Rundscheibe mit Wappen Philipps des Großmütigen (Kassel, Hessisches Landesmuseum)

 
Datierung
2. Drittel 16. Jahrhundert
AEC416D7-3050-4A60-B27E-A826B70B90DD

Katalog

Von Daniel Parello

Abmessungen

Nördliches Hessen, 2. Drittel 16. Jahrhundert.
Durchmesser 41,5–42 cm. – Inv. Nr. G 743.
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Das Museum besitzt keinerlei Aufzeichnungen über den Erwerb oder zur Provenienz der Scheibe. Die modernen Flickstücke im Randbereich zeigen jedoch das gleiche spätgotische Maßwerkmuster wie die beiden Kopfscheiben aus Nordshausen (Nr. 1, 2). Da dort für das 15. Jahrhundert eine Neuverglasung im Zusammenhang mit Erweiterungsmaßnahmen nachweisbar ist, kann eine Herkunft der Wappenscheibe von dort nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Allerdings ließ Landgraf Philipp das Kloster bereits 1527 aufheben und dessen Einkünfte fortan der neu gegründeten Universität in Marburg zukommen, sodass man in diesem Fall eine Herrschaftsstiftung für die profanierten Klostergebäude anzunehmen hätte.

Erhaltung

Geringfügige Ergänzungen, ein Flickstück im Randbereich Mehrere Sprungbleie. Der äußere, offenbar zu einem späteren Zeitpunkt angefügte Randstreifen besteht überwiegend aus Flickstücken.

Ikonographie

Die Wappenrundscheibe stammt aus der Regierungszeit Philipps des Großmütigen (1509/18–1567). Den gevierten Schild mit dem hessischen Stammwappen als Herzschild führten die hessischen Landgrafen seit 1479, als die Grafschaft von Katzenelnbogen mit dem Aussterben der männlichen Erbfolge an die Landgrafen von Hessen gelangte. Die falsche Tingierung des Wappens ist wohl dem Grisaillecharakter der Scheibe geschuldet, in der lediglich Silbergelb als Farbton Verwendung fand (die korrekte Bezeichnung folgt daher gemeinsam mit der Blasonierung in Parenthese). Auf dem symmetrischen gevierten Schild mit beidseitiger Lanzenkerbe in 1: in Gold ein roter Löwe, blau bewehrt und blau gekrönt (Katzenelnbogen), in 2: schwarz-gold geteilter Schild, oben ein silberner sechsstrahliger Stern (Ziegenhain), in 3: schwarz-gold geteilter Schild, oben zwei silberne sechsstrahlige Sterne (Nidda), und in 4: in Rot zwei goldene blaubewehrte schreitende Löwen (Diez). Der Herzschild mit dem Stammwappen der Landgrafen von Hessen. Die vegetabil ausgebildete Helmdecke ist nur in den schildnahen Teilen farbig gefasst (schwarz-silbern anstatt rot-silbern), auf dem bekrönten Bügelhelm die aus Büffelhörnern bestehende Helmzier außen besteckt mit je sieben Lindenzweigen. Das Wappen wird von einem breiten Schmuckband aus Renaissancegrotesken umschlossen. Das Motiv zeigt vegetabil ausgeformte Wellenranken, die Blüten und Blattmasken ausbilden.

Technik, Stil, Datierung

Wappen und Ornamentkranz sind in Grisailletechnik unter Verwendung von Silbergelb ausgeführt, das eine warme, goldorangefarbene Tönung besitzt. Allerdings wurden Helmzier und ein Großteil der Helmdecke nur als Liniengerüst angelegt und geben der Scheibe so ein unfertiges Erscheinungsbild. Aus dem Halbtonüberzug sind Lichter mit Pinsel und Federkiel herausradiert; in gleicher Technik wurde der Fond des Kranzes mit Linienkräuseln belebt und der Schild stellenweise damasziert. In der Druckgraphik der Frührenaissance fanden Zierleisten mit ähnlichen Grotesken früh als Rahmenschmuck Verbreitung; Peter Flötner, Heinrich Aldegrever oder Virgil Solis lieferten damals auch für andere Kunstgattungen, insbesondere für das Goldschmiedehandwerk regelrechte Musterkataloge13. Auch der in Hessen vielseitig tätige Künstler Philipp Soldan verarbeitete deren Vorlagen; die von ihm geschnitzte Frankenberger Ratsherrenbank (um 1550) im HLM zu Kassel zeigt in den Kassettenfüllungen ähnliche Ornamente aus Blattmasken14.

Bildnachweis

CVMA JJ 12857

Weitere Angaben

Rundscheibe

Nachweise

Fußnoten

  1. Vgl. etwa ein Musterblatt mit Zierleisten von Peter Flötner von ca. 1544 (G. 865).
  2. Schmidberger/Richter 2001, S. 90f., Nr. 27.

Drucknachweis

Die mittelalterlichen Glasmalereien in Marburg und Nordhessen / Daniel Parello unter Verwendung von Vorarbeiten von Daniel Hess (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 3), Berlin 2008, 279 [= 19. Rundscheibe mit Wappen Philipps des Großmütigen]

Siehe auch

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Personen

Nachnutzung

Rechtehinweise

Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Rundscheibe mit Wappen Philipps des Großmütigen (Kassel, Hessisches Landesmuseum)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/313-1-06-01_rundscheibe-mit-wappen-philipps-des-grossmuetigen-kassel-hessisches-landesmuseum> (aufgerufen am 26.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/313-1-06-01

Rundscheibe mit Wappen Philipps des Großmütigen: ES [= Erhaltungsschema] Nr. 19