Konvolut aus 254 Scherben (Wixhausen, Pfarrkirche)

Grabungsfund. Wixhausen, Pfarrkirche, Reste der ehemaligen Chor- und Langhausverglasung. Mittelrhein, um 1400. – Kat. S. 438.
Katalog
Von Uwe Gast
Befund
Das aus insgesamt 254 Scherben bestehende Konvolut – darunter auch ca. 35 Stücke aus nachmittelalterlicher Zeit – wurde im September 1991 in der Nähe der Nordwand des Kirchenschiffes zwischen den heutigen Fenstern nord IV und nord V in ca. 48 cm Tiefe gefunden, d.h. auf dem alten Bodenniveau unmittelbar östlich jenes mittelalterlichen, in der Mitte des Schiffs gelegenen Langhausfensters, das Hill auf seiner Zeichnung als Alt Fenster so zuzumauern beschriftet hat (Fig. 406). Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Scherben allein aus diesem Fenster stammten, da zum einen die Fundsituation – die Durchmischung mittelalterlicher und nachmittelalterlicher Scherben bei gleichzeitigem Fehlen von Bleiruten – auf eine Verschüttung schließen lässt und zum anderen die verschiedenen Borten und Randstreifen auf eine mehrere Fenster umfassende Verglasung hindeuten. Der Großteil der Scherben dürfte deshalb aufgrund seiner Zeitstellung in den ehemaligen Chor zu lokalisieren sein (Nr. 1–62, 64–220)5; für die unbemalten Scherben und die Reste einer Butzenverglasung mag auch eine Herkunft aus dem Langhaus in Frage kommen (Nr. 221–255).
Aufgrund der über 200-jährigen Bodenlagerung sind die ohnehin verwitterungsanfälligen Gläser der Zeit um 1400 in hohem Maß geschädigt: So sind die rosafarbenen, roten, rotvioletten, blauen und grünen Gläser mit flächig verdichteten Korrosionskrusten überzogen, was z.T. zu völliger Intransparenz geführt hat. Bei den rosafarbenen, rotvioletten und blauen Gläsern kommt eine Verbräunung des Glases hinzu. Lediglich die chemisch stabileren weißen und gelben Gläser sind weniger stark angegriffen, ohne jedoch ganz frei von Verbräunung und/oder Korrosion zu sein. Mitunter finden sich auf den Scherben von Borten und Randstreifen Nr. 1–19, 22–62 und 64–89 Mörtelreste.
Rekonstruktion, Stil, Datierung
Anhand der verschiedenen Borten und Randstreifen lassen die Scherben sich als Reste aus mindestens zwei, vielleicht sogar drei oder vier Fenstern bestimmen. Deren einstige Darstellungen – seien es Standfiguren von Heiligen, seien es Szenen aus dem Leben Christi, Mariä, etc. – sind jedoch aufgrund des Fehlens jeglicher Anhaltspunkte nicht mehr zu rekonstruieren. Dem entsprechend sind auch der stilistischen Einordnung und Datierung des Fundes Grenzen gesetzt. Was Letztere betrifft, steht zwar außer Frage, dass die Verglasung der Zeit um 1400 angehört hat: Der ornamentale Apparat (Borten, Randstreifen) und die um Plastizität bemühte Gestaltung der Gehäusearchitekturen finden sich, wie bereits Daniel Hess gesehen hat, in verwandter Form im Kreis jener ökonomisch produzierten Arbeiten Nürnberger Provenienz wieder, die ab ca. 1380 für Bauten in Nürnberg (St. Sebald; St. Martha) und im fränkischen Umland (Dietenhofen; Großhabersdorf; Markt Erlbach) sowie in Schwaben (Creglingen) und Thüringen (Erfurt; Mühlhausen) entstanden sind6. Die Bezüge sind jedoch nicht so eng, dass die Wixhausener Fragmente unmittelbar daran angeschlossen werden könnten. Es ist eher damit zu rechnen, dass sie einen bislang unbekannten, vermutlich aus Franken oder Thüringen importierten Stil in der Glasmalerei am Mittelrhein repräsentieren, dem vielleicht auch die – nach Babenhausen zu lokalisierenden(?) – Reste eines Passionszyklus in Darmstadt und Sigmaringen anzuschließen sind (s. Kunstgeschichtliche Einleitung S. 59, Fig. 25, Anhang S. 475f.).
Mittelrhein(?), um 1400.
Nachweise
Fußnoten
- Hess’ Zählung der Scherben setzt bei Nr. 63 aus, sodass sich bei 254 Scherben insgesamt 255 Nummern ergeben ↑
- Hess 1992 (vgl. Gegenwärtiger Bestand). Zu dieser Gruppe gehören auch fünf Scheiben und Fragmente in Worms, Museum der Stadt Worms im Andreasstift (Nr. 6–10); für Literaturnachweise s. daher S. 448, Anm. 33. ↑
Drucknachweis
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen / Uwe Gast unter Mitwirkung von Ivo Rauch (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 1), Berlin 2011, 438 f. [= o. A.. Konvolut aus 254 Scherben]
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Rechtehinweise
Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Konvolut aus 254 Scherben (Wixhausen, Pfarrkirche)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/116-1-01-01_konvolut-aus-254-scherben-wixhausen-pfarrkirche> (aufgerufen am 26.11.2025)
Kurzform der URL für Druckwerke
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