Ehemals Neckarsteinach · Pfarrkirche

 
Standort
Neckarsteinach
Anzahl Fenster
1
Anzahl Scheiben
4
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Katalogdaten

Vorbemerkung

Im Unterschied zu den bereits im frühen 19. Jahrhundert nach Darmstadt gelangten Glasmalereien aus Ersheim und Hirschhorn hatte die Pfarrkirche in Neckarsteinach Reste ihrer spätgotischen Farbverglasung bis in die 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts bewahrt. Diese Reste – vier Rechteckscheiben mit Heiligen- und Stifterdarstellungen (Textabb. 29, Fig. 142f., Abb. 81–85) – waren 1935 zu der von Heinz Merten organisierten Ausstellung »Deutsches Glas« im Hessischen Landesmuseum Darmstadt ausgeliehen und wurden 1936, ohne je nach Neckarsteinach zurückgekehrt zu sein, vom Museum unter skandalträchtigen Umständen angekauft. Heute ist der Chor der Kirche mit einer 1958 vom Land Hessen gestifteten, von dem Maler und Grafiker Hans-Joachim Burgert entworfenen Farbverglasung versehen; an die einstige Existenz der mittelalterlichen Reste erinnern Kopien aus dem Jahr 1979 von der Werkstatt Münch, Groß-Umstadt1.

Geschichte des Baues und seiner Verglasung

An der Mündung des Flüsschens Steinach in den Neckar einige Kilometer vor Heidelberg gelegen, war der schon im Mittelalter nach seiner geografischen Lage benannte, von vier Burgen beherrschte Ort Neckarsteinach vielleicht noch im ersten Jahrtausend vom Bistum Worms erschlossen und mit einem Kirchenbau versehen worden2. Diese Kirche – Wolfgang Einsingbach zufolge ein einfacher Saalbau von bescheidenen Ausmaßen – wird erstmals im Jahr 1142 erwähnt, als Bischof Burchard II. von Worms den Edelfreien Blicker I. von Steinach mit deren Einkünften gegen die Überlassung von Baugelände für das Kloster Schönau belehnte. Nachdem die Begräbnisse der Landschaden von Steinach, der Patronatsherren der Kirche, in dem seit 1364 als Pfarrkirche bezeugten Bau sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zu häufen begonnen hatten, dürfte er bald als zu klein und zu wenig repräsentativ empfunden worden zu sein. Schon Dieter II. Landschad († 1439?) strebte an, die Kirch zu Stainach Zue Bauen3, doch erst Blicker XIV. Landschad († 1499?) und seine Frau Mia von Helmstatt († 1496) brachten den Um- bzw. weitgehenden Neubau 1482/83 zur Ausführung (Fig. 138f.). Ihre Wappen erscheinen nicht nur am – im 18. Jahrhundert versetzten – Westportal der Kirche, hier in Verbindung mit der Jahreszahl [14]82, sondern auch an den Schlusssteinen des Chorgewölbes4. Am südöstlichen Strebepfeiler des Chores gibt eine Inschrift Auskunft über die Vollendung des Baues: An(n)o · iv c · So · / sich · das · i(ar) · 8 · 3 · / anfatht · hat · / Blycker · la(n)tscha(d) / Hoffmeyst(er) · disen / buwe · volbracht.

Bibliographie

Neckarsteinach, in: Vaterländische Blätter, hrsg. von Aloys Schreiber, Heidelberg 1812, S. 129–136, 137–141, hier S. 140 (fünf Glasgemälde genannt: »zur Rechten eine von zwei Engeln gekrönte Himmelskönigin, die beyden über dem Hochaltar eine Geißlung u. einen knieenden Pfalzgrafen gegenüber, die zwey andern links St. Michael oder Georg, gegenüber ein knieender Hirschhorn mit dem Federhut vor sich hingelegt, in bescheidener Entfernung und gleicher Stellung seine fromme Hausfrau, eine Handschuchsheimerin«); Jäger (1824), S. 194 (»Auch manche schöne Glasmalerey sieht man noch in der Kirche«); Georg W. J. Wagner, Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen, I: Provinz Starkenburg, Darmstadt 1829, S. 164 (Erwähnung); Lotz 1863, S. 313 (dto.); Inschriften der Kirche zu Neckar-Steinach, in: Quartalblätter des Historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen 1889/2, S. 45–53, hier S. 46f. (Auflistung von nur noch vier erhaltenen Scheiben; erstmalige Identifizierung der Stifter); J. Schneider, Führer durch Neckar-Steinach, seine Burgen und seine Umgebung, (Heidelberg um 1900), S. 28 (Auflistung; unter der Muttergottes die »Landschadensche Harfe«); Georg Wickop, in: JberDpflGH 1, 1902–1907, S. 42 und Taf. VII (Erwähnung), bzw. 2, 1908–1911, S. 116 (teilt mit, dass »die sehr schönen Reste der alten Glasmalerei im Mittelfenster zusammengestellt« wurden); Wiegand 1913, S. 20 (»Nach Mitteilung des Herrn Pfarrers Schneider schreibt Herr Prof. Mone in Karlsruhe die Glasmalerei Hans Wild aus Ulm zu«); Walter Möller/Karl Krauss, Neckarsteinach, seine Herren, die Stadt und die Burgen (Starkenburg in seiner Vergangenheit 4), Mainz 1928, S. 91 (Beschreibung); AK Darmstadt 1935, S. 25, Nr. 121–124 (Zuschreibung an den Meister der Mainzer Sebastianslegende); Diehl 1935, S. 851f. (zitiert die Pfarrchronik, in der zum Jahr 1863 erwähnt wird, dass »›im Chor farbige Fenster eingesetzt [wurden], in welche die in andern Fenstern der Kirche bisher befindlichen gemalten Bildstücke eingesetzt wurden‹«); Werner Kloos, Kunstwerke der Heimat, XIV: Glasfenster von 1483 aus Neckarsteinach, in: Volk und Scholle 14, 1936, S. 50f. (Würdigung); Heinz Merten, in: Deutsche Kunst, II, hrsg. von Ludwig Roselius, Bremen (1936), Begleittext zu Abb. 18f. (folgt AK Darmstadt 1935); ders., Die Neckarstei-nacher Fenster im Hessischen Landesmuseum zu Darmstadt, in: Jb. der Volks- und Heimatforschung in Hessen und Nassau 1933–1938, S. 148–152 mit Abb. (erste ausführliche Würdigung auf der Grundlage von AK Darmstadt 1935; Angaben zu Maltechnik und Erhaltung); AK München 1947, S. 5f. und S. 23, Nr. 149–152 (Erwähnung technischer Besonderheiten; folgt weitgehend den Bearbeitungen seit 1935); Elisabeth Schürer-von Witzleben, Mittelalterliche Glasmalereien im Bayerischen Nationalmuseum, in: Zs. für Kunst 2, 1948, S. 141–144, hier S. 143 (Einordnung in den Umkreis Peter Hemmels von Andlau und Zuschreibung an den Meister B.W. [sic!]); T/B, XXXVII, 1950, S. 380, 453 (aus der Buchstabenverwechslung bei Schürer-von Witzleben 1948 wird der Monogrammist »B.W.« geboren, sodass die Neckarsteinacher Scheiben in ein und demselben Band sowohl als Werke dieses völlig fiktiven Künstlers als auch als Werke des Meisters WB angeführt werden); Wentzel 1951, S. 70, 99, bzw. 21954, S. 71, 102 (verweist auf die Nähe der Scheiben zu Peter Hemmel von Andlau und sieht in ihnen eine »nach Technik und Stil [...] mittelrheinische [Speyrer?] Umprägung«); Hotz 1953, S. 112 (lehnt eine Zuschreibung an den Meister WB ab; lokalisiert die Werkstatt »im Raum Heidelberg-Speyer-Worms«); Stange 1955, S. 112 (Zuschreibung an den Meister WB); Hotz 1956, S. 308, 312 (vertritt nun doch eine Zuschreibung an den Meister WB und folgt in der allgemeinen Beurteilung Wentzel); Georg Poensgen, Rückblick auf die Ottheinrich-Ausstellung, in: Ruperto-Carola 8/20, 1956, S. 172–177, hier S. 174 (schreibt die Stifterscheibe Philipps des Aufrichtigen im Entwurf dem Hausbuchmeister zu); Gisela Bergsträsser, Zwölf Kostbarkeiten aus dem Landesmuseum, in: Amtliches Adreßbuch der Stadt Darmstadt 76/77, 1956/57, S. XLIII–LIII, hier S. XLVIf. (Würdigung der Scheibe mit dem Hl. Georg); Hotz 1963, S. 32, 45 (Zuschreibung des »ausgezeichneten Fensterzyklus« an den Meister der Mainzer Sebastianslegende); Wentzel 1966, S. 29 (weist ein Flickstück im Damastgrund von Nr. 183 der Konberger-Werkstatt zu); Beeh-Lustenberger 1967, Abb. 150–153, bzw. 1973, S. 180–185, Nr. 236–239 (grundlegende Bearbeitung der Gruppe mit Angaben zu Erhaltung und Ikono-grafie, zur Rekonstruktion der Verglasung und deren kunsthistorischer Einordnung); Einsingbach 1969, I, S. 393, II, Abb. 680–682 (weist darauf hin, dass die Scheiben 1829 auf Chor und Langhaus verteilt waren); Shestack 1971, S. 12, 73, 79 (Zuschreibung des Entwurfs, eventuell auch der Ausführung an den Meister WB); Becksmann 1979, S. LIXf., 252, Anm. 5 (Lokalisierung der Werkstatt nach Heidelberg mit Zuschreibung an Jakob Glaser, den Vater Hans Konbergers); Seeliger-Zeiss 1983, S. 10–13 (allgemeine Würdigung; folgt in der Frage der Zuschreibung Becksmann 1979); Anzelewsky 1985, S. 41, 47 (Zuschreibung der Georg-Scheibe an den Meister WB); Becksmann 1986, S. LVIIf., 70, Anm. 31, 93f., 106, Anm. 10, 337 (wie Becksmann 1979; weist das Damastmuster der Stifterscheibe Nr. 182 auch in Heilbronn nach; diskutiert Zusammenhänge zwischen dem Scheibenzyklus aus der Allerheiligenkapelle des Klosters Hirsau und den Neckarsteinacher Scheiben; weist der Werkstatt eine Rundscheibe mit einem Engel und den Wappen der Stadt Wimpfen zu); Hotz 1986, S. 62 (Erwähnung); Scholz, Bergstraße, 1994, S. 53f., Nr. 70 (Erfassung der Inschriften); Becksmann 1995, S. 219 (Erwähnung im Zusammenhang mit der Sebastian-Scheibe aus Hirsau in Stuttgart); Hess 1999, S. 245 (sieht stilistische »Anklänge« an die Werke des Meisters WB); Hanns Hubach, in: AK Heidelberg 2000, S. 354f., Nr. 245 (ausgiebige Diskussion der Stifterscheibe Philipps des Aufrichtigen im Hinblick auf den Porträttypus des Dargestellten, den ursprünglichen Standort der Scheibe im Achsenfenster des Chores und die Zuschreibung des ganzen Ensembles an Jakob Konberger gen. Glaser); Bodo Brinkmann, in: Brinkmann/Kemperdick 2002, S. 357 (lediglich Erwähnung der Scheibengruppe im Zusammenhang mit der Frage der Lokalisierung der Werkstatt von Wolfgang Beurer); Hubach 2002, S. 47 (Zuschreibung an Jakob Gleser, den Vater Hans Kambergers); Dehio Hessen, II, 2008, S. 601 (Erwähnung).

Nachweise

Fußnoten

  1. Seeliger-Zeiss 1983, S. 10; Elisabeth Hinz, Neckarsteinach – gestern und heute, Heidelberg 1992, S. 30, 32f.
  2. Demandt 1966, S. 64f. mit Anm. 252, weist darauf hin, dass dieser Bau bereits im frühen 9. Jh. als Wormser Eigenkirche gegründet worden sein könnte. Zur Orts- und Baugeschichte, wie sie im Folgenden referiert wird, s. Meyer 1931, S. 69f., Müller 1937, S. 489–496, Demandt 1966, S. 136, Nr. 167, Einsingbach 1969, I, S. 388, 389f., Seeliger-Zeiss 1983, S. 4f., und zuletzt Scholz, Bergstraße, 1994, S. XIXf., 52f., Nr. 68f.
  3. Chronik Blickers XIV. Landschad; zitiert nach Langendörfer 1971, S. 186.
  4. Zu den Ahnenwappen Blickers XIV. Landschad und Mias von Helmstatt an den Konsolen der Gewölberippen s. Seeliger-Zeiss 1983, S. 10.

Drucknachweis

Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen / Uwe Gast unter Mitwirkung von Ivo Rauch (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 1), Berlin 2011

Nachnutzung

Rechtehinweise

Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Ehemals Neckarsteinach · Pfarrkirche“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-objekte/114-1_ehemals-neckarsteinach-pfarrkirche> (aufgerufen am 26.11.2025)

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