Prozesse gegen Marburger Studenten wegen Beteiligung an den „Morden von Mechterstädt“
Ereignis
Was geschah
Nachdem Mitglieder des Marburger Studentenkorps am 25. März 1920 15 gefangengenommene Arbeiter bei Mechterstädt erschossen hatten, kam es vom 15. bis 18. Juni 1920 vor dem Militärgericht in Marburg zu einem ersten Prozess gegen 14 zeitfreiwillige Studenten. Ihnen wurde rechtswidriger Waffengebrauch in Verbindung mit Totschlag vorgeworfen. Die Wahl des Verteidigers fiel auf Walter Luetgebrune (1879–1949), nachdem das Angebot von Max Alsberg (1877–1933), der zu den bekanntesten Strafverteidigern seiner Zeit gehörte, abgelehnt wurde, weil er Jude war.
Der Marburger Prozess endete mit einem Freispruch, der in demokratischen Kreisen Empörung und Kritik hervorrief. Kritisiert wurde unter anderem, dass die Angeklagten sich nicht in Untersuchungshaft befanden und ihre Aussagen untereinander abstimmen konnten, was insofern von Bedeutung war, da abgesehen von den Tätern keine Augenzeugen überlebt hatten. Es hatte außerdem Absprachen zwischen der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft gegeben, so wurden beispielsweise Fotografien der Getöteten nicht gezeigt. Das Gericht galt als voreingenommen und bestand ausschließlich aus Militärs.
Gegen das Urteil wurde sofort Berufung eingelegt. Da im August 1920 die Militärgerichtsbarkeit abgeschafft worden war, fand die zweite Verhandlung vom 13. bis zum 17. Dezember 1920 vor dem Kasseler Schwurgericht statt. Der Prozess lief ähnlich ab wie der erste in Marburg und endete ebenfalls mit einem Freispruch. Auch die Staatsanwaltschaft hatte den Freispruch gefordert und sich vor allem auf die entlastenden Aspekte konzentriert. Im Gegensatz zu den Aussagen der Zeugen wurden die der Angeklagten nicht angezweifelt.
Die Prozesse erregten große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Lokale und überregionale Zeitungen berichteten täglich über die aktuellen Entwicklungen. Auch im Reichstag kam das Urteil im Januar 1921 noch einmal zu Sprache.
(StF)
Bezugsrahmen
Nachweise
Literatur
- Bogislav von Selchow, Hundert Tage aus meinem Leben, Leipzig 1936
- Dietrich Heither / Adelheid Schulze, Die Morde von Mechterstädt 1920. Zur Geschichte rechtsradikaler Gewalt in Deutschland, Berlin 2015
- Bernhard Schröter, Marburger Studenten im Freikorps-Einsatz in Thüringen und die Ereignisse von Mechterstädt, Hilden 2023
Weiterführende Informationen
- „Der Arbeitermord von Thal.“, Vorwärts Nr. 303 vom 16.6.1920, Abend-Ausgabe (eingesehen am 3.11.2025)
- „Die Gefangenen-Erschießung in Thüringen“, Gießener Anzeiger Nr. 139 vom 16.6.1920, Erstes Blatt (eingesehen am 3.11.2025)
- „Die Gefangenenerschießung in Thüringen“, Gießener Anzeiger Nr. 142 vom 19.6.1920, Erstes Blatt (eingesehen am 3.11.2025)
- „Die Gefangenenerschießung in Thüringen“, Gießener Anzeiger Nr. 143 vom 21.6.1920, Erstes Blatt (eingesehen am 3.11.2025)
- „Zum Prozeß gegen die Marburger Zeitfreiwilligen.“, Gießener Anzeiger Nr. 144 vom 22.6.1920, Erstes Blatt (eingesehen am 3.11.2025)
- „Der Mord von Bad Thal vor Gericht.“, Freiheit Nr. 230 vom 17.6.1920, Morgen-Ausgabe (eingesehen am 3.11.2025)
- „Die Wahrheit über die Bluttat in Bad Thal.“, Freiheit Nr. 237 vom 21.6.1920, Abend-Ausgabe (eingesehen am 3.11.2025)
- „Hochschulnachrichten“, Gießener Anzeiger Nr. 158 vom 8.7.1920 (eingesehen am 6.11.2025)
- „Die Marburger Zeitfreiwilligen freigesprochen.“, Frankfurter Zeitung Nr. 937 vom 18.12.1920, Zweites Morgenblatt, S. 3 (eingesehen am 6.11.2025)
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Siehe auch
Nachnutzung
Rechtehinweise
Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Prozesse gegen Marburger Studenten wegen Beteiligung an den „Morden von Mechterstädt“, 15.-18. Juni 1920, 13.-17. Dezember 1920“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/1899_prozesse-gegen-marburger-studenten-wegen-beteiligung-an-den-morden-von-mechterstaedt> (aufgerufen am 25.11.2025)
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