Erstürmung der Minneburg (Frankfurt, Historisches Museum)

Erstürmung der Minneburg. Frankfurt, Historisches Museum Nr. 43. Köln, um 1520/30.
Katalog
Von Daniel Hess
Abmessungen
Ursprünglicher Standort unbekannt; bis 1820 in der Sammlung Wilhem Düssel, Köln; dann in der Sammlung Zwierlein, Geisenheim; 1887 an die Kunsthandlung Carl Altmann, Frankfurt/Main, versteigert und dort vom Museum 1899 angekauft.
Erhaltung
Schwarzlot partiell berieben; Außenseite stark korrodiert und flächig mit weißer Kruste überzogen, Silbergelb partiell abgewittert. Originales, gegossenes Blei mit dünnen Schenkeln.
Ikonographie
Im Unterschied zu den meisten, vor allem im 14. Jh. weit verbreiteten Darstellungen erstürmen hier Wilde Leute anstelle höfischer Ritter die Minneburg; auch wehren die Mädchen den Ansturm keineswegs ab, sondern stacheln ihre Freier geradezu an. Die Eroberung der Minneburg ist nicht mehr die letzte Prüfung innerhalb der im Roman de la Rose festgelegten höfischen Minneallegorie, sondern dient nunmehr der Schilderung ausgelassen übermütigen Liebestreibens. Diese karnevaleske Mischung von höfischen Traditionen und Volksbräuchen wie dem Wilde-Leute-Spiel begegnet häufig auch auf spätmittelalterlichen Bildteppichen27. Husband erblickte in dem von der Leiter gestürzten bärtigen Mann eine Ermahnung an die Alten, die Liebeseskapaden der Jugend zu überlassen. Im Zentrum der Scheibe steht das Wappen der Kölner Patrizierfamilie Huppe28.
Komposition
Die Szene ist geschickt über die vier gedrückten Paßfelder verteilt, wobei die Bäume der seitlichen Paßfelder in das obere hineinwachsen und die einzelnen Felder damit ansatzweise zu einer Gesamtkomposition zusammenführen.
Technik, Stil, Datierung
Naß gestupfter brauner Halbton, Lichter radiert; Lippen und Wangen der Figuren sowie Kamm des Wiedehopfs mit rötlichem Lot (Eisenrot). Zur Numerierung der einzelnen Paßfelder und Zwickel sind außen jeweils die Ziffern I, II, III und IIII eingekratzt. Neben der für die kölnische Glasmalerei um 1520/30 typischen Malweise legen die Schildform wie auch der Landschaftshintergrund im rechten Paßfeld mit Gebirge und Bäumen eine Datierung um 1520/30 nahe. Maltechnisch und formal ergeben sich eine Reihe von engen Zusammenhängen mit weiteren kölnischen Kabinettscheiben aus dieser Zeit, für welche Lymant zu Recht dieselbe Werkstatt verantwortlich machte: Es sind dies die Rechteckscheibe eines Liebespaares im Kölner Schnütgen-Museum, die Rundscheibe mit der Muttergottes und dem Hl. Severin in Darmstadt sowie die im letzten Krieg untergegangene Rundscheibe mit dem Hl. Christophorus im Berliner Kunstgewerbemuseum29. Folglich ist auszuschließen, daß die Scheibe auf Grund ihrer altertümlichen Form in späterer Zeit entstanden sein könnte, wie Beeh-Lustenberger zu überlegen gab.
Farbigkeit
Braunes Lot und Silbergelb; Zwickel rot
Bildnachweis
CVMA A 11528, Großdia A 552
Weitere Angaben
Rundscheibe
✓
Nachweise
Fußnoten
- Vgl. Rapp-Buri/Stucky-Schürer, 1990, Nr. 86f., und Husband, 1980, S. 76. ↑
- Als mögliche Stifter führt Beeh-Lustenberger, 1965, S. 132, Everard oder Johann den Jüngeren an; letzterer war ab 1529 Bürgermeister und wohnte im Hof zum Judden bei St. Pantaleon. ↑
- Vgl. Lymant, 1982, Nr. 116, Beeh-Lustenberger, 1976 bzw. 1973, Nr. 271, Abb. 177, sowie Schmitz, 1913, II, Taf. 23, Abb. 90. ↑
Drucknachweis
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet / Daniel Hess (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 2), Berlin 1999, 162 f. [= 43. Erstürmung der Minneburg]
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Rechtehinweise
Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Erstürmung der Minneburg (Frankfurt, Historisches Museum)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/207-4-14-01_erstuermung-der-minneburg-frankfurt-historisches-museum> (aufgerufen am 26.11.2025)
Kurzform der URL für Druckwerke
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