Ereignis
Was geschah
Es gab in Europa eine lange Tradition, exotische Tiere in privaten Tiersammlungen auszustellen. Seit den vermehrten kolonialen Bestrebungen der europäischen Länder im 18. und 19. Jahrhundert sowie verbesserten Handelsbeziehungen und Schiffsverbindungen wurde die Einfuhr seltener Tiere einfacher. Waren die Tiere zunächst vor allem in privaten, oftmals fürstlichen, Menagerien gezeigt worden, entwickelten sich im 19. Jahrhundert die zoologischen Gärten, die sich vorrangig der Erforschung der Tiere widmeten. Daneben gab es zahlreiche Schausteller, die mit dressierten Wildtieren von Ort zu Ort zogen. Diese Wandermenagerien dienten einzig der Unterhaltung des Publikums.
Im Herbst/Winter 1862/63 gastierte die Menagerie des Innsbruckers Andreas Grubhofer in Hessen. Die Hauptattraktion war der „Königs-Elephant Jack aus Indien“, mit dem er schon seit einigen Jahren in ganz Deutschland auf Tournee war. Nachdem die Tierschau zunächst in Marburg auf dem Schuhmarkt präsentiert wurde, kam es auf der nächsten Station in Kirchhain am 13. Februar 1863 zu einem tragischen Vorfall. Der Elefant wurde plötzlich aggressiv und ließ sich nicht mehr beruhigen. Grubhofer entschied sich daher, „Jack“ töten zu lassen. Versuche, ihn zu vergiften, blieben erfolglos. Die daraufhin benachrichtigten Jäger benötigten mehr als 100 Schuss, bis sie ihr Werk verrichtet hatten. Anschließend verkaufte Grubhofer den Kadaver für 100 Taler an das Anatomische Institut der Universität Marburg. Heute ist das Skelett im Foyer des Fachbereichs Biologie der Philipps-Universität ausgestellt.
Über den Vorfall wurde ausführlich in der regionalen und überregionalen Presse berichtet. Den plötzlichen Ausbruch des Elefanten versuchten die Zeitgenossen damit zu erklären, dass sein Wärter aufgrund eines Unfalls monatelang abwesend gewesen war. Aus heutiger Sicht lag der Grund für sein Verhalten vermutlich in der „Musth“, einer meist jährlich vorkommenden Fortpflanzungsphase, die Elefantenbullen ab der Pubertät durchmachen und die durch Aggressivität geprägt ist.
(StF)
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Nachweise
Literatur
- Hans Wilhelm Bohle, Das Marburger Elefantenskelett. Seine Geschichte als Teil einer Geschichte der vergleichenden Anatomie zwischen Medizin und Zoologie, in: Tote Objekte – lebendige Geschichte, Petersberg 2014, S. 78-95
- Fundstück aus der Philipps-Universität Marburg und dem ISGV – im Mai 2021. Der Elefant „Jack“: Über die Wahrscheinlichkeit des Unwahrscheinlichen im wissenschaftlichen Arbeiten (eingesehen am 1.3.2023)
Weiterführende Informationen
- Zeitungsannonce, Beilage zur Wormser Zeitung Nr. 175 vom 2.11.1862 (eingesehen am 16.4.2025)
- Leserbrief, Wormser Zeitung Nr. 176 vom 4.11.1862 (eingesehen am 16.4.2025)
- Plakat, Zoologische Sammlung der Philipps-Universität Marburg, © Bildarchiv Foto Marburg / Foto: Rossel, Jonas (eingesehen am 16.4.2025)
- Zeitungsbericht über den Tod „Jacks“, Darmstädter Zeitung Nr. 56 vom 25.2.1863, S. 224 (eingesehen am 16.4.2025)
- Zeitungsbericht über die Vorfälle in Kirchhain, Nürnberger Beobachter Nr. 29 vom 12.3.1863, S. 118-119 (eingesehen am 16.4.2025)
- Skelett des indischen Elefanten „Jack“, Zoologische Sammlung der Philipps-Universität Marburg, Skelettsammlung, © Bildarchiv Foto Marburg / Foto: Scheidt, Thomas (eingesehen am 16.4.2025)
- Wikipedia: Musth (eingesehen am 1.2.2023)
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Rechtehinweise
Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Elefant Jack, 13. Februar 1863“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/7527_elefant-jack> (aufgerufen am 25.11.2025)
Kurzform der URL für Druckwerke
https://lagis.hessen.de/resolve/de/edbx/7527





