Ehemals Frankfurt · Schlachthaus

Frankfurt, ehem. Schlachthaus, Metzgerstube. Aquarell von Karl Theodor Reiffenstein, um 1860
Enthaltene Fenster
Katalogdaten
Gegenwärtiger Bestand
Sämtliche 1863 und 1880 noch an ihrem ursprünglichen Standort nachgewiesenen alten Glasgemälde gelangten nach Abbruch des Schlachthauses in die Sammlung des Historischen Museums. Neben drei Wappenscheiben des ausgehenden 14. Jahrhunderts (Fig. 84-86, Abb. 93f.), von denen eine im letzten Krieg verloren gegangen ist, gehört hierzu auch die 1579 datierte, hier nicht weiter berücksichtigte Rundscheibe mit Jakob bei den Schafen (Beeh-Lustenberger, 1965, Nr. 67).
[Geschichte des Baues und seiner Verglasung] Das 1302 erstmals erwähnte, möglicherweise in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erweiterte Gebäude wurde 1530 grundlegend umgebaut, die im Rahmen eines Umbaus im 14. Jahrhundert entstandene Wappenserie jedoch als Dokument der bis ins frühe Mittelalter zurückreichenden Tradition der Zunft in die neuen Fenster übertragen1. Die Glasgemälde waren bis dahin nicht nur regelmäßig gereinigt und ausgebessert, sondern auch immer wieder durch neue Stiftungen vermehrt worden. So berichten die ältesten Quellen von einer Erneuerung der Ausstattung im Jahre 1478, 1514 ferner von der Stiftung eines Fensters mit zwei Wappen2. Bei der Belagerung Frankfurts im Jahre 1552 wurde die Inneneinrichtung der Metzgerstube durch einzelne Treffer zerstört; einige Glasgemälde dürften dabei untergegangen und später durch Stiftungen wie jene Rundscheibe von 1579 ersetzt worden sein3. Weitere Veränderungen erfolgten offenbar erst 1819, nachdem der in wesentlichen Teilen aus Holz bestehende Bau des 16. Jahrhunderts einzustürzen drohte, der Unterbau und das erste Stockwerk in Stein aufgeführt wurden. Die Meisterstube (Fig. 83), in der sich nach der Beschreibung Karl Theodor Reiffensteins bis zu diesem Zeitpunkt die Glasgemälde befunden hatten, wurde auf ihrer Nordseite umgestaltet, bewahrte auf der Südseite jedoch die Fenstergruppe von 15304. Ob die Glasgemälde bereits 1819, als man alle Fenster der Meisterstube mit klassizistischen Holzrahmen unterteilte, oder erst kurz vor dem Abbruch des Schlachthauses ausgebaut worden waren, ist nicht eindeutig überliefert5. Jedenfalls gelangten die einzigen Reste der ehemaligen Verglasung nach dem im Sommer 1893 erfolgten Abbruch des Schlachthauses als Leihgabe der Metzger-Innung an das Historische Museum.
[Erhaltung] Graublaue, durch rückseitig aufgeklebte blaue Gläser abgedunkelte Umrandung und Verbleiung von Gottfried Frenzel, Nürnberg, 1962/63 erneuert; gesprungene Gläser außen doubliert. Damals wurden auch die alten Umrandungen entfernt, die beim Hirschwappen aus Blankglas, beim Ochsen jedoch aus unterschiedlichsten mittelalterlichen und nachmittelalterlichen Flickstücken bestanden.
[Rekonstruktion, ikonographisches Programm] Der möglicherweise im Rahmen von Umbauten Ende des 14. Jahrhunderts entstandene Scheibenzyklus umfaßte neben den beiden erhaltenen Rundscheiben sicherlich nicht nur jene dritte, im Krieg untergegangene Scheibe mit dem Frankfurter Adler (Fig. 84), sondern auch noch weitere Wappen, die ursprünglich die Fenster der Meisterstube zierten. Neben dem Ochsen, dem wichtigsten Wappentier der Metzger, und dem Hirschen sind auch Darstellungen eines Schweins und Lamms zu vermuten, welche neben Werkzeugen wie Schlachterbeil und den Wappen einzelner Zunftmitglieder in verschiedenen Stiftungen immer wieder begegnen6.
[Stil, Datierung] Da weder die ungeklärte Baugeschichte des Schlachthauses im 14. Jahrhundert noch die Wappentiere eine genauere Datierung der Rundscheiben ermöglichen, geben allein die Ornamentformen einen Anhaltspunkt. Das Rahmensystem eines sechsstrahligen, auf einem Kreis aufliegenden Medaillons mit Kreuzblumen besetzten Spitzen und konkav eingeschwungenen Seiten sowie die Kreise und Quadrate ausbildende verschlungene Bordüre des Adlerwappens begegnen in der monumentalen Glasmalerei besonders im zweiten Drittel des 14. Jahrhunderts. An hessischen Beispielen seien etwa die Friedberger Chorfenster sowie die Ornamentscheiben in Hersfeld und Nordshausen erwähnt7. Gleiches gilt für die aus der Rahmung herauswachsenden, zum Teil verwirbelten Eichenblätter, den scharierten Grund sowie die von einem Rahmenspiegel umgebenen Blattranken in den Wappenschilden. Die Scheiben dürften folglich nicht erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts, sondern wohl schon um 1350 entstanden sein.
[Vorbemerkung zum Katalog] Die beiden Rundscheiben wurden im Herbst 1996 untersucht und photographiert.
Bibliographie
Lotz, 1880, S. 163 (erwähnt drei gotische Wappenscheiben mit Adler, Ochs und Hirsch in den Fenstern der Meisterstube des Schlachthauses); Wolff/Jung, 1898, S. 284f., 291-293 (geben die am 28. Juni 1863 verfaßte, unveröffentlichte Beschreibung des Schlachthauses und seiner Ausstattung von Karl Theodor Reiffenstein im Wortlaut wieder, der die Glasgemälde Ende 13./Anfang 14. Jh. datierte); Ossip D. Potthoff, Illustrierte Geschichte des deutschen Fleischer Handwerks vom 12. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Berlin 1927, S. 118f. (Abbildung aller drei aus dem Schlachthaus stammenden Rundscheiben vor ihrer Restaurierung; Datierung in das 15. Jh.); Adolf Feulner, Der Frankfurter Adler, Frankfurt a. M. 1935, S. 41f., Nr. 9 (Behandlung des verlorenen Adlerwappens, das als frühestes Beispiel für die weiß/rote Tingierung des Frankfurter Stadtwappens erwähnt und um 1400 datiert wird); Franz Lerner, Geschichte des Frankfurter Metzger-Handwerks, Frankfurt a. M. 1959, Abb. auf S. 117, 120, 141; Beeh-Lustenberger, 1965, S. 58-62, Nr. 31f. (grundlegende Bearbeitung der Scheiben, die Ende 14. Jh. datiert werden); Kurt Nagel/Benno P. Schlipf, Das Fleischerhandwerk in der bildenden Kunst. Kunstgeschichte des Fleischerhandwerks, Heidenheim o.J. (1982), S. 46, mit Abb. (Erwähnung des Ochsen unter den Metzger-Symbolen); Daniel Hess, Der Weg in die Stube. Zur Entwicklung und Verbreitung der Kabinettscheibe, in: Kat. Ausst. Ulm 1995, S. 43 (seltenes frühes Beispiel eines profanen Kabinettscheiben-Zyklus).
Nachweise
Fußnoten
- Die Baugeschichte des 14. Jh. ist widersprüchlich, da Wolff/Jung, 1898, S. 284, alle von Karl Theodor Reiffenstein für einen Umbau nach 1349 ins Feld geführten Argumente nicht erhärten konnten. ↑
- Vgl. Lerner (s. Bibl.), 1959, S. 118; Beeh-Lustenberger, 1965, S. 60. ↑
- Nach der Chronik des Stadtadvokaten Dr. Hieronymus zum Lamb wurden in der Metzgerstube am 1. August 1552 »die tisch und bänk alles verschmettert«; vgl. Lerner (s. Bibl.), 1959, S. 153. ↑
- Die lichten Maße der acht Fensterlanzetten betrugen etwas mehr als 50 cm (s. Wolff/Jung, 1898, Fig. 307-309) und boten damit ausreichend Platz für die alten Rundscheiben. ↑
- Reiffenstein berichtet einerseits, daß 1819 zusammen mit der alten Butzenverglasung auch die Glasgemälde entfernt worden seien, überliefert andererseits, daß die wenigen Reste wieder in die neuen Fenster eingesetzt worden sind (vgl. Wolff/Jung, 1898, S. 285). Sein Aquarell der Meisterstube von 1863 zeigt auf der Mainseite keine Glasmalereien, ebenso wenig wie die Bauaufrisse der Nord- und Südseite von 1893; vgl. Lerner (s. Bibl.), 1959, Abb. auf S. 47, 96, 99. ↑
- Vgl. etwa die Scheibe der St. Galler Metzgerzunft von 1564 im Schweizerischen Landesmuseum, Zürich (Schneider, 1970, Nr. 313). ↑
- Zu Hersfeld und Nordshausen vgl. Schäfer/Rossteuscher, 1885, Taf. 33, 43. Beeh-Lustenberger, 1965, S. 60, machte in diesem Zusammenhang auch auf Siegel der zweiten Hälfte des 14. Jh. aufmerksam. ↑
Drucknachweis
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet / Daniel Hess (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 2), Berlin 1999
Nachnutzung
Rechtehinweise
Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Ehemals Frankfurt · Schlachthaus“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-objekte/207-3_ehemals-frankfurt-schlachthaus> (aufgerufen am 27.11.2025)
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