Taube des Hl. Geistes (Worms, Museum Heylshof)

 
Datierung
3. Viertel 15. Jahrhundert
AEC416D7-3050-4A60-B27E-A826B70B90DD

Katalog

Von Uwe Gast

Abmessungen

Mittelrhein, 3. Viertel 15. Jh.
Durchmesser 22–22,5 cm. – Swarzenski 1927, Nr. 174.
Eine Herkunft aus der Slg. Vincent, Konstanz, wie sie im Katalog angegeben wird (s. Bibl.), ist nicht nachzuweisen; der ursprüngliche Standort ist unbekannt.

Erhaltung

Im Leib des Vogels mehrere, mit Sprungbleien geflickte Sprünge, im Hintergrund zwei jüngere, nicht gesicherte Sprünge. Drei Stücke sind ergänzt. Die Bemalung im Hintergrund ist partiell berieben. Verbleiung 19./20. Jh.

Ikonografie, Komposition

Die wohl aus einer Maßwerkverglasung stammende kleine Rundscheibe stellt keinen Johannes-Adler dar, wie Georg Swarzenski vermutet hat (s. Bibl.), sondern eine Taube mit Kreuznimbus als Symbol des Hl. Geistes. Obwohl die frontale, an heraldische Darstellungen erinnernde Ansicht des Vogelleibs dazu verleiten mag, ihn stehend zu sehen vgl. die heutige museale Präsentation), so war die Scheibe doch ursprünglich mit Sicherheit so eingebaut, dass die Taube mit dem Kopf voran von oben herabstieß. So begegnet sie im Mittelalter in den verschiedensten szenischen Zusammenhängen35. Eine Vorstellung vom möglichen ursprünglichen Kontext vermittelt hierbei das südliche Chorfenster der Kirche in Rosenweiler im Elsass (Rosenwiller, Dép. Bas-Rhin), wo die Hl.-Geist-Taube als Teil des Pfingstgeschehens über Maria und den zwölf Aposteln im Zentrum des Vierpasses im Maßwerk erscheint (Fig. 428)36.

Ornament, Farbigkeit, Technik

Blauer, an annähernd zeitgleiche Blattrankengründe in Oberursel erinnernder Fiederrankengrund37; die Taube des Hl. Geistes ist mit brauner Lotfarbe für das Gefieder und Silbergelb für den Nimbus gemalt; reicher, in der Strichführung allerdings unsicherer Einsatz von Negativschraffuren.

Stil, Datierung

Da die Scheibe sich auf keine der Sammlungen zurückführen lässt, aus denen das Ehepaar (von) Heyl Glasmalereien erworben hat, gibt es für ihre stilistische Einordnung nur wenige Anhaltspunkte. Ihr Fiederrankengrund erinnert, wie oben erwähnt, zum einen an die Hintergründe der Glasmalereien in der Pfarrkirche St. Ursula in Oberursel, die nach Ausweis des Tuchmacher-Wappens 1464 zu datieren sind, und auch eine – von Daniel Hess allerdings erst in das frühe 16. Jh. datierte – Wappenscheibe in der Pfarrkirche St. Leonhard in Frankfurt/M. weist einen verwandten Fiederrankengrund auf38. In der Vorliebe für Negativschraffuren steht die Scheibe außerdem den Tierdarstellungen in den Zwickeln des Kapellenfensters im ehem. Königsteiner Hof in Mainz nahe (s.o. S. 185–188), besonders dem Schwan in 1AB (Abb. 68). Sie dürfte daher als einziges Werk im Heylshof an den Mittelrhein zu lokalisieren und anhand der Vergleichsbeispiele in das 3. Viertel des 15. Jh. zu datieren sein.

Bibliografie

Swarzenski 1927, S. 45, Nr. 174, Taf. LX (knappe Beschreibung mit Deutung als Adler-Symbol des Hl. Johannes Ev.; »Deutsch. 15. Jahrhundert. / Sammlung Vincent«).

Bildnachweis

CVMA RT 505 (MF), Großdia RT 05/197

Nachweise

Fußnoten

  1. Vgl. Walter Stengel, Formalikonographische Detail-Untersuchungen, I: Das Taubensymbol des Hl. Geistes (Bewegungsdarstellung, Stilisierung, Bildtemperament) (Zur Kunstgeschichte des Auslandes 18), Straßburg 1904, bes. S. 9f.; allgemein s. LCI, IV, 1972, Sp. 241–244 (Joachim Poeschke).
  2. Françoise Gatouillat, in: CV France, Recensement V, 1994, S. 186f. (mit weiterer Literatur).
  3. CVMA Deutschland III,2, 1999, S. 12, Muster III,22. Siehe außerdem Anm. 38.
  4. Zu Oberursel s. Hess 1999, S. 294–301, Farbtaf. XXXIII, Abb. 254 bis 260; zu Frankfurt/M. ebd., S. 137f., Abb. 91.

Drucknachweis

Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen / Uwe Gast unter Mitwirkung von Ivo Rauch (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 1), Berlin 2011, 458 f. [= 6. Taube des Hl. Geistes]

Nachnutzung

Rechtehinweise

Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Taube des Hl. Geistes (Worms, Museum Heylshof)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/136-2-04-01_taube-des-hl-geistes-worms-museum-heylshof> (aufgerufen am 25.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/136-2-04-01

Taube des Hl. Geistes: ES [= Erhaltungsschema] Worms Heylshof Nr. 6Taube des Hl. Geistes. Rosenweiler (Rosenwiller Dép. Bas-Rhin), Notre-Dame-de-l'Assomption, Chor s II (baie 2). Um 1350/55