Einbruch in die Synagoge zu Barchfeld

HStAM 301 Nr. 120  
Laufzeit / Datum
1717 August 14
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Ausführlicher Bericht von H. C. Hoffmann aus Barchfeld über einen Einbruch in die dortige Synagoge an einen hessen-philippsthalschen Sekretär
[…] Unsere arme Judenschafft ist wohl zu beklagen, indeme am Mittwochs nachts [August 11] ihre Synagoge von bösen Leuten erbrochen und geplündert worden, welches ein jämmerliches Geheul und Weheklagen unter ihnen, so Männern als Weibern, Jungen und Alten verursachet, daß ihr Tempell von den Goyim so verwüstet. Die H[eiligen] 10 Gebothe, die Bücher Mosis, der Profeten Psalme, etc., so alle in Fractur auf Pergament geschrieben und über eine höltzerne Rolle zusammengerollt waren, item die kostbare Decke Mosis mit silbernen Tressen brodirt und mit viel andern Wimpeln und Decken, worin solche als ihr größtes Heiligthumb eingewickelt gewesen, sodann 2 messingen Crohnleuchter hinweg genomnmen, welche zusammen etliche 100 rtl. gekostet, und also daß geschriebene Wort Gottes in der Grundsprache mit Pallasch oder Haudegen, wie man an der höltzern Rolle eigentlich sieht, zerhauen, zerstochen und auf dem Felde herumb zerstreuet. Sie [die Juden] hätten gerne 100 rtl. zusammenbetteln wollen, daß das Wort Gottes und die h[eiligen] 10 Geboth nicht so unmenschlich wären beschimpft und verunehrt worden. Die Thäter haben es Diebstahls halben [nicht] gethan, dann es ihnen nichts nütz gewesen. Wie sie dann auch den grösten Crohnleuchter hangen laßen, dergleichen den Gotteskasten. Es ist alles aus Boßheit und Frevell von Einigen, so ihnen gehäßig seind, geschehen. Wie sie [die Juden] es dann hiesigen Dragonern Schuld geben, weil einer von ihnen vom Corporal mit Schlägen tractirt worden, daß er sich an ein[em] Juden als Überbringer dieses vergriffen und übell tractirt, deswegen er sich hat rächen wollen. Sie [die Juden] haben das Sambtgericht imploriret eine Inquisition anzustellen. Nun möchte ich gern wissen, wie man ihnen helffen könnte, dann ich nicht gern mit Soldaten zu thun habe. Ich fürchte mich recht dafür und die hiesigen Bauren auch, sie möchten es einem einträncken. Jedoch deucht mich nicht unbillich zu seyn, daß man darauf inquirire, dan weil sie Schutzgeld geben und der Landesfürst sie leiden kann, so müssen sie auch von den Beambten gegen alle Insultationes geschützt werden. So haben sie auch ihre Schul als Boineburgk[isches] Lehen dieses Jahr gekaufft und muß ich Lehngeld von ihnen einnehmen. Sie sagen alle, daß seither der Zerstörung Jerusalems, noch in den allergrausambsten Kriegen dergleichen unmenschliche That nie sey erhört worden, daß man mit Gottes Wort so umgangen und solches beschimpft. Wahr, es ist ein solcher Jammer und Weheklagen unter ihnen, den armen Jüden, daß man warlich com passion mit Ihnen haben muß, wie sie dann deswegen im gantzen Land groß Fasten und absonderliche Bußgebet anstellen wollen, auch schon itzo täglich den 74. und 79. Psalm offentlich beten. [Folgt die Bitte, das alles dem Herrn Rat mitzuteilen …]

Ausstellungsort

Barchfeld

Weitere Angaben

Ausf. M. Präs. V. 15. April 1717.

Nachweise

Edition

Quellen zur Geschichte der Juden im Hessischen Staatsarchiv Marburg / Nachträge von Uta Löwenstein (ungedruckt), Nr. NL 562.

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Einbruch in die Synagoge zu Barchfeld“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/14608_einbruch-in-die-synagoge-zu-barchfeld> (aufgerufen am 27.11.2025)

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