der Reformationszeit werden die meist zu Pacht ausgegebenen Einnahmen aufgeführt. Sie fallen an die Landgrafschaft Hessen.Grossburschla, Benediktinerpropstei Besitzungen in oder bei Jestädt hatte auch die Benediktinerpropstei Grossburschla.
Zehntverhältnisse
Im Streit zwischen Erzbischof Liutbert von Mainz und Abt Sigihard von Fulda über die Zehnten in Thüringen weist König Ludwig der Deutsche 876 u.a. den zu Jestädt dem Kloster zu.
Kirche und Religion
Ortskirchen
- plebanus (1324)
- hinter der Kirche (1516) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 99-100, Nr. 249]
- Chorturmkirche mit angebautem Schiff von 1588. 1890 wird der hochmittelalterliche Chorturm durch einen neugotischen ersetzt.
Pfarrzugehörigkeit
Zur protestantischen Pfarrei gehören 1585, 1746 und 1872 als Filialen Motzenrode und Neuerode, 1896 kommt Hitzelrode hinzu, dafür gehört Neuerode 1994 zum Kirchspiel Grebendorf
Patronat
Das Patronat besaß die jeweilige Ortsherrschaft, bis ins 18. Jahrhundert die von Boyneburg-Hohenstein dann die von Eschwege.
Klöster
- 1291 wird in einem Vertrag zwischen dem Eisenacher und dem erst fünf Jahre zuvor gegründeten Mühlhäuser Predigerkonvent festgehalten, dass es dem ersteren untersagt ist, über die Werra zwischen Treffurt und Allendorf hinaus in Richtung Mühlhausen vorzurücken. Unter weiteren genannten Orten befindet sich Jestädt.
Diakonische Einrichtungen
16.02.1913 eine Schwester, Krankenpflege, Vereinsbetreuung, Gemeindearbeit Sardemann, Geschichte des hessischen Diakonissenhauses zu Cassel, S. 301; Diakoniestation bis 1966 (Landeskirchliches Archiv Kassel, Findbuch G 2.6. Kurhessisches Diakonissenhaus)
Bekenntniswechsel
Erster evangelischer Pfarrer: Johannes Kremer ca. 1530 bis kurz vor 1549(?), ehemaliger Augustiner in Eschwege
Kirchliche Mittelbehörden
Klasse Eschwege (1872)
Juden
In Jestädt Sammelfriedhof, für Gemeinden Eschwege, Netra, Reichensachsen und Abterode. Es ist vermutlich der älteste jüdische Friedhof Hessens. Er liegt zwischen Jestädt und Motzenrode, am westlichen Fuße des Berges Judenköpfchen. Das älteste Grab von 1645. (alemannia-judaica) Eine jüdische Gemeinde selbst bestand nicht im Ort.
Kultur
Schulen
1910 Volksschule mit zwei Klassen
Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles)
Wirtschaft
Mittelpunktfunktion
Das Gericht Jestädt umfasst um 1500 die Dörfer Jestädt, Motzenrode und Neuerode sowie die Wüstungen Bettelsdorf, Dornhain und Dudenhusen. Spätestens im 16. Jahrhundert entstand hier der Stammsitz der Linien Boyneburg-Hohenstein.
In Jestädt wurde bis ins 18. Jahrhundert Wein angebaut. 1738 waren acht Winzer im Ort ansässig. Sie bewirtschafteten die zum Herrenhaus gehörigen Weinberge.
Mühlen
Vgl. außerhalb der Dorfgemarkung Dudenmühle, Pletschmühle und Pochmühle Die Dorfmühle mit Mahl- und Schneidegang wurde mit dem Wasser des Motzbaches über ein oberschlächtiges Wasserrad betrieben, das 1939 gegen eine Turbine ausgetauscht wurde. Seit 1955 nur noch Eigenbedarf, kurz darauf Einstellung des Betriebs. Die Schlossmühle mit einem oberschlächtigen Mühlrad besteht seit dem 16. Jahrhundert und ist Bestandteil des Rittergutes der Familie Boyneburg-Honstein. Nach deren Aussterben geht sie an die von Eschwege über. 1932 wird sie nicht mehr betrieben.
Nachweise
Literatur
- Wunder, Adel im Hessen des 18. Jahrhunderts, S. 190-191
- Diehl, Adelsherrschaft im Werraraum, S. 42-58, 83-95, 108-110
- Eckhardt, Ersterwähnungen, S. 15-23
- Historisches Ortslexikon Kurhessen, S. 260 (Dorf und Gericht)
- Karl G. Bruchmann, Kreis Eschwege, S. 63-68
- K. Kollmann, Von Wind und Wasser gedreht, Teil 28, Jestädt (3)
- Scholz, Wasser- und Windmühlen Werra-Meißner-Kreis, S. 82
- Denkmaltopographie Werra-Meißner-Kreis 1, S. 205 - 216
- Hütteroth, althessische Pfarrer, S. 511
- Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen: Anfang, Untergang, Neubeginn, Bd. 1, S. 170, S. 413
- G. Kohlstedt, Benediktinerpropstei und das spätere Kollegiatstift Grossburschla an der Werra
- J. Schminke, Das ehemalige Gericht Jestädt, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde 10 (1865), S. 1–39
Siehe auch
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