Vierpass mit Wilden Leuten (Frankfurt, Historisches Museum)

Vierpaßscheibe mit Wilden Leuten (Nr. 31). Rheingau(?), um 1460/70.
Katalog
Von Daniel Hess
Abmessungen
Durchmesser 34,5 cm. Inv. Nr. X 19607. Beeh-Lustenberger, Nr. 37. Derzeit deponiert.
Ursprünglicher Standort nicht gesichert, »wahrscheinlich aus der näheren Umgebung« von Geisenheim (Kat. Aukt. Zwierlein, 1887, S. X)10, auf Grund des Wappens wohl aus Assmannshausen. Seit ungefähr 1820 in der Sammlung Zwierlein, Geisenheim; 1887 versteigert an die Kunsthandlung Carl Altmann, Frankfurt/Main, dort 1899 vom Museum angekauft.
Erhaltung
Lochfraß auf der Innenseite des unteren Paßfeldes und auf einem Stück im roten Wappen; Bemalung partiell leicht berieben. In den Bordüren drei mittelalterliche Flickstücke. Gläser mit Sprüngen bis auf wenige Ausnahmen außen doubliert, ferner im linken Paß eine Fehlstelle ergänzt. Im Wappen altes, repariertes Blei; übrige Verbleiung 1962/63 erneuert.
Ikonographie
Die Scheibe zeigt zwei jugendliche Liebespaare, begleitet von Wilden Männern, die in diesem Kontext einerseits wohl Freiheit und Ungebundenheit, im Motiv des Hasen aber auch Fruchtbarkeit und Zügellosigkeit verkörpern. Auf Grund des zentralen Wappenschilds der Rheingauer Gemeinde Assmannshausen befand sich die Scheibe ursprünglich dort wohl in einem Amtsgebäude. Dem gegen Ende der 1430er Jahre entstandenen, mit höfischen Szenen bereicherten Wappenzyklus aus dem Rathaus zu Brünn vergleichbar11, läßt sie sich inhaltlich keinem bestimmten moralisch-didaktischen Programm eingliedern; es dürfte sich vielmehr um eine humorvolle Ausdeutung des mittelalterlichen Ortsnamens »Hasemanneshusen« handeln.
Komposition, Farbigkeit
Die vier Paßfelder, welche oben und unten Liegefiguren, in den Seitenpässen hingegen stehende Figuren zeigen, sind in Grisaille mit Silbergelb ausgeführt und umgeben das zentrale Wappen mit silbernem Astkreuz und Rad auf rotem Rankengrund. Eckzwickel rosaviolett, weißlich gelbe Bordüre.
Technik, Stil, Datierung
Über dem flächigen Halbton liegen wäßrige Schraffurlagen und kräftige Kontur- und Binnenlinien; die Lichter sind mit Borstenpinsel ausgewischt, Schattenpartien außen mit dünnem Braunlot vertieft. Da sich die engsten Vergleichsbeispiele für die Zeichnung der Köpfe und Gewänder – darunter auch das Mäntelchen mit breiten Zaddeln – in Werken wie den Stichen der Meister der Spielkarten und Liebesgärten finden, kann die Scheibe kaum später als 1460/70 datiert werden12. Hierfür sprechen auch die noch relativ weiche Faltenanlage des Frauengewands sowie die Modellierung mittels relativ groben Parallel- und Kreuzschraffuren.
Bildnachweis
CVMA A 11518, Großdia A 247
Weitere Angaben
Rundscheibe
✓
Nachweise
Fußnoten
- Das Postulat eines Ankaufs durch den Sammler Zwierlein in Lorch läßt sich nicht erhärten (s. hierzu Anhang S. 341). ↑
- Zu dem heute in der Mährischen Galerie Brünn verwahrten Zyklus vgl. František Matouš, Mittelalterliche Glasmalerei in der Tschechoslowakei (CVMA Tschechoslowakei), Wien/Köln/Graz 1975, S. 21-25. ↑
- Die bei Beeh-Lustenberger, 1965, S. 79f., angeführten späteren Vergleichsbeispiele zeigen in Figurenstil und Gewandmodellierung andere Merkmale. Zu den erwähnten Stichen vgl. Lehrs, 1908-1934, bes. Taf. 6 sowie Taf. 39, Abb. 101. ↑
Drucknachweis
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet / Daniel Hess (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 2), Berlin 1999, 152 f. [= 31. Vierpass mit Wilden Leuten]
Nachnutzung
Rechtehinweise
Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Vierpass mit Wilden Leuten (Frankfurt, Historisches Museum)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/207-4-03-01_vierpass-mit-wilden-leuten-frankfurt-historisches-museum> (aufgerufen am 26.11.2025)
Kurzform der URL für Druckwerke
https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/207-4-03-01
![Vierpass mit Wilden Leuten: ES [= Erhaltungsschema] Nr. 31 Vierpass mit Wilden Leuten: ES [= Erhaltungsschema] Nr. 31](https://www.lagis-hessen.de/img/cvmahessen/s1/207-4-03-01_40.jpg)