Hl. Paulus (Erbach, Schloss)

 
Datierung
um 1480-1490
AEC416D7-3050-4A60-B27E-A826B70B90DD

Katalog

Von Uwe Gast

Abmessungen

Scheibenfragment, H. 30 cm, B. 17,9 cm. – Einhard-Kapelle, Fenster, 1AB.
Ort und Zeitpunkt des Erwerbs und der ursprüngliche Standort sind nicht überliefert; an seinem heutigen Ort ist das Fragment seit den 1850er-Jahren nachweisbar (s.o. S. 115).
Unpubliziert.

Inschrift

Im Nimbus in gotischer Minuskel: • s • paulus •

Erhaltung

In der Glassubstanz bis auf drei Sprünge und eine – zum Zeitpunkt der Untersuchung derb verkittete – Fehlstelle im Nimbus gut erhalten; die Bemalung auf dem witterungsresistenten Glas aber schlecht haftend und bereits zu größeren Teilen verloren.

Ikonografie, Komposition, Farbigkeit

Die Inschrift im gold-gelben Nimbus weist das Fragment als Rest eines Hl. Paulus aus, der über einem graugrünen Untergewand einen grauweißen Mantel trug. In Analogie zu den beiden vollständigen Figuren eines Hl. Petrus (Fig. 45) und eines Hl. Andreas in Baden-Baden bzw. Karlsruhe48 ist es zu einer Standfigur zu ergänzen, die, von der Figur eines Stifters begleitet, in einer Astwerkarkade erschien. Da Paulus sich nach links wendet, darf er vermutlich als das unmittelbare Gegenstück zu dem nach rechts gewandten Petrus mit einer Stifterin angesehen werden.

Technik, Stil, Datierung

Trotz der starken Bemalungsverluste ist leicht zu erkennen, dass der Hl. Paulus ursprünglich zu derselben Gruppe von Aposteln mit Stiftern gehört hat wie die erwähnten Figuren in Baden-Baden (Fig. 45) und Karlsruhe. Dafür spricht sein derb charakterisierter, flachschädeliger Kopf mit den ausgeprägten Augen- und Nasenfalten und dem dichten, wuscheligen Barthaar ebenso wie sein einst fein schraffiertes Gewand – Charakteristika, die alle auch bei Petrus begegnen49. In der Literatur wurden die in ganzer Figur erhaltenen Heiligen bisher am Ober- bzw. am Mittelrhein verortet – teils aufgrund irrtümlicher Herkunftsangaben, teils aufgrund von Vergleichen mit Denkmälern aus der Region. Ausgehend von den sie rahmenden Astwerkarkaden, deren runde, fleischige Blätter sich wie Hobelspäne einrollen – ein Formenapparat, der eher im südostdeutschen Raum zu finden ist (Nürnberg, Stadtpfarrkirche St. Lorenz, Chor n II, 3b und 3d, um 1476; ehemals München, Salvatorkirche, Farbverglasung vom Ende 15. Jh.)50 –, sei hier versuchsweise eine Lokalisierung der Gruppe nach Franken oder Bayern und eine Datierung in die Jahre um 1480/90 vorgeschlagen.

Bildnachweis

CVMA G 254 (MF), Dia (KB)

Nachweise

Fußnoten

  1. Hl. Petrus: Baden-Baden, Kloster Lichtenthal, Fürstenkapelle; Becksmann 1979, S. 12, Nr. 1. Hl. Andreas: Karlsruhe, Badisches Landesmuseum, Inv. Nr. C 6175; Schneider 1950, S. 57 und Taf. 24, Becksmann 1979, S. 78f., Nr. 38, Fig. 53, Abb. 96.
  2. Abweichend sind lediglich die Nimben, die bei Petrus und Andreas keine Inschrift aufweisen; bei Letzterem sind dafür die Formen von Buchstaben und Worttrennern im Spruchband des Stifters mit der vorliegenden Inschrift verwandt.
  3. Zum »Knorr-Fenster«: Eva Ulrich, Studien zur Nürnberger Glasmalerei des ausgehenden 15. Jahrhunderts (Erlanger Studien 23), Erlangen 1979, S. 121–164; Veit Funk, Glasfensterkunst in St. Lorenz, Nürnberg. Michael Wolgemut, Peter Hemmel von Andlau, Hans Baldung Grien, Albrecht Dürer, Nürnberg 1995, Abb. S. 49. – Zur ehemaligen Verglasung der Salvatorkirche s. Fischer 1997, bes. S. 45–47, 81–83.

Drucknachweis

Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen / Uwe Gast unter Mitwirkung von Ivo Rauch (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 1), Berlin 2011, 122 [= 30. Hl. Paulus]

Siehe auch

Extern

GND-Explorer (Objekt)

Nachnutzung

Rechtehinweise

Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Hl. Paulus (Erbach, Schloss)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/105-1-04-01_hl-paulus-erbach-schloss> (aufgerufen am 25.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/105-1-04-01

Hl. Paulus: ES [= Erhaltungsschema] Nr. 30Hl. Petrus. Baden-Baden, Kloster Lichtenthal, Fürstenkapelle. Franken/Bayern(?), um 1480/90.