[Unbekanntes Fenster]
Enthaltene Scheiben
Katalogdaten
Katalog Seite(n)
S. 144–147
Untertitel
Reste eines Vita Christi Zyklus. Mittelrhein (Mainz?), um 1250/60. Drei Rechteckscheiben. Erworben um 1880/90.
Standort heute
Frankfurt, Historisches Museum
Bibliographie
Wolff, Kaiserdom, 1892, S. 99f. (ursprünglich nicht zum Dom gehörig, später geschenkt und im südlichen Chorschlußfenster eingebaut); Oidtmann, 1898, S. 238 (Erwähnung der drei Scheiben neben den Resten der Ornamentverglasung aus dem Frankfurter Dom); Schmitz, 1913, I, S. 12, Abb. 18 (charakteristische Werke des rheinisch-westfälischen spätromanischen Stils); Fischer, 1914, S. 70 f., Taf. 12 (weist auf die Langpaßform und die Zusammenhänge mit Naumburg hin); Guido Schoenberger, Der Frankfurter Dom St. Bartholomäus I, Koblenz 1929, S. 14 (lokalisiert die Glasgemälde in die Fenster des um 1250/70 entstandenen Langhauses); Rosy Schilling, Zwei Fragmente spätromanischer Malerei im Historischen Museum, in: Schriften des Historischen Museums 4, Frankfurt/Main 1928, S. 48-52, Abb. 3-5 (stilistische Einordnung in die Kunstsphäre des Aschaffenburger Evangeliars und Vermutung einer Herkunft aus dem Langhaus des Frankfurter Doms); Heinz Merten, in: Kat. Ausst. Darmstadt 1935, Nr. 11, Taf. 6f. (Zuschreibung an den Meister des Aschaffenburger Evangeliars); Adolf Feulner, Der Frankfurter Adler, Frankfurt/Main 1935, S. 39f. (vermutet eine Herkunft aus dem Frankfurter Dom, von wo er auch die verwandten Darmstädter Stücke herleitet); Swarzenski, 1936, I, S. 28, Taf. 3 (betont die Verwandtschaft mit dem Aschaffenburger Evangeliar und bezeichnet die Scheiben als die vielleicht schönsten und bedeutendsten deutschen Glasmalereien des 13. Jh.); Wentzel, 1949, S. 58 (Erwähnung im Rahmen der Zackenstilwerke zwischen Straßburg und Naumburg); Wentzel, Meisterwerke 21954, S. 31, 90, Abb. 84 (die Ähnlichkeiten mit Straßburg und Naumburg führen zur Annahme einer Ausführung durch Angehörige der gleichen, wahrscheinlich vom Mittelrhein ausgehenden Werkstatt); Kat. Ausst. Kirchliche Kunst in Frankfurt am Main, Frankfurt/Main 1954, S. 7, Nr. 60 (drei Medaillonscheiben, möglicherweise aus dem ersten Langhaus der Bartholomäuskirche); Beeh-Lustenberger, 1965, S. 14-25 (erwägt die Möglichkeit, daß die Scheiben in den Fenstern des frühgotischen Langhauses saßen, von wo sie Ende des 18. Jh. in Privatbesitz übergegangen und schließlich wieder an den Dom geschenkt worden seien; weitere Literatur); Becksmann, in: Kat. Ausst. Stuttgart I, 1977, Nr. 402 (vermutlich Reste eines Bibelfensters ungeklärter Herkunft, frühestes Beispiel für den mittelrheinischen Zackenstil); Grodecki, 1977, S. 251-253, 267, Abb. 210 (eines der bezeichnendsten Werke des mittelrheinischen Zackenstils; vermutlich Reste eines Wurzel-Jesse-Fensters nicht restlos geklärter Herkunft); Karl Heinrich Rexroth, in: Kat. Ausst. Frankfurt/Main 1989, Nr. 51-53 (Datierung Mitte des 13. Jh., Herkunft aus dem Frankfurter Domchor); Becksmann, 1995, S. 64f., Nr. 14 (wie Kat. Ausst. Stuttgart, 1977); Hess, Zackenstil, 1998, S. 63-69, Nr. 14 (Würdigung im Rahmen der engverwandten Werke des mittelrheinischen Zackenstils und Überlegungen zu einer Herkunft aus dem Mainzer Franziskanerkloster).
Zur Frage des ursprünglichen Standorts
Die drei Felder finden weder in der Beschreibung der Glasgemälde von Domkustos Johann Georg Battonn (1740-1827) in seinem posthum erschienenen Werk über den Kaiserdom 1869 noch bei dem an Glasmalerei rege interessierten Frankfurter Kunsthistoriker Hüsgen in dessen Nachrichten von Frankfurter Künstlern von 1780 Erwähnung. Folglich ist der Nachricht Wolffs von 1892, daß die Scheiben erst später in den Dom geschenkt worden sind, doch mehr Gewicht beizumessen, als bisher. Auf Grund ihrer Abmessungen können die Scheiben nicht, wie immer wieder vermutet, in den zweibahnigen, siebenzeiligen Langhausfenstern gesessen haben, da deren Feldmaße nach der Aufnahme Denzingers (s. Fig. 10) lediglich rund 70 x 50-55 cm betrugen. Ohnedies kommt auf Grund der Ikonographie als ursprünglicher Standort nur einer der zentralen Fensterplätze im Chor in Frage. Folglich können die Scheiben mit der Baugeschichte des Frankfurter Doms – Erneuerung des romanischen Chores ab 1315 und Neuverglasung um 1330/35 – nicht in Einklang gebracht werden; sie befanden sich dort nur für wenige Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts im südlichen Chorfenster. Deshalb lassen sich am Bestand auch keinerlei Spuren von späteren Reparaturen oder Ergänzungen auffinden, wie sie an den nachweislich aus dem Dom stammenden Verglasungsresten des 14. Jahrhunderts zu beobachten sind. Unter Berücksichtigung der stilistischen Verbindungen zu den Miniaturen der unten erwähnten beiden mainzischen Handschriften und den Chorfenstern der Oberkirche von Assisi sowie der engen Verbindungen über die Person des damals regierenden Mainzer Erzbischofs Gerhard I., der selber Franziskaner war, spricht einiges für eine Herkunft der drei Scheiben aus dem Chor der 1253 begonnenen Mainzer Franziskanerkirche
[Erhaltung] Alle drei Glasgemälde haben ihr mittelalterliches Bleinetz weitgehend bewahrt und zeigen mit Ausnahme weniger Einzelstücke lediglich in den seitlich leicht beschnittenen Bordüren umfänglichere Ergänzungen. Das Bleinetz wurde nachgelötet sowie innen und außen mit je zwei Messingstangen verstärkt; einzelne Sprünge sind mit einem außenseitig aufgeklebten Doublierglas gesichert; der Leim zeigt noch keine Vergilbung. Mit Ausnahme der stark korrodierten und verbräunten Inkarnatgläser sind nur die roten Gläser stärker verwittert, während die übrigen vielfach nur leichten Lochfraß zeigen. Bis auf wenige Ausbrüche und eine partiell leichte Bereibung ist die Bemalung exzellent erhalten; Retuschen finden sich einzig in den schollenartigen Ausbrüchen im Inkarnat von Maria und Joseph in der Geburt sowie einzelnen Strichen im Christuskopf der Geißelung. Die ergänzten Partien zeigen keinerlei Verbindungen zur ehemaligen Chorverglasung des Frankfurter Domes (s. S. 98f.): Weder lassen sich Spuren der dort nachweisbaren Verbleiungen vom frühen 19. Jahrhundert bis gegen 1873, noch die dort verwendeten Ton- und Kathedralgläser nachweisen, auch zeigen die im 19. Jahrhundert auf den Ergänzungen aufgebrachten Überzüge in beiden Beständen durchwegs einen anderen Duktus und eine andere Erhaltung.
[Rekonstruktion, ikonographisches Programm, Komposition] Die Forschung hat bereits mehrfach vermutet, daß es sich bei den drei Glasgemälden um die Reste eines Bibelfensters handelt. Auch wenn es hierfür letztlich keine Beweise gibt, da die zugehörigen alttestamentlichen Felder verloren sind, liegt dies im Hinblick auf die zeitgenössische Popularität dieses Fenstertyps nahe. So können für die fehlenden Propheten im neutestamentlichen Strang auch die typologischen Bibelfenster von Wimpfen, Oppenheim und Stetten angeführt werden
[Farbigkeit, Technik] Die Farbgebung wird im wesentlichen bestimmt von dem im Grund dominierenden rot/blauen Farbklang und die weiß/gelbe Rahmung. Innerhalb der Medaillons ist die Farbgebung sehr differenziert: In der Geburt erscheinen neben zwei unterschiedlich intensiven Gelbtönen auch ein kühles Blau sowie in Ochs und Esel zwei deutlich abgesetzte Rotüberfänge, welche in den Inkarnaten der Grabwächter der Auferstehung erneut begegnen. In der Geißelung erscheint Grün in drei verschiedenen Abstufungen, während in der Auferstehung die Blautöne eine ähnliche Differenzierung aufweisen. Aus dem Nebeneinander von wuchtig hingemalten breiten Hauptlinien und kristallinen, aus den Schattenpartien sich ausfächernden, nadeldünn zugespitzten Strichen entsteht jene sichere, holzschnitthaft zwischen Licht und Schatten unterscheidende expressive Zeichnung, welche auch für die übrigen Werke des mittelrheinischen Zackenstils charakteristisch ist. In leichter Versetzung ist diese Zeichnung auf der Außenseite wiederholt und verstärkt dadurch die räumlich körperhafte Wirkung (Fig. 87-90).
[Stil, Datierung] Die Forschung hat bereits mehrfach und überzeugend auf eine Reihe von Buch-, Tafel- und Glasgemälden aufmerksam gemacht, die im engsten Umfeld der drei Frankfurter Scheiben, wahrscheinlich innerhalb eines größeren Werkstattverbunds, in Mainz entstanden sind. Alle diese Werke prägen eine neue, westliche Anregungen assimilierende Variante jenes auf byzantinische Anregungen zurückgehenden Zackenstils aus, der am Mittelrhein im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts zu einer eigenen regionalen Formensprache avancierte
Nachweise
Drucknachweis
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet / Daniel Hess (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 2), Berlin 1999
Nachnutzung
Rechtehinweise
Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„[Unbekanntes Fenster]“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-objekte/207-4-01_unbekanntes-fenster> (aufgerufen am 25.11.2025)
Kurzform der URL für Druckwerke
https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/207-4-01


