Heiligenrode

Die Lage von Heiligenrode im Orthofoto
Siedlung
Ortstyp
Dorf
Lagebezug
4,5 km südöstlich von Kassel
Lage und Verkehrslage
Ursprünglich geschlossenes Dorf mit einfachem regelhaftem Grundriss und geringer Siedlungsdichte an den westlichen Ausläufern des Kaufunger Waldes südlich des Bachlaufs der Nieste. Kirche in zentraler Lage. Einschneidende Veränderungen erfolgen im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Siedlungs-, Rüstungs- und Kriegspolitik durch die Errichtung der Reichsautobahn I (heute A 7) im Westen sowie die Anlage von Industriebetrieben und Lagern (s. Heiligenrode, Lager für Zwangsarbeiter, alte Schule Heiligenrode, Unterkunft für Zwangsarbeiter, Gaststätte „Zum Niestetal“, Niestetal, Flakabteilung 112). Nach Kriegsende Zuzug von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen, Wiederaufbau und Siedlungsentwicklung in alle Richtungen.
Ersterwähnung
1123
Siedlungsentwicklung
Bronzezeitliche Hügelgräber am Mühlenberg nordöstlich von Heiligenrode. Heiligenrode entstand vermutlich im 11. Jahrhundert als Rodungsdorf des Klosters Kaufungen.
1928 erfolgt die Eingemeindung von Teilen der aufgelösten Gutsbezirke Ellenbach und Windhausen.
Starke Zerstörung im Zweiten Weltkrieg 1943.
Historische Namensformen
- Helingenrodh (1123) [Roques, Urkundenbuch Kloster Kaufungen 1, S. 27-28, Nr. 22; vgl. Monumenta Germaniae Historica. Diplomata regum et imperatorum Germaniae 7. Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde, hrsg. von M. Thiel, Nr. 257]
- Helegenrod (1126) [Roques, Urkundenbuch Kloster Kaufungen 1, S. 28-30, Nr. 23; UB Mainz 1, S. 447-448, Nr. 540]
- Heiligenrode, de (1257) [Urkunden Kloster Hardehausen, S. 161, Nr. 170]
- Heylgenrode, in (1366) [Klosterarchive 2: Klöster, Stifter und Hospitäler der Stadt Kassel und Kloster Weißenstein, S. 300, Nr. 772]
- Helgenrade (1366) [Klosterarchive 2: Klöster, Stifter und Hospitäler der Stadt Kassel und Kloster Weißenstein, S. 301, Nr. 774]
- Heilgenrode (1387) [Roques, Urkundenbuch Kloster Kaufungen 1, S. 270-271, Nr. 271]
- Heiligenrodt (1585) [Der ökonomische Staat, S. 76]
- Heiligenrode (1708/10) [Schleenstein, Landesaufnahme, Karte Nr. 1]
Bezeichnung der Siedlung
- villa (1123)
- Dorf (1387)
Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung
- Forsthaus
- Guntershausen
- Rüstebergsiedlung
- Umbach
- Windhausen
- Windhausen, Gut (→ Burgen, Schlösser, Herrenhäuser)
Umlegung der Flur
1939 (Reichsautobahn)
Älteste Gemarkungskarte
1693
Koordinaten
Gauß-Krüger: 3540486, 5686038
UTM: 32 U 540396 5684203
WGS84: 51.307705° N, 9.579534° O
Statistik
Ortskennziffer
633020010
Flächennutzungsstatistik
- 1885 (Hektar): 956, davon 669 Acker (= 69.98 %), 137 Wiesen (= 14.33 %), 44 Holzungen (= 4.60 %)
- 1961 (Hektar): 1466, davon 453 Wald (= 30.90 %)
Einwohnerstatistik
- 1585: 62 Haushaltungen (Der ökonomische Staat)
- 1747: 86 Haushaltungen (Stadt- und Dorfbuch des Ober- und Niederfürstentums Hessen)
- 1885: 1113, davon 1096 evangelisch (= 98.47 %), 1 katholisch (= 0.09 %), 14 andere Christen (= 1.26 %), 2 Juden (= 0.18 %)
- 1961: 3296, davon 2788 evangelisch (= 84.59 %), 354 katholisch (= 10.74 %)
- 1970: 4159
Diagramme
Verfassung
Verwaltungsbezirk
- 1458: Landgrafschaft Hessen, Amt Neustadt Kassel
- 1585: Landgrafschaft Hessen, Niederhessen, Kassel, Gericht vor der Neuenstadt
- 1787: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Niederhessen, Amt Neustadt
- 1803-1806: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Neustadt
- 1807-1813: Königreich Westphalen, Departement der Fulda, Distrikt Kassel, Kanton Waldau
- 1814-1817: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Kaufungen
- 1817-1821: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Waldau
- 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Kassel
- 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Kassel
- 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Kassel
- 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Kassel
- 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Kassel
- 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Kassel
- 1972: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Kassel, Gemeinde Niestetal (s. Gemeindeentwicklung)
Altkreis
Kassel
Gemeindeentwicklung
Am 1.8.1972 erfolgte im Zuge der hessischen Gebietsreform der Zusammenschluss der Gemeinden Heiligenrode und Sandershausen zur neuen Gemeinde Niestetal, deren Ortsteil Heiligenrode wurde. Sitz der Gemeindeverwaltung ist Sandershausen.
Gericht
- Zweiter Schöppenstuhl
- bis 1822: Amt Waldau
- 1822: Landgericht Kassel
- 1850: Justizamt Kassel I
- 1867: Amtsgericht Kassel II
- 1879: Amtsgericht Kassel
Herrschaft
- 1123 gibt Kaiser Heinrich V. dem Kloster Kaufungen Güter zurück, die es in Heiligenrode und Umbach im Kaufungerwald durch gewaltsamen Eingriff vermutlich Gosmars von Reichenbach und seiner Brüder verloren hat.
- 1366 übertragen Landgraf Heinrich von Hessen und sein Sohn Otto das Patronatsrecht über die Pfarrkirche in Heiligenrode an das Martinsstift in Kassel, 1372 muss der Dechant von St. Martin die landgräfliche Genehmigung zur Umwandlung des Zehnten in eine Pfründe einholen. 1386 erhält die Familie Fleck ein landgräfliches Gut in Heiligenrode. 1458 ist Heiligenrode nach Ausweis des Pflugscharregisters dem landgräflichen Amt Neustadt eingegliedert.
Besitz
Grundherrschaft und Grundbesitzer
- 1123 erhält Kloster Kaufungen von Kaiser Heinrich V. das Dorf zurück und ist bis zur Reformation wichtigster Grundherr in Heiligenrode. Teile des Besitzes gelangen an das Ritterschaftliche Stift Kaufungen.
- 1366 gelangt das das Kasseler Kloster Ahnaberg in den Besitz der Obersten und der Niedersten Mühle sowie des Crummenhofes in Heiligenrode und ist noch 1405 dort begütert. 1402 erwirbt die Nikolauskapelle in Kaufungen Besitz in Heiligenrode.
- Die von Berlepsch besitzen in Heiligenrode neben dem Zehnten (s. dort), 1476 Haus und Hof mit Land und 1527/28 kaufunger Lehen, die noch im 18. Jahrhundert verwaltet werden.
Zehntverhältnisse
1126 gibt der Mainz Erzbischof Adelbert I. dem Kloster Kaufungen den Novalzehnten in Heiligenrode, Umbach, Bettenhausen und Eschenstruth zurück, den er eine zeitlang in Anspruch genommen hat. Die Äbtissin hatte nachgewiesen, dass dem Kloster der Zehnte von allen Rodungen zusteht.
1372 geht ein Viertel des Zehnten als Lehen der Landgrafen und denen von Berlepsch an das Martinsstift Kassel, das hierüber mit dem Stift Kaufungen 1401-1403 in Streit gerät.
1746 ist der größte Teil des Zehnten im Besitz des Martinsstiftes in Kassel.
Kirche und Religion
Ortskirchen
- Pfarrer (1338) [Klosterarchive 2: Klöster, Stifter und Hospitäler der Stadt Kassel und Kloster Weißenstein, S. 293, Nr. 753]
- Kirche als flach gedeckter Saalbau mit Giebeltürmchen an der Stelle eines kleineren gotischen Vorgängerbaus 1768 fertiggestellt. Umbau im Innern 1959 und 1984
Pfarrzugehörigkeit
1585 und 1872 gehört Sandershausen zur Pfarrei Heiligenrode. 1994 gehört zur neu benannten Evangelischen Kirchengemeinde Niestetal die Filialgemeinde Sandershausen des früheren Kirchspiels Heiligenrode.
Patronat
1366 überträgt der Landgraf das Patronatsrecht dem Martinsstift in Kassel, 1527 fällt das Recht an die Landgrafen zurück
Diakonische Einrichtungen
1926 nach Ritter, Kirchliches Handbuch, S. 72 Gemeindestation mit einer Schwester
Bekenntniswechsel
Erster evangelischer Pfarrer: Mathes Birtunhen 1517 bis nach 1569, unklar, seit wann evangelisch
Kirchliche Mittelbehörden
15. Jahrhundert: Erzbistum Mainz, Archidiakonat von St. Peter zu Fritzlar, Erzpriestersprengel Ditmold
1872: Protestantische Pfarrei der Klasse Kaufungen
Kultur
Schulen
1910 Volksschule mit vier Klassen
Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles)
Wirtschaft
Ursprünglich Landwirtschaft, um 1600 vorübergehend ein Eisenhammer (HStAM Bestand 55 a Nr. 1469)
Mühlen
1366 werden eine Oberste und eine Niederste Mühle in Heilgerode erwähnt (Klosterarchive 2: Klöster, Stifter und Hospitäler der Stadt Kassel und Kloster Weißenstein, S. 101-102, Nr. 253). In der Klemmschen Mühle am nördlichen Ortsausgang an der Niestetalstraße wurde zunächst mit dem Wasser der Nieste ein oberschlächtiges Wasserrad betrieben. Von etwa 1943 bis 1970 wurden zwei Turbinen zum Antrieb von zwei Walzenstühlen, zwei Mahlgängen, eine Dreschmaschine und eine Kreissäge eingesetzt. Die Paulsche Mühle am Nordrand wude gleichfalls zunächst über ein oberschlächtiges Wasserrad mit dem Wasser der Nieste angetrieben. Von 1908 dann bis zur Einstellung des Betriebs 1950 diente eine Turbine zum Antrieb der Mahl- und schließlich nur noch der Schrotmühle.
Nachweise
Literatur
- Denkmaltopographie Landkreis Kassel, Bd. II, S. 527-544
- W. A. Eckhardt, Salbuch des Stifts Kaufungen von 1519, S. 21-23
- Scholz, Wasser- und Windmühlen im Landkreis Kassel, S. 157
- Heiligenrode 850 Jahre
- Eisenträger/Krug, Territorialgeschichte der Kasseler Landschaft, S. 196-197
- Hochhuth, Statistik der evangelischen Kirche, S. 199
- Historisches Ortslexikon Kurhessen, S. 217
- Holtmeyer, Landkreis Kassel
- Hütteroth, althessische Pfarrer, S. 504
Siehe auch
Weitere Angebote in LAGIS
Orte
- Burgen, Schlösser, Herrenhäuser
- Hessische Flurnamen
- Historische Kartenwerke
- Topografie des Nationalsozialismus in Hessen
- Topografische Karten
Personen
Quellen und Materialien
Nachnutzung
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Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Heiligenrode, Kassel“, in: Historisches Ortslexikon <https://lagis.hessen.de/de/orte/historisches-ortslexikon/alle-eintraege/2268_heiligenrode> (aufgerufen am 26.11.2025)
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