Harmuthsachsen

Die Lage von Harmuthsachsen im Orthofoto
Siedlung
Ortstyp
Dorf
Lagebezug
20 km südlich von Witzenhausen; 2 km nordwestlich von Waldkappel
Lage und Verkehrslage
Geschlossenes Dorf mit nahezu rechteckigem Grundriss am südwestlichen Ufer der Wehre. Kirche und Lindenplatz in zentraler Lage an durchlaufender Straße (L 3334; Bilsteiner- bzw. Meißnerstraße). Jenseits der Wehre Gut mit anschließender, aus dem Hangrand herausgeschnittener ovaler, kleiner Burganlage. Zwischen Gut und Dorf ein weiterer (kleiner) Gutshof. Südwestlich des Ortes verläuft die A 44
Ersterwähnung
1195
Siedlungsentwicklung
Rund 2,5 km westsüdwestlich der Ortsmitte von Harmuthsachsen soll in der Flur "Im Hohl" eine Wüstung gelegen haben, der bislang kein Namen in Schriftquellen zugewiesen werden konnte. Bei der bisher unbekannten Wüstung könnte es sich eventuell um Liebrichsdorf handeln, das aber auch in der Gemarkung Wollstein vermutet wird (s. d.). Bei einer Begehung las man 1992 vor Ort vermutlich spätmittelalterliche Wandscherben, zwei Eisennagelstücke und ein Stück Schlacke auf. Die Funde könnten auf eine bisher unbekannte Wüstung an dieser Stelle hinweisen (eventuell Liebrichsdorf). Fundberichte aus Hessen, 36. Jahrgang, 1996 (2), S. 547, 1928 erfolgt die Eingemeindung von Teilen des aufgelösten Gutsbezirks Harmuthsachsen.
Historische Namensformen
- Hermensasßen, in villis (1195) [Abschrift 15. Jahrhundert Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 340-341, Nr. 873]
- Ermene, in (1262) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 348-349, Nr. 891]
- Ermensassen, in (1301) [Abschrift 18. Jahrhundert HStAM Bestand Urk. 100 Nr. 1564; Landgrafen-Regesten online Nr. 431]
- Armensassin (1332) [HStAM Best. Urk. 15 Nr. 121]
- Armissassen, in campis ville dicte (1334) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 387, Nr. 987]
- Ermessassen (um 1350) [Landgrafen-Regesten online Nr. 1114]
- Ermessassin, zu (1360) [HStAM Best. Urk. 13 Nr. 2227]
- Ermetsassin, ztu (1365) [HStAM Best. Urk. 121 Nr. 5]
- Armensassen, zcu (1366) [HStAM Best. Urk. 13 Nr. 2228]
- Ermpsasßen, zu (1371) [Landgrafen-Regesten online Nr. 1520]
- Ermentsassen, in villam; Ermanssasßen, zu (um 1376) [Vogtherr, Ältestes Lehnbuch der Landgrafschaft Hessen, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 37 (1987), S. 25-71, hier 39 (33) und 56 (180)]
- Ermtsaßen, zcu (1391) [HStAM, Best. Urk. 121 Nr. 7]
- Armtsaßin, zu (1413)
- Armensassin, zu (1448) [HStAM Best. Urk. 121 Nr. 19]
- Armptsassen, zu (1461)
- Armitsasßen, zu (1475) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 496, Nr. 1275]
- Ermutsaesßin, gein (1476)
- Armetsachssen (1490) [HStAM Best. Urk. 13 Nr. 2229]
- Armensayssenn (1504) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 522-523, Nr. 1333]
- Armetsassen (1506) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 524-525, Nr. 1337]
- Aarmetsassen (1514) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 539, Nr. 1369]
- Armensachssen (1527)
- Armutsassin (1527) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 563, Nr. 1405]
- Armendtsachsen, zu (1537)
- Armedsassen; Armetsassen (1553) [HStAM Best. S Nr. 452]
- Armutsachsen (1575)
- Ermutsassen, die von (1583)
- Armutsachßen (1585) [Der ökonomische Staat, S.87)
- Armoets Saxen (1708/10) [Schleenstein, Landesaufnahme, Karte Nr. 12]
- Harmuthsachsen (1715)
Bezeichnung der Siedlung
- villa (1195)
- communitas villanorum (1315)
- Dorf (1334, 1448, 1553)
Ortsteile
Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung
- Ailstech
- Harmuthsachsen
- Harmuthsachsen, Gutsbezirk
- Paskenrode
- Harmuthsachsen (→ Burgen, Schlösser, Herrenhäuser)
Burgen und Befestigungen
- Rund 2,5 km westsüdwestlich der Ortsmitte von Harmuthsachsen soll in der Flur „Im Hohl“ eine Wüstung gelegen haben, der bislang kein Namen in Schriftquellen zugewiesen werden konnte.
- Bei der bisher unbekannten Wüstung könnte es sich eventuell um Liebrichsdorf handeln, das aber auch in der Gemarkung Wollstein vermutet wird (s. d.). Bei einer Begehung las man 1992 vor Ort vermutlich spätmittelalterliche Wandscherben, zwei Eisennagelstücke und ein Stück Schlacke auf. Die Funde könnten auf eine bisher unbekannte Wüstung an dieser Stelle hinweisen (eventuell Liebrichsdorf).
- Fundberichte aus Hessen, 36. Jahrgang, 1996 (2), S. 547,
Umlegung der Flur
1875-1880
Älteste Gemarkungskarte
1724
Koordinaten
Gauß-Krüger: 3560111, 5669933
UTM: 32 U 560013 5668105
WGS84: 51.161229° N, 9.858242° O
Statistik
Ortskennziffer
636012060
Flächennutzungsstatistik
- 1780: 3295 Acker
- 1961 (Hektar): 783, davon 380 Wald (= 48.53 %)
Einwohnerstatistik
- 1575/85: 47 Hausgesesse
- 1585: 49 Haushaltungen (Der ökonomische Staat)
- 1681: 44 Hausgesessene
- 1747: 54 Mannschaften mit 54 Feuerstellen
- 1780: 132 Einwohner ohne Knechte und Mägde
- 1925: Von den insgesamt 455 Einwohnern 385 evangelisch und 57 jüdisch
- 1961: 437, davon 396 evangelisch (= 90.62 %), 29 katholisch (= 6.64 %)
- 1970: 398 Einwohner
Diagramme
Verfassung
Verwaltungsbezirk
- Ursprünglich wohl zur Germarmark und Grafschaft Bilstein gehörig.
- 1301: Amt Reichenbach
- 1585: Landgrafschaft Hessen, Niederhessen, Amt Lichtenau, Adelsdorf (von Hundelshausen)
- 1747: Amt Lichtenau
- 1787: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Niederhessen, Amt Lichtenau
- 1803-1806: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Lichtenau
- 1807-1813: Königreich Westphalen, Departement der Werra, Distrikt Eschwege, Kanton Bischhausen
- 1814-1821: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Lichtenau
- 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Witzenhausen
- 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Eschwege
- 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Witzenhausen
- 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Witzenhausen
- 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Witzenhausen
- 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Witzenhausen
- 1974: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Werra-Meißner-Kreis
Altkreis
Witzenhausen
Gemeindeentwicklung
Am 1.1.1970 erfolgte im Zuge der hessischen Gebietsreform die Eingliederung der kleinen Gutsgemeinde Wollstein. Am 31.12.1971 wurden Harmuthsachsen als Stadtteil nach Waldkappel eingegliedert.
Gericht
- 1273: Gericht Harmuthsachsen von Graf von Bilstein an Deutschen Orden Reichenbach
- Seit 1391: Gericht hessisches Lehen der von Hundelshausen
- um 1570: Niederes und peinliches Gericht von Hundelshausen
- 1747: desgleichen (siehe dazu Mittelpunktfunktionen)
- 1807: Friedensgericht Bischhausen
- 1814: Amt Lichtenau
- 1821: Justizamt Lichtenau
- 1867: Amtsgericht Lichtenau
- 1879: Amtsgericht Lichtenau
- 1945: Amtsgericht Witzenhausen
- 1961: Amtsgericht Witzenhausen
- Gerichtstisch mit 4 Bänken unter zum Teil alten Linden in unregelmäßigem Oval von Sandsteinen umzogen.
Herrschaft
Reichenbach, Deutscher Orden 1273: Die Grafen von Bilstein schenken Gericht Harmuthsachsen an Deutschen Orden Reichenbach.Hessen, Landgrafen 1301: Graf Otto von Bilstein schenkt Vogtei Harmuthsachsen, die Eckhard von Kappel innehatte, an Landgraf Heinrich.- 1334: Die von Reichenbach haben Besitz in Harmuthsachsen.
- 1343: Dorf Harmuthsachsen im Besitz der von Kappel
- 1. Hälfte 14. Jahrhundert: Die von Schwarzenberg haben Hof zu Harmuthsachsen als hessisches Lehen
- 1360 und später: Landgraf ist Lehnsherr über die Güter der von Kappel zu Harmuthsachsen.
- 1363: Die Gebrüder von Kappel verkaufen das halbe Dorf und Gericht Harmuthsachsen an ihren Schwager Heinrich von Hundelshausen.
Hessen, Landgrafen Vor 1383: Die von Kappel verkaufen ein weiteres Viertel von Harmuthsachsen an die von Schlutwinsdorf, die es 1383 an den Landgraf weiterverkaufen.- Vor 1394: Dieses Viertel an Harmuthsachsen durch Landgraf an die von Hundelshausen zu Lehen
Hessen, Landgrafen Seit 1391: Die von Hundelshausen im Besitz des Gericht und des halben Dorfs Harmuthsachsen als hessisches Lehen; folgend Reverse bis 1822.
Besitz
Grundherrschaft und Grundbesitzer
Germerode, Kloster 1195: Kloster Germerode ist in Harmuthsachsen begütert (bis zu seiner Aufhebung 1527). 1451 und 1480 ist das Dorf zu 10 Diensttagen verpflichtet
Zehntverhältnisse
1305: Heinrich von Ziegenberg belehnt die von Hundelshausen mit 1/2 Zehnten zu Harmuthsachsen.
Kirche und Religion
Ortskirchen
- plebanus (1262)
- ecclesia parochialis (1367), darin Altäre: Maria Magdalena (1370), Bartholomäus (1493)
- Kirche: Reste gotischen Mauerwerks im Chor (1501), 1749 Neubau nach Plänen G. Ghezzys, 1930 renoviert
Pfarrzugehörigkeit
1569: Harmuthsachsen versieht Küchen und Hasselbach, desgleichen 1585 1613: Harmuthsachsen mit Hasselbach, Küchen und Wollstein Um 1616 und 1620: Harmuthsachsen mit Hasselbach und Küchen 1747, 1872 und 1994: Harmuthsachsen mit Filialen Hasselbach, Küchen und - seit seiner Aufhebung als selbständige Kirchengemeinde 1969 - Wollstein
Patronat
1836: Patronat durch Tausch gegen Hundelshausen an die von Hundelshausen
Bekenntniswechsel
Einführung der Reformation in der Landgrafschaft Hessen ab 1526.
Erster nachweisbarer evangelischer Pfarrer: Michael Henning 1553 bis nach 1579
Kirchliche Mittelbehörden
1262: Mainzisches Archidiakonat Heiligenstadt, Archipresbyterat Niederhone 1585: Superintendentur Rotenburg-Allendorf 1780 und 1872: Klasse Waldkappel 1923: Kirchenkreis Sontra 1933: Kirchenkreis Eschwege
Juden
Provinzial-Rabbinat Kassel; Waldkappel angeschlossen 1342: Unbekannte Zahl Schutzjuden genannt 1665: 4 Schutzjuden; 1733: 3; 1744: 9 Juden Im 19. Jahrhundert leben durchschnittlich 25 jüdische Familien im Ort. 1835: 118; 1861: 130 Juden; 1893: 22 Haushalte und 5 steuerfreie Personen Um 1900 setzte eine starke Auswanderung nach Südafrika ein. 1903: 75 Juden Im 1. Weltkrieg: 12 Familien 1925: 57 Juden 1932/33: 34 Juden 1936 wird die Jüdische Gemeinde aufgelöst Seit 1814 gab es eine Synagoge; 1833 wird die neue Synagoge eingeweiht 1869: Jüdische Elementarschule mit 30 Schülern; zwischen 1915-19 geschlossen; 1925: aufgelöst Seit 1839 existierte der Alte Friedhof in schwer zugänglichem steilen Waldgebiet mit 75 Gräbern (schmaler Bergsporn des Rauschenberges) Seit 1906: Neuer Friedhof mit Gräbern, am Ortsrand gelegen (alemmania-judaica) 1938: Gräberverzeichnis mit 23 Gräbern
Kultur
Schulen
1910 einklassige Volksschule
Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles)
Wirtschaft
Mittelpunktfunktion
Sitz eines Gerichts 1383 und 1391: zugehörig waren Diemenrode, Hasselbach, Ichendorf, Küchen, Wollstein 1687: zugehörig Küchen, Hasselbach, Wollstein
1581: Glashütte im "Harmuthsachsener Gehölz"
Mühlen
Eine Mühle ist bereits 1448 [HStAM Best. Urk. 121 Nr. 19] nachgewiesen, in der Schleensteinkarte (1708-10) und in der Ritterschaftlichen Steuerrektifikation in der Gemeinde Harmuthsachsen (HStAM Best. 49 d, Witzenhausen Nr. 185) sind für das 18. Jahrhundert zwei Mühlen nachgewiesen. In Harmuthsachsen befanden sich innerhalb der Ortsgemarkung die Ober- oder Schlossmühle an der Nordseite und die Unter- oder Mahlmühle am südöstlichen Rand. Beide wurden mit dem Wasser der Wehre betrieben, erstere bis höchstens 1978 über ein oberschlächtiges Wasserrad, das 1943 gegen eine Turbine ausgetauscht worden war. Die Unter- oder Schlossmühle verfügte über ein mittelschlächtiges Wasserrad. Der Berechtigte verzichtete 1980 auf sein Wasserrecht.
Nachweise
Quellen
Hundelshauser Kopiar fol. 15, 19V, 34, 45, 58, 70, 72, Landesbibliothek Kassel
Literatur
- K. Kollmann, "Grafen Wigger" und die Grafen von Bilstein, S. 216 (Register)
- Schilling, Kloster Germerode
- Scholz, Wasser- und Windmühlen Werra-Meißner-Kreis, S. 126-127
- Historisches Ortslexikon Witzenhausen, S. 53 - 55
- Denkmaltopographie Werra-Meißner-Kreis 1, S. 481 - 494
- Knappe, Burgen in Hessen, S. 52 f.
- Hütteroth, althessische Pfarrer, S. 503
- Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen: Anfang, Untergang, Neubeginn, Bd. 1, S. 336f.
- Schoof, Beiträge Ortsnamenkunde, S. 201 - 203
- Lücke, Burgen, Band 4, S. 54
- Historisches Ortslexikon Kurhessen, S. 203
- Krummel, Ämter Melsungen, S. 73 f.
- Siegel, Geschichte der Stadt Lichtenau, S. 305 f.
Siehe auch
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„Harmuthsachsen, Werra-Meißner-Kreis“, in: Historisches Ortslexikon <https://lagis.hessen.de/de/orte/historisches-ortslexikon/alle-eintraege/5907_harmuthsachsen> (aufgerufen am 25.11.2025)
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