Bau einer neuen Synagoge zu Spangenberg
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Regest
Am 28. August berichten die Schutzjuden Jacob Moeller (Müller, Miller) und Moses Isaac aus Spangenberg und Levi Moses aus Elbersdorf dem Konsistorium zu Kassel, dass, obwohl sie und andere aus der jüdischen Gemeinde zu Spangenberg mit dem Gebrauch der alten Synagoge durchaus zufrieden gewesen wären und keine Veränderung für nötig gehalten hätten, ein großer Teil der Spangenberger Schutzjuden die Erlaubnis erwirkt hätte, auf einem von dem Bürger Wilhelm Schäfer gekauften Platz eine neue Judenschule aufzubauen, in welcher sie zugleich eine Wohnung für den Judenschulmeister einrichten laßen. Nach einem, von dem Landrat von Lindau am 18. November 1804 ausgestellten Bescheid, sei ihnen, den Beschwerdeführern, aber zugesichert worden, dass sie künftig von ihren Synagogenplätzen nicht mehr zahlen müssten als zuvor von den Plätzen in der alten Synagoge. Gegenwertig wollen die Erbauer der Judenschule mit denen Staenden eine andere Einrichtung treffen und solche willkürlich veraendern und erhoehen, sind auch im Begrif, in einem Zeitraum von sechs Tagen alles aus der alten Schule heraus und in die neue bringen zu laßen. Deshalb haben die Beschwerdeführer den Landrat von Lindau gebeten, gemäß seinem Bescheid von 1804 Anweisung zu geben, den Betrag für die Plätze in der neuen Synagoge nicht zu erhöhen und aus der alten Schule nichts ausräumen zu lassen, bis Einigkeit erzielt ist. Da der Landrat aber eine solche Weisung nur mit Zustimmung des Konsistoriums geben wolle, bitten sie, den Landrat entsprechend anzuweisen.
Am 3. September berichtet die jüdische Gemeinde zu Spangenberg der Regierung Kassel, dass sie zuvor den Raum für die alte Synagoge bei dem Kläger [Jacob Moeller] gemietet und er dort seinen Stand hart am Altar hatte. In einer neu angelegten Synagoge werden die Stände jedesmahl meistbietend verkauft und so geschah es auch bei uns. Der Kläger habe gegen diese gewöhnliche Auction protestiert und den Stand zunächst am Altar gefordert. Das aber wäre eine die Gemeinde belastende Begünstigung gewesen und die Verfestigung eines Rechts, das man ihm als Vermieter und Hauswirt eingeräumt hatte, auf das er aber keinen dauerhaften Anspruch habe. Darauf habe dieser einen Befehl des Landrats erwirkt, die neue Synagoge bei 10 cfl. Strafe solange nicht zu nutzen, bis der Streit wegen des Standes entschieden sei. Die Gemeinde empfindet es als unbillige Härte, dass von einem einzelnen Manne die Vollziehung der Gottesverehrung einer ganzen ansehnlichen Gemeinde gestöhrt oder sistirt werden solle. Der Landrabbiner, an den sich die Kläger als judex a quo gewandt hatten, habe sie abgewiesen.
Der zum Bericht aufgeforderte Rabbiner Löb Meier Berlin berichtet am 15. September:
Der Kläger und ehemalige Vermieter verlange von der jüdischen Gemeinde die Fortzahlung der jährlichen Miete für den Synagogenraum, den er den jüdischen Gesetzen gemäs leerstehen lassen müßte. Außerdem fordere er, dass man ihm als altem, tauben Mann den Stand wie zuvor neben dem Vorsinger zum alten Preis gebe. Es sei zudem nicht wahr, dass die alte Synagoge zu klein gewesen und der Neubau von der ganzen jüdischen Gemeinde beschlossen worden wäre. Das hätten lediglich die sechs wohlhabendsten Mitglieder beschlossen und zugleich versichert, dass die Preise nicht erhöht werden sollten. Er selbst habe die Versteigerung der Stände untersagen müssen, da der Kläger, wenn die Stände einmal vergeben wären, kaum mehr eine Chance gehabt hätte, zu seinem Recht zu kommen. Außerdem wären die Eingabe des Schulvorstehers nicht von den erforderlichen 2/3. der Gemeindemitglieder unterzeichnet worden, sondern nur von denen, die den Neubau übernommen hätten. Daneben gäbe es aber noch weitere 5 Gemeindemitglieder zu Spangenberg und einige weitere in Elbersdorf. Eine Verhinderung des Gottesdienstes liege nicht vor, da er wie bisher in der alten Synagoge durchgeführt werden könne. Außerdem muss der Kläger, bei dem die Synagoge im Haus ist und der folglich die dazu erforderliche Thora etc. in seiner Gewalt hat, bey seiner Possession und gegen alle Turbationen geschützt werden.Was seine Zuständigkeit für diesen Fall angeht, beruft sich der Landrabbiner auf die Klagen des Isaac Philip aus Bovenden gegen Löb Moses Levi zu Kassel und des Joseph Meyer zu Wolfhagen gegen die Witwe des Feist Katz ebenda, bei denen er geurteilt hat und sein Urteil akzeptiert wurde.
Der Landrabbiner fügt in Abschrift sein am 28. August 1807 gefälltes Urteil auf die namens der jüdischen Gemeinde geführte Klage des Schutzjuden Hanna Ruben zu Spangenberg gegen den Schutzjuden Jacob Moeller ebenda an, mit dem er die Klage abgewiesen, den Kläger zur Kostenübernahme verurteilt und den Beklagten aufgefordert hat, seine Klage binnen 14 Tagen zu begründen. Inzwischen ist der Gebrauch der neuen Synagoge untersagt.
Am 1. September lässt der Landrabiner eine Berufung gegen sein Urteil zu.
Am 11. 9. überreicht Moeller die Begründung seiner Klage der Regierung in Kassel. Demnach stand 1784 das Haus, in dem sich die alte Synagoge befindet, Schulden halber zum Verkauf. Moeller hat es damals auf Drängen der jüdischen Gemeinde und um ihr eine Verlegung der Synagoge zu ersparen, gekauft. Er selbst wohnte damals und wohnt noch heute in einem anderen Haus, hat den Kauf also nur zum Wohle der Gemeinde und auf deren Wunsch hin getätigt. Die Synagoge, welche darin befindlich, ist geräumig, gesund und der kleinen Gemeinde völlig angemessen. Einige Juden aber, insbesondere der Judenvorsteher Haune Ruben, hätten fälschlich behauptet, dass die Synagoge durch den starken Zuzug auswärtiger Juden zu klein geworden sei und so beim Steuerkollegium die Erlaubnis zum Bau einer neuen Synagoge erwirkt, die auch tatsächlich gebaut wurde und demnächst eingeweiht werden soll. Solange aber der Streit nicht beigelegt ist, kann sich Moeller damit nicht abfinden, zumal er das Zimmer, in dem sich die alte Synagoge befindet, nach jüdischen Gesetzen nicht zu allem gebrauchen kann, leer und unbenutzt stehen lassen muß. Moeller bitte daher, die Gemeinde anzuhalten, die alte Synagoge weiter zu nutzen oder ihm den Schaden durch Fortzahlung der Miete für den Raum zu ersetzen. Sollte die Nutzung der neuen Synagoge gestattet werden, so bittet Moeller dahin zu entscheiden, dass nur die sechs reichsten Juden die Baukosten zu tragen haben und den übrigen die Kosten für ihre Stände nicht erhöht werden sollten. Außerdem bin ich ein alter, schlecht hörender und sehender Mann, der den Judenschulmeister im Gesicht haben und nahe vor ihm stehn muß, wenn er ihn verstehen will. Daher könne er mit Recht verlangen, dass ihm der Platz, den er in der alten Synagoge hatte, auch in der neuen eingeräumt wird.
Der Klage beigefügt ist die Abschrift einer Weisung des Kasseler Konsistoriums vom 28. September 1804 auf eine Anfrage des Landrabbiners Löb Meyer Berlin wegen des zu verkaufenden Kirchenstandes des Kasseler Schutzjudens Leib Moses Levi, wonach er den Verkauf selbst vorzunehmen habe. Desgleichen die am 13. März 1806 ergangene Weisung an Löb Meyer Berlin, den Streit zwischen der Witwe des Feist Katz zu Wolfhagen und dem Schutzjuden Joseph Meyer ebenda wegen eines Kirchenstandes selbst zu entscheiden.
Am 23. September 1807 entscheidet das Konsistorium, dass die Spangenberger Gemeinde, nachdem der Landrabbiner seinen Einspruch aufgehoben hat, die neue Synagoge einweihen kann mit der Auflage, Moeller eine gleich guten Kirchenstand zum alten Preis einzuräumen.
Beigefügt ist ferner die in gleicher Sache geführte, am 3. August erhobene Klage des Spangenberger Schulvorstehers Hauna Ruben gegen Jacob Moeller ebenda. Darin stellt Ruben fest, die Spangenberger Judengemeinde habe 1777 in Ermanglung einer ordentlichen Synagoge zur Verrichtung des Gottesdienstes von dem inzwischen verstorbenen Schutzjuden Joseph Simon ein Zimmer gemietet, und dieses für 38 fl. mit der fehlenden Tür, mit Fenstern und den nötigen Bänken versehen lassen. 1784 musste Simons Haus Schulden halber verkauft werden. Zum Erhalt der Synagogenstube haben sich damals Hauna Ruben, sein Vater Ruben Levi, der Schutzjude Ruben Moeller und der Vater des beklagten Jacob Moeller, Simson Moeller per Handgelübde verabredet, das Haus zu kaufen. Ruben Moeller habe dann das Haus gekauft und die anderen haben es ihm verzinst. Es ist indessen bekanntlich der Judenschaft das gnädige Privilegium, ein ordentliches Gotteshauß zu erbauen, verliehen und von dieser hohen Erlaubniß auch sofort Gebrauch gemacht worden. Man habe dann vergeblich versucht, den Beklagten zur Herausgabe der angeschafften Tür, Fenster und Bänke zu veranlassen und schließlich alles neu kaufen müssen. Daher verlange man von ihm die 38 f. nebst aufgewandten Kosten.
Am 18. August übergibt Hauna Ruben in Kassel seine ihm von 2/3. Der Gemeinde erteilte Klagevollmacht und bemerkt dazu, dass der bettelarme Heskius Miller nicht als vollberechtigtes Gemeindemitglied zu zählen und mit seiner eigenen Unterschrift die Zweidrittelmehrheit erreicht ist. Am 27. August erscheint namens des Beklagten David Manus aus Sontra, zweifelt die Gültigkeit von Rubens Vollmacht an und erklärt, Heskius Miller sei trotz Armut ein vollwertiges Gemeindemitglied. Da im Übrigen im Kaufbrief nichts davon stehe, was im Einzelnen mit dem Haus gekauft worden sei, obliege es dem Kläger nachzuweisen, ob die fraglichen Gegenstände nicht mitgekauft worden seien.
Am 28. August wird dem Vorsinger Lippmann Levi bei Strafe untersagt, dieses Amt zu verrichten, das auch kein anderer ausüben soll
Am 11. September verhängt Levi Meyer Berlin über die Gemeindemitglieder Hauna Ruben, Meyer Levi, Joseph Levi, Isaac Levi, Jacob Aaron und Süsskind Goldschmidt eine Buße von 10 cfl., weil sie die Erlaubnis zur Einweihung der neuen Synagoge nicht abgewartet haben.
Ausfertigung
Prozessakte mit hebräischen Schriftstücken
Archivangaben
Altsignatur
22 a 3 c Paket 5
Arcinsys-ID
Archivkontext
Nachweise
Edition
Quellen zur Geschichte der Juden im Hessischen Staatsarchiv Marburg / Nachträge von Uta Löwenstein (ungedruckt), Nr. NL 782.
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Orte
Personen
Nachnutzung
Rechtehinweise
Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0
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„Bau einer neuen Synagoge zu Spangenberg“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/14825_bau-einer-neuen-synagoge-zu-spangenberg> (aufgerufen am 25.11.2025)
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