Ehemals Frankfurt · Dom St. Bartholomäus
![Frankfurt, Dom St. Bartholomäus. Grundriß. Maßstab 1:300 [hier nicht maßstabsgerecht]](https://www.lagis-hessen.de/img/cvmahessen/s3/207-1_10.jpg)
Frankfurt, Dom St. Bartholomäus. Grundriß. Maßstab 1:300 [hier nicht maßstabsgerecht]
Enthaltene Fenster
Katalogdaten
Gegenwärtiger Bestand
Von der ehemaligen Chorverglasung des Bartholomäusdoms sind im Historischen Museum Frankfurt insgesamt 23 Scheiben erhalten: drei Rechteck- und sechs Kopfscheiben, vier Maßwerkteile und zehn Fragmente (Fig. 15-25, Abb. 24-37, 39f., Farbtaf. IIIf.). Bis auf zwei Architekturbekrönungen handelt es sich dabei um Ornamentscheiben. Aus der Zeit um 1500 befindet sich dort ferner ein Reichsadlerwappen aus der Rose über dem Nordportal (Abb. 38).
[Geschichte des Baues] Im Widerspruch zu der neuerdings geäußerten Behauptung, daß es sich bei dem jüngst teilweise ergrabenen langgestreckten Vorgängerchor mit eingezogener, hufeisenförmiger Apsis um jenen lange gesuchten, 1239 geweihten staufischen Chorneubau handelt, gibt es weiterhin keine Anhaltspunkte für einen Chorbau in dieser Zeit1. Vielmehr ist weiterhin davon auszugehen, daß sich die Weihe von 1239 lediglich auf eine Wiederherstellung der in romanischer Zeit durch einen größeren Chor erweiterten karolingischen Vorgängerbauten bezieht. Ein eigentlicher Neubau setzte erst gegen 1250 mit der Errichtung des Hallenlanghauses ein, dessen Aufführung parallel zu den Hallen in Marburg, Haina und der Frankfurter Dominikanerkirche erfolgte. Den Anstoß zur nächsten, weit größeren Bauetappe gab wohl die Erhebung der Pfarrkirche zur Wahlkirche der deutschen Könige durch Ludwig den Bayern. 1315 wurden die alten Ostteile abgebrochen und noch in demselben Jahr der Bau eines neuen Chores begonnen. Dieser war 1338 bereits vollendet und konnte im August geweiht werden (Fig. 8, 10). Bereits zwei Jahre später fiel das Chordach dem sogenannten Judenbrand von 1340 zum Opfer und mußte erneuert werden. Von 1346 bis 1353 bzw. 1369 folgte schließlich die Errichtung des Querhauses (Fig. 9f., 12). Als Gegengewicht zum wuchtigen Westbau und wohl als Antwort auf die Türme in Straßburg und Ulm wurde 1415 der Grundstein zum West- oder Pfarrturm gelegt, dessen schleppender Weiterbau sich über das gesamte Jahrhundert hinzog und mit Einstellung der Arbeiten nach 1513 endete. Um 1430 wurde überdies die ursprünglich als Bibliothek für die liturgischen Bücher geplante Wahlkapelle errichtet, die seit 1438 zur Wahl des römischen Königs, dann Kaisers, diente, nachdem die Goldene Bulle 1356 als Wahlort die Bartholomäuskirche festgehalten hatte. Die letzte Baumaßnahme bis zur Einstellung der Arbeiten vor der Reformation erfolgte 1487, als man die Wolfgangskapelle am Südseitenschiff durch die Scheidkapelle erweiterte.
Die zwischenzeitlich den Protestanten überlassene Kirche diente bis 1792 weiterhin als Krönungskirche, wurde in ihrem Innern jedoch zusehends barockisiert. Nachdem 1663 der Hochaltar, der 1382 durch den in Oppenheim tätigen Johann von Bamberg für 808 Gulden gemalte Tafeln erhalten hatte, abgebrochen und wohl damals bereits die mittelalterliche Chorverglasung bis auf wenige Reste entfernt worden war, wurde der Dom zu Beginn des 18. Jahrhunderts grundlegend umgestaltet. Dazu wurde 1711 unter anderem der Lettner entfernt, die neue Blankverglasung des Chores mit Kanonikerwappen geschmückt und der Bartholomäusfries im Chor übertüncht. Nach den bei Wolff für die Jahre 1763 und 1828 genannten Reinigungsarbeiten konnte die längst fällig gewordene umfassende Restaurierung erst 1854/56 und nur mit finanzieller Unterstützung des Königs durchgeführt werden. Umso größer war der Schock, als der Dom in der Nacht vom 14. zum 15. August 1867 in Flammen aufging und schwer beschädigt wurde.
Der mit großem Engagement betriebene Wiederaufbau setzte noch in demselben Jahr mit der Gründung des Dombauvereins ein. Zur Planung zog man die damals führenden Fachleute, die Dombaumeister von Wien, Köln und Regensburg, zu Rate. Nach deren Vorschlag vom März 1868 wurde das mittelalterliche Langhaus auf die Höhe des Querhauses und Chors hochgeführt, um die ursprüngliche, »unwahre, den Principien des gothischen Styles« nicht entsprechende Lösung zeitgemäß zu korrigieren. Die kleinen zweibahnigen, sechszeiligen Fenster wurden dabei erneuert und auf die heutigen Maße erweitert (Fig. 10f.). Für die Durchführung sämtlicher Arbeiten war der 1869 mit dem Amt des Dombaumeisters betraute frühere Regensburger Dombaumeister Franz Joseph Denzinger verantwortlich, dessen weitreichende Korrektur und Vollendung des Baubestands zu einer heftigen Kontroverse mit dem damaligen Stadtpfarrer Ernst Franz August Münzenberger führten. Dieser ließ den historistisch ausgemalten Dom mit gotischen Altären ausstatten, die er aus ganz Deutschland zusammengetragen hatte. Bis auf wenige Reste wurde die gesamte Ausstattung des 19. Jahrhunderts nach den schweren Kriegszerstörungen von 1944 purifizierend entfernt. Die Innenrenovierung von 1991/94 versuchte dagegen die gotische Farbfassung wiederherzustellen.
[Geschichte der Verglasung] Weder Battonn noch Hüsgen überliefern Glasgemälde, die früher als die zwischen 1330 und 1350 entstandene, offenbar von Frankfurter Familien gestiftete Chor- und Querhausverglasung zu datieren sind. Die nurmehr in den städtischen Büchern zum Bartholomäusstift verfügbare archivalische Überlieferung setzt erst 1405 mit der jährlichen Pflege und Wartung der Verglasung ein. Bis 1410 führt diese Arbeiten Glaser Hans, von 1411 bis 1413 gegen Jahreslohn Heinrich Slissela (Schlesier?) und ab 1414 schließlich Fritz der Glaser aus. Neben den jährlich durchgeführten, nicht näher erläuterten Reparaturen und dem Befahren der Fenster mit dem Glaserstuhl, dessen Seile etwa alle zwanzig Jahre erneuert werden, fallen immer wieder auch Arbeiten an, die aus diesem allgemeinen Rahmen fallen: Besonders erwähnt sei hier lediglich die Reparatur der Sturm- und Hagelschäden an den Chorfenstern in den Jahren 1422/24 (s. Reg. Nr. 9). Zwischenzeitlich wird der Glaser auch für andere Arbeiten hinzugezogen, wie etwa 1438 für die Reinigung der Gewölbe, als der Dom für die Krönung Albrechts II. hergerichtet werden sollte. Die Pflegearbeiten umfassen das Kehren und Ausbessern der Verglasung sowie die Erneuerung einzelner Windeisen. Ab 1467 nennen die Rechnungen den Glaser Thomas (= Hans Thomas I.), der um 1475 verstorben ist; ihm folgt sein Sohn Hans Thomas II., der in den Quellen Glaser Hans oder Henne Thomas genannt wird. Dieser verglast unter anderem von 1475 bis 1477 den Pfarrturm, führt daneben aber auch die regelmäßig anfallenden Reparaturen aus. Hierbei wird jeweils unterschieden zwischen Reparaturen, die in eingebautem Zustand möglich sind und solchen, die einen Ausbau der Scheiben bedingen (s. Reg. Nr. 13). 1508 erscheint dann der Frankfurter Glaser Hans von Boppard, der in diesem Jahr vier Gulden für Arbeiten im Kreuzgang bekommt (s. Reg. Nr. 14). Die zusehends dünner werdende Überlieferung nennt erst 1556 den nächsten Glaser, Meister Engelbarth, als dieser für 80 Gulden die offenbar durch Unwetter beschädigten Chorfenster repariert. 1574/79 werden die Fenster vergittert, und 1606 ziehen wiederum Sturmschäden Reparaturen in Höhe von 76 Gulden nach sich. Regelmäßige Maßnahmen zeitigt erst wieder das 17. Jahrhundert: 1624 werden 104 Gulden, 1627 89 Gulden und 1629 58 Gulden zur Reparatur der Verglasung ausgegeben. 1727 und 1728 folgen Summen in Höhe von 150 und 88 Gulden, dann etwa 30 Gulden jährlich. Die Zahlungen von 305, 488, 38 und 39 Gulden zwischen 1738 und 1745 gehen an die Witwe des Glasers Lutz, bis 1749 ein zweiter Glaser gleichen Namens tätig wird. Dessen Witwe erhält 1756/57 wiederum größere Beträge, bis Glasermeister Nestle das Geschäft des Domglasers übernimmt. Nach 1780 bricht die Überlieferung ab.
Die von 1624 bis 1629 und 1727/28 und 1738 bis 1745 deutlich in die Höhe schnellenden Beträge für leider nicht genauer bezeichnete Reparaturarbeiten zeigen umfänglichere Maßnahmen an, die sich nur auf den Ersatz der mittelalterlichen Verglasung durch Blankglas beziehen können. Wie Battonn berichtet, waren in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sowohl der Chor und das Langhaus als offenbar auch die Westfenster des Querhauses bereits blankverglast. Es liegt daher nahe, daß diese Maßnahmen um 1624/29 sowie im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts erfolgten.
Neben den genannten Reparaturen entstanden seit dem 14. Jahrhundert immer wieder auch neue Glasgemälde, welche von Einzelpersonen gestiftet wurden. Neben der in einem Aquarell überlieferten Stifter- und Wappenscheibe des 1468 verstorbenen Arnt von Holzhausen am Fuß des Querhausfensters nord X (Fig. 13f.) lieferte Peter Hemmel 1475/76 ein von Jakob von Schwanau gestiftetes Fenster, das sich nicht mehr lokalisieren läßt (s. Reg. Nr. 12). Beinahe ein Jahrhundert später folgte schließlich das von Hüsgen hochgelobte Dreifaltigkeitsfenster in der Wahlkapelle, das auf Grund der Nennung von Karl Borromäus und dem Vergleich mit der Verglasung der St. Johanneskirche in Gouda in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts datiert werden muß. Gestiftet wurde es von zwei eppsteinischen Geistlichen. Größere Eingriffe nach den Maßnahmen des 17. und 18. Jahrhunderts erfolgten erst wieder im Anschluß an den verheerenden Dombrand von 1867; die Renovierungen von 1827 und 1855/56 hatten die Verglasung offenbar nur am Rande tangiert. Zunächst schlugen die Dombaumeister in ihrem Gutachten von 1868 vor, die Chorverglasung nach dem Vorbild der mittelalterlichen Reste zu verglasen (s. Reg. Nr. 19). Dann aber wuchs der Gedanke, sich nicht mit der Reparatur der wenigen mittelalterlichen Reste zu begnügen, sondern den Dom umfassend neu zu verglasen. Nach Entwürfen des Spätnazareners Edward von Steinle und des Dombaumeisters Denzinger führten die Glasmaler Nicolas von Roermond und Alexander Linnemann 1877/78 die Verglasung der Chor-, Quer- und Langhausfenster aus; daneben schuf William Francis Dixon 1881 die Verglasung der Maria-Schlaf-Kapelle2. Die letzten erhaltenen Reste der mittelalterlichen Glasmalerei – Teppichmuster und Maßwerke – wurden nach der Überlieferung Wolffs in den drei hochliegenden nördlichen Chorfenstern über der Sakristei (nord IV-VI) wiederverwendet (s. auch Reg. Nr. 20f.). Die beim Auffüllen der dreibahnigen zweieinhalbzeiligen Fenster leergebliebenen Fensterflächen wurden ergänzt und nach diesem Vorbild schließlich das kurze Chorfenster süd VI neu verglast. Andere alte Glasgemälde, so etwa die Reste aus dem Maßwerk des Chorachsenfensters, aber auch die erst im frühen 19. Jahrhundert in den Dom gelangten Rechteckscheiben eines Vita-Christi-Zyklus (Historisches Museum, Nr. 1-3), welche zwischenzeitlich im südlichen Chorfenster Platz gefunden hatten, wurden in das Historische Museum überführt. Trotz dieser Überlieferung und des Planes einer Wiederverwendung der alten Reste verblieben offenbar nur ganz wenige originale Stücke im Bau: Von allen heute im Historischen Museum bewahrten Scheiben und Fragmenten kommt dafür einzig Nr. 10 in Frage. Auf ein neues Maß gebracht und mit Kathedralglas ergänzt, kam dieses Feld erst später zum übrigen Bestand, der bereits um 1880/90 in das Museum überführt worden war. Die im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte Verglasung wurde bei der purifizierenden Neugestaltung des Innenraums zusammen mit der historistischen Ausmalung Edwards von Steinle aufgegeben. Mit Ausnahme der Maria-Schlaf-Kapelle sind ab 1950 sämtliche Fenster nach Entwürfen von Hans Leistikow mit sparsamen Mitteln geometrisch nüchtern verglast worden.
[Erhaltung] Die Farbgläser sind zum Teil korrodiert, die Bemalung ist jedoch bis auf wenige Ausbrüche und partiell leichte Bereibung gut erhalten. Viele Felder zeigen noch ein mittelalterliches Bleinetz und sind im Bestand nahezu komplett erhalten. Neben den zur Reparatur verwendeten Tongläsern lassen sich partiell auch Reste von breiten, flachen Bleien beobachten, welche auf Reparaturen des späten 18. oder frühen 19. Jahrhunderts schließen lassen. Jüngeren Datums sind hingegen die Ergänzungen in Kathedralglas in Feld Nr. 10, welche anläßlich der Reparaturen in den 1870er Jahren eingesetzt wurden. Die letzte Restaurierung erfolgte 1962/63 durch Gottfried Frenzel, Nürnberg, der neben partiellen Ergänzungen teilweise auch einzelne Bleinetze erneuerte und einen Teil der gesprungenen Gläser durch rückseitig aufgeklebte Gläser »sicherte« und überdies sämtliche Stücke neu rahmte.
[Rekonstruktion, ikonographisches Programm] Die seit Gessert, 1839, immer wieder angeführte Nachricht, daß das älteste Glasgemälde im Dom die Jahreszahl 1306 trage, beruht auf der mißverständlichen Überlieferung Hüsgens: Dieser erwähnt in der allgemeinen Einleitung zu den Frankfurter Glasmalern das älteste ihm bekannte Glasgemälde mit dem Datum 1306, das er »bey der Dohm-Kirche«, d.h. im Rahmen seiner Abhandlungen zum Dom erwähnen werde. Der betreffende Passus im Rahmen des Taufchors nennt die Familie Weiß von Limpurg und schiebt ein, daß von dieser Familie der im Alter erblindete Heinrich Weiß »laut einem Originaldocument und einer gemalten Fensterscheibe vom Jahre 1306« 125 Jahre alt geworden sei3. Hüsgen selbst nennt keinen Standort, doch dürfte er damit jene von einem Engel gehaltene Wappenrundscheibe gemeint haben, die auch Battonn überliefert (s. unten). Da der Typus des von einem Engel gehaltenen Wappens in der deutschen Glasmalerei erst seit dem 15. Jahrhundert begegnet, muß es sich dabei um eine spätere Memorialstiftung gehandelt haben.
Die etwa zur gleichen Zeit verfaßte, präziseste Beschreibung der letzten Reste der mittelalterlichen Verglasung des Domes durch den 1837 verstorbenen Dom-Kanonikus Battonn nennt weder ein Glasgemälde von 1306 noch jene drei Scheiben eines Vita-Christi-Zyklus oder die damit in Verbindung gebrachten, ebenfalls versuchsweise in den Dom lokalisierten kleinen Wappen im Hessischen Landesmuseum Darmstadt4. Neben einigen Resten in der Bekrönung des Achsenfensters zeigten nurmehr zwei Fenster über der kleinen Chororgel (Fenster nord V-VI) »noch einige Scheiben von farbigem Glase«. Die übrigen Reste der mittelalterlichen Verglasung, welche »abgestorben« waren und nurmehr wenig Licht durchgelassen hatten, waren Anfang des 18. Jahrhunderts durch Blankglas ersetzt worden und enthielten zu Battonns Zeiten nurmehr Kanonikerwappen aus den Jahren 1711 und 1716. Die sechs großen, vierbahnigen Querhausfenster nord/süd VIII-X wurden hingegen erst zwischen 1782 und 1789 ihres mittelalterlichen Bestands beraubt. Sie zeigten jeweils zwei lebensgroße Heiligenfiguren unter Tabernakeltürmen, die bis zum Couronnement aufragten. Zu ihren Füßen befanden sich Stifterwappen; die verbleibende Fensterfläche war mit Ornamentteppichen ausgefüllt. In Fenster nord X wurde unten später zusätzlich das Wappen Holzhausen und darüber die kniende Stifterfigur des Deutschordensritters Arnt von Holzhausen angebracht (Fig. 13f.). Die übrigen Fenster zeigten die Wappen der Familien Munzenberg, unbekannt, Sachsenhausen, Knobloch, unbekannt und Lichtenstein5. Da diese Fenster »durch die Länge der Zeit schon sehr gelitten hatten« und bereits einige Fehlstellen zeigten, wurden sie von 1782 bis 1789 durch Blankglas, sog. Lahrer Glas, ersetzt. Die übrigen Querhausfenster und die Fenster des Langhauses waren bereits blankverglast; da sie sich nicht mehr in gutem Zustand befanden, wurden sie ebenfalls erneuert. Gleiches geschah 1791 mit den Fenstern im Magdalenenchörlein und 1791 mit den Fenstern über dem Südquerhausportal sowie dem Pfarr- oder Taufchörlein, das »das bekannte Wappen der Weißen von Limpurg, in einer zierlichen runden Einfassung von einem Engel gehalten« zeigte. Soweit die Überlieferung Battonns.
Wie die beiden erhaltenen Turmspitzen Nr. 4f. nahelegen, waren auch die Chorfenster mit Standfigurentabernakeln gefüllt. Ob die Fenster dabei zwei Tabernakelreihen oder eine Kombination von Tabernakel und Ornamentteppich enthielten, muß angesichts der äußerst lückenhaften Überlieferung offenbleiben. Gleiches gilt für die Frage, ob alle Fenster des Chorhalses ornamental verglast waren, oder aber nur jene kurzen Fenster der Nordseite, welche bis zum 19. Jahrhundert noch mittelalterliche Reste enthielten. Aus diesen Fenstern stammen auf Grund der Maße die Ornamentscheiben Nr. 11f. (ehemals nord IV-VI, Kopfscheiben Bahn b) und Nr. 9 (nord V, 2. Zeile) sowie wahrscheinlich Nr. 8. Für die eigentümliche Form der Ornamentscheiben Nr. 6f. läßt sich hingegen kein Fensterplatz benennen; gleiches gilt für Scheibe Nr. 10, die im 19. Jahrhundert für das Querhaus oder die Chorapsis umgearbeitet worden war. Aus dem Chorachsenfenster stammen schließlich Nr. 5, 13-19. Mit Ausnahme des Ende des 15. Jahrhunderts zu datierenden Adlerwappens aus der Nordportalrose (Nr. 37) fehlt von den späteren Stiftungen jede Spur: Kennt man von dem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in die Wahlkapelle gestifteten Dreifaltigkeitsfenster wenigstens den Standort, lassen die Angaben zu dem 1475/76 von Peter Hemmel im Dom eingesetzten Fenster bislang keine Lokalisierung zu6.
[Komposition, Ornament] Während sich die Tabernakelarchitekturen auf Grund ihrer äußerst lückenhaften Überlieferung nur unpräzise einordnen lassen, gibt es für die Ornamente eine Reihe von aufschlußreichen Vergleichsbeispielen. Medaillons mit nach innen wachsenden Blättern und zentralem Stern finden sich etwa im Langhaus der Zisterzienserkirche Haina in Obergadenfenster NORD XV (Textabb. 26), dort aber ohne architektonisierte Zwickel, wie auch in der nurmehr fragmentarisch überlieferten Verglasung der Stadtkirche Hersfeld. Zu erwähnen sind schließlich auch die Sternmuster im nördlichen Narthexfenster des Straßburger Münsters. Auch für das Rautengitter (Nr. 9f.) führt der Weg nach Haina: Fenster NORD XIV zeigt nahezu identische Vierpässe und aus den Rautenstäben herauswachsende Blätter, die im Unterschied zu Frankfurt jedoch keine kreisförmigen, sondern rechteckige Paßformen ausbilden. Für die Architektonisierung der Ornamentteppiche finden sich in St. Thomas in Straßburg (um 1325/30), aber auch in den Langhausfenstern der Katharinenkirche zu Oppenheim Vergleichsbeispiele7. Letztere zeigen überdies ähnliche Teppichgründe mit Blüten oder jene roten Karos in blauem Rautengitter mit hellen Kreuzungspunkten. Bislang ohne Vorbild bleiben jedoch die Ornamentscheiben Nr. 6f.: Es handelt sich dabei um die Reste eines offenbar in Analogie zu den ursprünglich figurenbesetzten Tabernakeltürmen konzipierten, zweischichtigen Ornamentfensters, dessen Architekturbekrönungen in den Lanzettspitzen mit einem Rautenteppich hinterlegt sind.
[Farbigkeit, Technik] Soweit die spärlichen Reste für den Gesamtbestand repräsentativ sind, dominierte der durch Gelb und Weiß mehr oder weniger stark aufgebrochene Kontrast von Rot/Blau; Grün ist nur im Zentrum des Maßwerkfünfpasses (Nr. 13) vertreten. Neben den stark reduzierten Resten einer außenseitigen Bemalung in Nr. 4f. konnte in den Ornamentscheiben Nr. 8f. auf der Außenseite einzelner Blätter eine wäßrige Pinselkonturierung beobachtet werden, welche wahrscheinlich als Vorzeichnung diente.
[Stil, Datierung] Auch wenn sich die Verglasung des Frankfurter Doms auf Grund ihrer äußerst lückenhaften Überlieferung einer Beurteilung weitgehend entzieht, läßt sie sich im fließenden Übergang zwischen Architektur und Ornament – in der Architektonisierung des Ornaments und der ornamentalen Auffassung von Architektur – gut in die allgemeinen Entwicklungen im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts einbinden. Gleiches gilt für die Ornamentformen, für die sich Vergleichsbeispiele sowohl in den nördlichen Obergadenfenstern der Zisterzienserkirche von Haina (um 1330/50) als auch in der Stadtkirche zu Hersfeld (gegen 1350) nachweisen lassen. Aufschlußreich sind schließlich auch die Zusammenhänge mit dem gleichzeitig entstandenen Langhaus der Oppenheimer Katharinenkirche: Während sich die architektonische Gestaltung des Maßwerks im Frankfurter Domchor mit den mittleren drei Lanzetten der Oppenheimer Langhausfenster süd IX und X nahezu deckt, bleibt die Verbindung zwischen den beiden Verglasungen auf wenige Ornament- und Hintergrundmuster beschränkt. Im Vergleich zu den innovativen Tabernakelbekrönungen der Oppenheimer Langhausverglasung wirken die Architekturscheiben aus dem Frankfurter Domchor überraschend retrospektiv. Gleichwohl gibt es keine stichhaltigen Anhaltspunkte für eine Ausführung der Frankfurter Chorverglasung vor 1330/35.
[Vorbemerkung zum Katalog] Die Scheiben wurden im März 1997 im Depot des Historischen Museums untersucht und photographiert.
Bibliographie
Hüsgen, 1780, S. 243, 260f. (summarische Erwähnung bemalter Scheiben aus der Mitte des 14. Jh. im Querhaus, darunter das Wappen des 1371 verstorbenen Ritters Rudolf von Sachsenhausen, sowie viele gemalte Wappen, welche 1713 in den unteren Teil der Chorfenster eingesetzt worden waren; genauer geht er nur auf das Dreifaltigkeitsfenster mit der Darstellung von Karl Borromäus und den beiden knienden Geistlichen mit eppsteinischem Wappen in der Wahlkapelle ein, das er mit den Glasgemälden der Johanneskirche in Gouda vergleicht); Faber, 1788, S. 252 (wörtlich nach Hüsgen); Fiorillo, I, 1815, S. 424f. (nach Hüsgen); Anton Kirchner, Ansichten von Frankfurt am Main und seiner Umgegend, Frankfurt/Main 1818, S. 82 (zeigt romantische Begeisterung für das gebrochene Licht, das die alten Glasmalereien auf die Altäre werfen); Gessert, 1839, S. 73, 113f. (nach Hüsgen); Wilhelm Wackernagel, Die deutsche Glasmalerei, Leipzig 1855, S. 62 (erwähnt die Glasgemälde des Frankfurter Doms als ältestes Beispiel für Schmelzfarben und überliefert das Wappen eines 1371 verstorbenen Ritters von Sachsenhausen sowie die 1782 gegen weißes Glas getauschten Fensterbilder, die sich meist in den Bauteilen befunden haben sollen, die 1352/53 vollendet wurden); Battonn, Dom, 1869, S. 31-34 (präziseste Überlieferung des mittelalterlichen Glasmalereibestands, der zu großen Teilen erst zu Lebzeiten Battonns aus dem Dom entfernt wurde); Lotz, 1880, S. 135 (geringe Glasmalereireste aus dem 14. Jh. in den hochliegenden nördlichen Chorfenstern über der Sakristei); Donner von Richter, 1881, S. 452 (summarische Erwähnung der ins Museum überführten mittelalterlichen Glasmalereireste aus dem Dom); Wolff, 1892, S. 98-100 (mittelalterliche Reste nurmehr in hochliegenden Chorfenstern über der Sakristei, alle übrigen Scheiben, darunter auch die später in den Dom geschenkten Tafeln mit der Geburt, Geißelung und Auferstehung Christi, wurden ins Museum überführt; Angaben zur Verglasung des 19. Jh.); Oidtmann, 1898, S. 238, 243, 255 (Erwähnung der in den 1870er Jahren ausgebauten Ornamentverglasung aus dem Domchor; im übrigen nach Lotz und Gessert); Jung, 1908, S. 91f. (Quellentexte zu dem von Jakob von Schwanau in den Dom gestifteten Fenster Peter Hemmels von 1475/76); Schmitz, I, 1913 (Vergleich zweier nur entfernt verwandter Berliner Ornamentmuster mit Resten aus dem Frankfurter Dom); Fischer, 21937, S. 130f., Anm. 102 (nach Jung); Frankl, 1956, S. 47f. (Lokalisierung des Hemmel-Fensters nicht überliefert); Beeh-Lustenberger, 1965, S. 36-57 (Katalog der Architektur- und Ornamentreste aus dem Frankfurter Dom); Beeh-Lustenberger, 1973, S. 30f., Nr. 18f. (vermutet für die beiden in Darmstadt verwahrten Wappen wie für die Reste eines Vita-Christi-Zyklus im Historischen Museum Frankfurt eine Herkunft aus dem Frankfurter Dom); Lymant, 1982, S. 45, Nr. 24 (erwägt für das in jüngerer Zeit in die Katharinenkirche Oppenheim lokalisierte Feld mit einer Tabernakelbekrönung eine Herkunft aus dem Frankfurter Dom); Hartmut Scholz, Die Straßburger Werkstattgemeinschaft. Ein historischer und kunsthistorischer Überblick, in: Kat. Ausst. Ulm 1995, S. 24 (Nennung des Frankfurter Hemmel-Fensters im Quellenanhang).
Nachweise
Fußnoten
- Die von Andrea Hampel, Der Kaiserdom zu Frankfurt am Main, Ausgrabungen 1991-93, Nußloch 1994, S. 50f., 88-90, als Chorbau von 1239 interpretierte Grundrißform läßt sich kaum über die Mitte des 12. Jh. hinaus datieren; der ergrabene Chor muß folglich deutlich vor 1239 angesetzt werden. Vgl. dazu auch die kritische Rez. von Uwe Lobbedey, in: HJL 45, 1995, S. 380-383. Da die Grabungen keinen Chorbau des frühen 13. Jh. zutage gefördert haben, läßt sich die Weiheurkunde von 1239 weiterhin lediglich auf eine Wiederherstellung der Vorgängerbauten beziehen; vgl. zusammenfassend Karl Heinrich Rexroth, in: Kat. Ausst. Frankfurt 1989, S. 29-33. Im übrigen legt dies auch die chronikalische Überlieferung nahe, wenn Lersner, 1706, 2, S. 105, nach älteren Quellen zitiert, daß 1239 die zu Ehren des Salvators gestiftete Kapelle zur Bartholomäus-Kirche »gemacht worden«, d.h. umgewidmet worden sei. Erst 1260 wird von Bauarbeiten gesprochen: Damals »ist das Kirchlein oder die Capell bey unser Lieben Frauen-Kirchen, jetzo St. Bartholomaei genannt, gebauet worden«. Von überragender Größe ist der Bau vor 1260 demnach nicht gewesen. Von einem Chorneubau ist erst 1315 die Rede. ↑
- Zu der 1943/44 schwer beschädigten und bei der Wiederherstellung nicht erneuerten Chor- und Langhausverglasung vgl. Wolff, 1892, Fig. 60f., 64, 66-71, zur Maria-Schlaf-Kapelle und ihrer Verglasung Elsbeth de Weerth, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 47, 1995, S. 309-319, sowie Dies., Die Ausstattung des Frankfurter Doms (im Druck). ↑
- Vgl. Hüsgen, 1780, S. 8, Anm. *, sowie S. 243, Anm. *, im Wortlaut übernommen von Faber, I, 1788, S. 239. ↑
- Vgl. Beeh-Lustenberger, 1973, Nr. 18f., Abb. 13f., die eine Herkunft aus dem Frankfurter Dom vermutet. Da weder Hüsgen noch Battonn die beiden Scheiben erwähnen, spricht nichts für diese Herkunft. Auch wenn das Adlerwappen dem erst seit Ende des 14. Jh. gebräuchlichen Wappen der Stadt Frankfurt nahekommt, ist dies kein Beweis für eine Herkunft aus dem Frankfurter Dom. Ob das Wappen überhaupt mit dem vorgeschlagenen Frankfurter Schultheißen Ludolf (mit falschem Zusatz von Praunheim-Sachsenhausen, wie Frau Dr. Elsbeth de Weerth, Frankfurt, mitteilte) in Verbindung gebracht werden kann, sei dahingestellt. Battonn nämlich überliefert ein Familienwappen, das in quadriertem Schild einen weißen Adler auf rotem Grund sowie Rosen mit einer Schafschere zeigte. Da beide Darmstädter Wappen dieselbe nachträglich angesetzte Borte zeigten, wie die um 1260 entstandene Augustinus-Nikolausscheibe in Darmstadt und sich diese damit zeitweise in derselben Sammlung befunden haben dürfte, ist zu überlegen, ob die in die zweite Hälfte des 13. Jh. zu datierenden Wappen nicht vielmehr aus diesem Zyklus stammen könnten. ↑
- Nach Battonn waren viele Wappen quadriert und zeigten relativ komplizierte Bilder. Es wäre deshalb zu überlegen, ob diese Wappen nicht erst später hinzugefügt worden sind, wie ja auch das Holzhausen-Wappen erst im 15. Jh. in Fenster nord X eingesetzt worden war. ↑
- Auf Grund der genannten Scheibenzahl kommt die Wahlkapelle nicht in Frage, hingegen enthält das Fenster der Maria-Schlaf-Kapelle, die Zwickelfelder im Maßwerk nicht mitgerechnet, 21 Felder, ebensoviele, wie in der Quelle genannt werden. ↑
- Zu St. Thomas in Straßburg vgl. Gatouillat, 1994, S. 223-226, zu Oppenheim Rauch, 1997, Farbtaf. 6f.; zu dem für die deutsche Glasmalerei charakteristischen Phänomen zusammenfassend Hartmut Scholz, in: Kat. Ausst. Köln 1998, S. 62. ↑
Drucknachweis
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet / Daniel Hess (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 2), Berlin 1999
Nachnutzung
Rechtehinweise
Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Ehemals Frankfurt · Dom St. Bartholomäus“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-objekte/207-1_ehemals-frankfurt-dom-st-bartholomaeus> (aufgerufen am 26.11.2025)
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