Kreuzigung Christi (Worms, Museum Heylshof)

 
Datierung
1. Viertel 15. Jahrhundert
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Katalog

Von Uwe Gast

Abmessungen

Österreich (Steiermark oder Salzburg), 1. Viertel 15. Jh.
Pasticcio, H. 70,5 cm, B. 50–51 cm. – Swarzenski 1927, Nr. 173.
1891 aus der Slg. Vincent, Konstanz, erworben; der ursprüngliche Standort ist unbekannt.

Inschrift

Am Längsbalken des Kreuzes in gotischer Minuskel der Titulus: · i · n · r · i ·

Erhaltung

Problematisch. Die Scheibe ist als ein Pasticcio aus alten Stücken anzusehen, das Vincent entweder schon so erworben hatte oder anfertigen ließ. Dabei ist nicht zu entscheiden, welche Teile über den vermutlich zusammengehörigen Figurenbestand hinaus einmal zu dem Kreuzigungsbild gehört haben. Die gelbe Mandorla um Christus, der blaugraue Grund und der teils grüne, teils braune Bodenstreifen bestehen aus scharf gereinigten, von ihrer Bemalung befreiten mittelalterlichen Stücken, die, wie die verschiedenen Valeurs und auch die Reste der Negativzeichnung erkennen lassen, aus unterschiedlichem Kontext stammen müssen. Auch die stark korrodierten figürlichen Partien wurden gereinigt; danach wurden sie anscheinend – der Hl. Johannes Ev. zweifelsfrei – (kalt?) übermalt bzw. nachkonturiert und, wie alle übrigen Teile, mit einem lackartigen Überzug versehen. Verbleiung 19. Jh.

Ikonografie, Komposition

Die Ursprünglichkeit des Figurenbestandes vorausgesetzt, handelt es sich um eine dreifigurige Kreuzigung, die Christus, an einem Astkreuz mit kurvig gebogenen Armen hängend15, zwischen der trauernden Maria und dem ins Profil gewendeten Hl. Johannes Ev. zeigt.

Farbigkeit

In seiner klaren Farbigkeit ist das Pasticcio nicht ohne Reiz. Zu den bereits genannten Farben des Bildgrundes treten ursprünglich gedecktes Weiß für die Inkarnattöne, Hellweiß, kühles Blau, Rot, Hell- und Dunkelviolett sowie Lindgrün für die Gewänder, Gelb bzw. Gelb/Rot für die Nimben und schließlich abermals Grün für das Kreuz und die Dornenkrone Christi hinzu.

Stil, Datierung

Aufgrund ihres problematischen Erhaltungszustandes ist die in der Komposition sicherlich originale Kreuzigung stilistisch vorrangig anhand formal-inhaltlicher Kriterien einzuordnen. Einen ersten Hinweis gibt die Darstellung Christi an einem Astkreuz, die im Hoch- und Spätmittelalter zwar generell weit verbreitet war, jedoch in der Glasmalerei überwiegend in Süd- bzw. Südostdeutschland und in Österreich zu finden ist16. Während es in Schwaben und Bayern aber keine Glasgemälde gibt, die verwandt erscheinen, ist mit der Kreuzigung aus dem Christus-Fenster der Waasenkirche in Leoben (Steiermark) ein Werk erhalten, in dessen künstlerischer Nachfolge die Wormser Scheibe durchaus entstanden sein könnte; sie zeigt ähnlich emotional aufgewühlte, in üppige Gewänder gekleidete Assistenzfiguren, wobei insbesondere die Verwandtschaft der ins Profil gestellten Johannesfiguren auffällig ist (Fig. 425). Gemäß der bisherigen Lokalisierung der Werkstatt des Leobener Fensters – einer offenbar bald nach 1411 erfolgten Stiftung des Paul Chren – in die Steiermark oder nach Salzburg ist die Wormser Kreuzigung vermutlich als ein in Österreich im frühen 15. Jh. entstandenes Werk anzusprechen17.

Bibliografie

Kat. Konstanz, Slg. Vincent, 1890, S. 62, Nr. 447 (Einordnung unter »Deutsche und andere Scheiben«, Datierung »XV. Jhdt.«); Auktionskat. Köln, Slg. Vincent, 1891, S. 62, Nr. 447 mit Abb. (dto.); Escherich 1926/27, S. 77 (Bayern, um 1430); Swarzenski 1927, S. 45, Nr. 173, Taf. LIX (Beschreibung; »Süddeutsch. Um 1430«).

Bildnachweis

CVMA RT 13348, Großdia RT 05/161

Nachweise

Fußnoten

  1. Vgl. RDK, I, 1937, Sp. 1158–1160 (Hellmuth Bethe).
  2. Esslingen, Franziskanerkirche, um 1325 (CVMA Deutschland I,1, 1958, Farbtaf. 4; zur Datierung s. Rüdiger Becksmann, in: AK Esslingen 21997, S. 106, 112–115); Wien, St. Stephan, um 1340/50 (CVMA Österreich I, 1962, Abb. 56); ehem. Regensburg, Minoritenkirche, um 1350/60 (München, Bayerisches Nationalmuseum, Inv. Nr. G 693; Jolanda Drexler, Die Chorfenster der Regensburger Minoritenkirche [Studien und Quellen zur Kunstgeschichte Regensburgs II], Regensburg 1988, Abb. 6).
  3. Franz Kieslinger, Gotische Glasmalerei in Österreich bis 1450, Zürich/Leipzig/Wien 1928, S. 70; Eva Frodl-Kraft/Henriette Brandenstein, Die Bildfenster der Waasenkirche in Leoben, in: Österreichische Zs. für Kunst und Denkmalpflege 25, 1971, S. 51–73, hier S. 60–63, 68–70, Abb. 62; CVMA Österreich IV, 2007, Abb. 57. Für hilfreiche Auskünfte zur Werkstatt des Leobener Fensters sei Dr. Günther Buchinger, Wien, herzlich gedankt.

Drucknachweis

Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen / Uwe Gast unter Mitwirkung von Ivo Rauch (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 1), Berlin 2011, 454 f. [= 2. Kreuzigung Christi]

Nachnutzung

Rechtehinweise

Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Kreuzigung Christi (Worms, Museum Heylshof)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/136-2-01-01_kreuzigung-christi-worms-museum-heylshof> (aufgerufen am 26.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/136-2-01-01

Kreuzigung Christi: ES [= Erhaltungsschema] Worms Heylshof Nr. 2Kreuzigung Christi. Leoben (Steiermark), Waasenkirche, Chor s II, 7b. Steiermark oder Salzburg, um/nach 1411