Fruchthandel des Bankiers Cerf Bär aus Straßburg mit Lazarus Wolf zu St. Goar

HStAM 70 Hessen-Rotenburgische Hofkanzlei Nr. 1860  
Laufzeit / Datum
1771 April 3 - November 26
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am 3. April 1771 bittet der Prinz von Holstein als Chef des Regiments Royal Allemand in Landau dem für die Fourage des Regiments zuständigen Cerf Bär die Ausfuhr von 3000 Sack Hafer zu gestatten, die er bei Lazarus Wolf in St. Goar gekauft hat. Am 3. Mai wiederholt Bär die Bitte. Am 16. und 27. Mai folgen weitere Interzessionsschreiben des französischen Gesandten D‘ Entraigne in Mainz. Am 10. Juli bevollmächtigt Cerf Bär seinen Bruder, Marchand Bär aus Saargemünd, mit seiner Vertretung. Am 11. August 1771 berichten Kanzleidirektor Wagner und Kanzleirat Wachter aus St. Goar, dass der Sekretär des französischen Gesandten zu Mainz darauf dringt, dass Lazarus Wolf, der von Bär bezahlt wurde, aber nicht geliefert hat, festgenommen und binnen 3 Tagen ausgeliefert wird. Das lehnt die Kanzlei zu St. Goar ab und verweist Bär auf den Rechtsweg. Da Wolf Schutz genießt, ein ansehnliches Vermögen besitzt und de fuga in keiner Weiße suspectus ist, kann nicht mit einem Personalarrest gegen ihn vorgegangen werden. Was den Hafer angeht, so herrscht bis zur Gewissheit über den Ausfall der nächsten Ernte Fruchtausfuhrsperre. Trotzdem lässt Wachter Wolf in Abwesenheit von Wagner kurz darauf festnehmen, worüber Wolf sich in einem undatierten Schreiben bei Landgraf Konstantin beklagt. Es hat mich heuthe H[err] Cantzleyrath Wachter ohne Ursach zu meinem und meiner Handlung gröstem Nachtheil und Prostitution in den Augen des Publici in meinem Hauß arretiren und mit zwey Mann, Wacht- und Stadtwachtmeister, in die fürstl[iche] Kellerey bringen laßen, sodann mich in einem Stübgen hingesetzet, ohneracht ich von seinem Verfahren appelliret hatte. Erst nachmittags habe Wachter ihm mitgeteilt, dass die Verhaftung auf einen von D’Etraigne in Mainz wegen Bärs Forderungen erwirkten landgräflichen Befehl hin erfolgt sei, der aber, wie sich später zeigt, nicht zwingend Wolfs Verhaftung, sondern nur die Regelung der Angelegenheit verlangte. Wolf erklärt, Bär nichts schuldig zu sein und beschwert sich, dass dieser den Rechtsweg nicht einhält. Bärs Forderungen beruhten auf einer falschen Abrechnung [mit Bärs Bruder] in Schwalbach. Außerdem habe er Bär nachweislich mehr als 3000 Malter Weizen und Korn geliefert und mehr als 3000 Malter habe er parat liegen, die er aber wegen der Ausfuhrsperre nicht liefern könne. Bei dem Fruchtmangel im Winter habe er große Fruchtmengen aus dem Ausland eingeführt und – wie auch beim Ankauf herrschaftlicher Frucht - stets pünktlich bezahlt. Am 23. August entschuldigt sich Wagner, dass die Verhaftung ohne sein Wissen unnötigerweise erfolgt ist und bescheinigt, dass Wolf noch am gleichen Tage entlassen wurde. Am 27. August erhält Wolf die Ausfuhrgenehmigung für 2550 in französischen Säcken abgepackte Malter Hafer, die in Schwalbach und Laufenselden lagern. Dagegen verlangt der Kasseler Reservatenkommissar zu St. Goar von Bärs Bruder bei Strafe der Konfiskation des Hafers die Vorlage einer Ausfuhrgenehmigung des Landgrafen von Hessen-Kassel. Auf Bitten von Bärs Bruder protestiert die Kanzlei zu St. Goar noch am gleichen Tage gegen dieses Vorgehen des Reservatenkommissars und verweist darauf, dass Lazarus Wolf mit dem kurmainzischen Hoffaktor Moyses Homburg zu Mainz einen Vertrag über die Lieferung von 750 Maltern Hafer geschlossen habe, die mit Genehmigung der Kanzlei zu St. Goar auch ausgeführt worden seien. Darauf erwidert der Reservatenkommissar, dass es sich bei dem von Cerf Bär beanspruchten Hafer nicht um herrschaftliche Ware handele, sondern um Frucht aus vierter Hand. Ohne ausdrückliche Anweisung aus Kassel, das D’Entraignes entsprechende Bitten bereits abgeschlagen habe, könne er keine Ausfuhrerlaubnis geben. Darauf geht am 2. September ein Protestschreiben nach Kassel, das dem Reservatenkommissar willkürliche Vertragsverletzung vorwirft und die Aufhebung der Ausfuhrsperre für den dank der langen Verzögerung ohnehin schon größtenteils verdorbenen Hafer verlangt.
Am 14. September befiehlt die Regierung Kassel der Kanzlei zu St. Goar, den zwischenzeitlich wieder gefangen genommenen Lazarus Wolf unverzüglich wieder auf freien Fuß zu setzen. Am 7. November verlangt man aus Kassel zwecks weiterer Untersuchung die Zusendung der Akten über die Verhandlung gegen Wolf. Da Wagner der Kasseler Regierung misstraut, bittet er am 22. November Landgraf Konstantin um Weisung und dieser lässt laut Randnotiz vom 26. November erklären, er könne nicht einsehen aus welchem Grund die Akteneinsicht zu verweigern wäre.

Nachweise

Edition

Quellen zur Geschichte der Juden im Hessischen Staatsarchiv Marburg / Nachträge von Uta Löwenstein (ungedruckt), Nr. NL 686.

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Fruchthandel des Bankiers Cerf Bär aus Straßburg mit Lazarus Wolf zu St. Goar“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/14730_fruchthandel-des-bankiers-cerf-baer-aus-strassburg-mit-lazarus-wolf-zu-st-goar> (aufgerufen am 25.11.2025)

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