Propagandistische Darstellung der Pogrome in Frankfurt

 

Ereignis

Was geschah

Die in Dillenburg erscheinende „Dill-Zeitung“ berichtet in einem propagandistischen Artikel unter der Überschrift „Erhebung gegen Alljuda“ von den antijüdischen Aktionen in Frankfurt. Schon bald nach dem Eintreffen der Nachricht vom Tod des deutschen Diplomaten Ernst vom Rath in Paris habe sich „in allen Teilen der Stadt eine starke Volksbewegung bemerkbar“ gemacht. Tief erschüttert über dieses neue Opfer Judas sei es in der Stadt noch in der Nacht zu gewalttätigen Demonstrationen gekommen. Diese Volksbewegung habe in den Morgenstunden einen immer größeren Umfang angenommen. Auf den Straßen strömten Zehntausende zusammen, die gegen Mittag [des 10. November] in so unermeßlichen Scharen die Straßen füllten, daß der Fahrverkehr nur unter großen Schwierigkeiten aufrecht erhalten werden konnte. Die Menschenmasse forderten in ihren Rufen Rache für den jüdischen Meuchelmord in Paris und verlangten in ununterbrochenen Sprechchören die Entfernung der Juden aus Deutschland. Die jüdischen Geschäfte wurden von den Massen der aufs tiefste erregten Männer und Frauen gestürmt. Trotz der außerordentlich großen Erbitterung, die dem jüdischen Treiben ein für alle mal Einhalt gebieten wollte, kam es nirgendwo zu Plünderungen. Sämtliche Frankfurter Synagogen fielen der allgemeinen und von allen Bevölkerungsschichten getragenen mitreißenden Demonstration zum Opfer.
Der Artikel der Dill-Zeitung wurde in Inhalt und Form ohne Zweifel von einer Propagandastelle der NSDAP vorgegeben. Er erschien so oder in leicht abgewandelter Form vermutlich in zahlreichen anderen Tageszeitungen. Typisch für die Art der propagandistisch stark verfälschenden „Berichterstattung“ ist die „tiefe Erschütterung“ der gesamten Bevölkerung über den Mord an vom Rath, der sich steigernde „Volkszorn“ gegen die Juden, die insgesamt für diese Tat verantwortlich gemacht werden, und die Darstellung, dass jüdische Geschäfte und Synagogen aufgrund des durchaus gerechtfertigten Zorns von der Bevölkerung aller Schichten spontan angegriffen und zerstört worden seien. Bemerkenswert ist auch die Hervorhebung der Tatsache, dass es nirgendwo zu Plünderungen gekommen sei, womit für die Zerstörungen jede Bereicherungsabsicht in Abrede gestellt werden soll. Von der Zerstörung der Synagoge in Herborn am gleichen Tag wird in der Dill-Zeitung nicht berichtet.
(OV)

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Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Propagandistische Darstellung der Pogrome in Frankfurt, 11. November 1938“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/3397_propagandistische-darstellung-der-pogrome-in-frankfurt> (aufgerufen am 25.11.2025)

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