Hl. Georg (Neckarsteinach, Pfarrkirche)

Hl. Georg. Darmstadt, HLM, Nr. 183. Heidelberg (Werkstatt Jakob Gleser gen. Kamberger?), um 1482/83
Katalog
Von Uwe Gast
Abmessungen
H. 92 cm, B. 54 cm. – Inv. Nr. Kg 36:5; Beeh-Lustenberger 1973, Nr. 238.
Ehemals Lhs. n III (Bahn b).
Inschrift
Auf der Stirnseite der sockelartigen Schwelle unten die Jahreszahl 1483.
Erhaltung
Die Scheibe ist links um einige Zentimeter beschnitten und weist dort – wie auch rechts oben – kleinere Ergänzungen auf, die vorwiegend die architektonischen Teile betreffen. Zwei kleine Flickstücke; ein Sprung. Ansonsten vorzüglicher Zustand.
Ikonografie, Komposition
Die Figur des – nicht nimbierten – Ritterheiligen Georg, der zu Fuß und mit geschwungenem Schwert und Lanze den schon fast geschlagenen, am Boden sich windenden Drachen bekämpft46, dürfte auf eine noch unbekannte oder verlorene (druckgrafische?) Vorlage aus der Zeit um 1460–1480 zurückgehen. Denn der eigentümliche, in seiner puppenhaften Feingliedrigkeit und Beweglichkeit an Figuren des Meisters E.S. erinnernde Typus, den der Heilige aus Neckarsteinach vertritt, wurde in verwandter Beinstellung und Haltung bis in die 1490er-Jahre verschiedentlich verwendet, sei es für Darstellungen des Hl. Georg selbst – wie z.B. am 1481 aufgestellten Hochaltarretabel in der ehem. Nikolaikirche in Tallinn (ehem. Reval) oder um ca. 1490/1500 im Südostfenster der Kapelle auf Burg Pürglitz (Krivoklát) –, sei es für Darstellungen des Hl. Michael47. Da der Heilige in der Scheibe aus Neckarsteinach mehr vor dem Drachen zu schweben als auf ihm zu stehen scheint, wird im Vergleich mit Hermen Rodes Darstellung in Tallinn deutlich, dass dessen Hl. Georg, der mit einem Bein auf dem Boden steht und nur seinen linken Fuß triumphierend auf den Drachen gesetzt hat (Fig. 147), die gemeinsame Vorlage in dieser Hinsicht genauer zitieren dürfte, während die ganze Physiognomie der Figur sich eher in den Scheiben aus Neckarsteinach und auf Burg Krivoklát widerspiegeln könnte. Wie bei der Stifterscheibe Nr. 181 war die torartige Nische beidseitig mit symbolhaften Statuetten besetzt, von denen sich rechts ein Ritter mit Schild und Schwert erhalten hat48.
Farbigkeit
Der Heilige in goldgelbem, mit Braun abschattiertem Plattenharnisch, an dem mittels eines silbernen, schildförmigen Schmuckstücks mit Kreuz ein rotes und ein grünes Tuch befestigt sind; Inkarnat und Haare eisenrot; der Kopfschmuck mit Federn rot/grün, das Schwert mit goldgelbem Griff und silbrig-weißer Klinge, die Lanze braun/rot mit weißer Spitze. Der Drache bläulich schimmernd und braun, mit silbergelben Augen und silbergelben Flecken. Smaragdgrüner Wiesengrund, fleckig blauer Hintergrund, die rahmende Architektur in lichtem Gelb mit brauner Schattierung.
Ornament
Fleckig blauer, im Rapport uneinheitlicher, mit Nr. 181 z.T. identischer Damastgrund (Muster III,13). Zu dem einzelnen, von dem roten Tuch umschlossenen fremden Flickstück s. S. 216.
Bildnachweis
CVMA RT 13222, Großdia RT 05/017
Weitere Angaben
Standort heute
Darmstadt, Hessisches Landesmuseum
Nachweise
Fußnoten
- LCI, VI, 1974, Sp. 365–390, bes. Sp. 380–383 (Sigrid Braunfels). ↑
- Tallinn, Eesti Kunstimuseeum; Stange, I, 1967, S. 201, Nr. 653, zuletzt Anja Rasche, Werke des Lübecker Malers Hermen Rode im Ostseeraum, in: Beiträge zur Kunstgeschichte Ostmitteleuropas, hrsg. von Hanna Nogossek und Dietmar Popp (Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung 13), Marburg 2001, S. 126–136, hier S. 129f. – Zu den Resten der ehem. Farbverglasung der Burgkapelle von Krivoklát, die sich nunmehr im Burgmuseum befinden, s. Matouš 1975, S. 53–55, Farbtaf. IX, Abb. 26–28, sowie die Rezension von Hans Wentzel, in: Kunstchronik 28, 1975, S. 338–343, hier S. 341f. Die Angaben zur Baugeschichte der Kapelle bei Matouš sind überholt. – Ein Beispiel für die Umwandlung der mutmaßlichen Vorlage in eine Figur des Hl. Michael dürfte in dem 1486 datierten Fenster aus Pesenbach (Oberösterreich) in St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift, zu erkennen sein; s. Eva Frodl-Kraft, Die Glasgemälde, in: Die Kunstsammlungen des Augustiner-Chorherrenstiftes St. Florian (Österreichische Kunsttopographie XLVIII), Wien 1988, S. 93–104, hier S. 97f., Nr. 18–21, bes. Abb. 405. ↑
- Vgl. hierzu auch Beeh-Lustenberger 1973, S. 182 (Nr. 238). ↑
Drucknachweis
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen / Uwe Gast unter Mitwirkung von Ivo Rauch (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 1), Berlin 2011, 218 f. [= 183. Hl. Georg]
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Sachbegriffe
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Siehe auch
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Rechtehinweise
Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Hl. Georg (Neckarsteinach, Pfarrkirche)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/114-1-01-03_hl-georg-neckarsteinach-pfarrkirche> (aufgerufen am 26.11.2025)
Kurzform der URL für Druckwerke
https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/114-1-01-03
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