Basisdaten
Schon im 8. Jahrhundert, zur Zeit der Karolinger, wird die freie und unabhängige Reichsabtei Hersfeld gegründet. Mit reichem Grundbesitz ausgestattet, entwickelt sie sich zu einem kulturellen und geistlichen Zentrum, von dem viele Klostergründungen ausgehen. Im Kampf mit den mächtigen Nachbarn, den Landgrafen von Hessen und der Abtei in Fulda verliert Hersfeld zunehmend an Einfluss und geht nach dem 30jährigen Krieg durch den Westfälischen Frieden im Fürstentum Hessen-Kassel auf. In der mächtigen Stiftsruine finden heute alljährlich die berühmten Bad Hersfelder Festspiele statt. Eine Schautafel am Eingang des ehemaligen Klosterbereiches zeigt die vielen Besitzungen und Niederlassungen in der Zeit des Mittelalters.
Orden
Benediktiner
Alte Diözesanzugehörigkeit
Erzbistum Mainz bis 968, dann bis zur Aufhebung im 17. Jahrhundert exemt
Typ
Männerkloster
Territorium
- 968: Hessengau (in pago Hassiae)
- Reichsabtei Hersfeld
- 1648-1803: Landgrafschaft Hessen-Kassel, vgl. Hersfeld
Historische Namensformen
- cenubium in loco que dicitur Haireulfisfelt super fluvium Fulda monasterium; (775) [HStAM Bestand Urk. 56 Nr. 2254 = [Urkundenbuch der Reichsabtei Hersfeld 1,1, S. 9-14, Nr. 5 und 6]
- monasterium ... Haruifisfelt (843) [HStAM Bestand Urk. 56 Nr. 22674
Geschichte
743 wird von dem Mönch Sturmius, einem Gefährten von Bonifatius in Hersfeld eine Einsiedelei, eine cella, gegründet, aber bereits ein Jahr später verlassen. Diesen Ort wählt der Mainzer Bischof Lul für seine Klostergründung aus und überträgt sie König Karl, dem späteren Karl dem Großen, 775. Der König sichert außerordentliche Rechte, wie freie Abtswahl zu, verleiht großzügige Besitzungen und stellt das Kloster unter seinen Schutz. Als Reichskloster hat Hersfeld besondere Verpflichtungen wie die Beherbergung der Herrscher bei ihrem Königsumritt und die Teilnahme an den Reichstagen. Um 780 werden die Gebeine des heiligen Wigberts von Fritzlar nach Hersfeld übertragen, 850 erfolgt die Weihe der neuen Wigbertskirche.
Im Breviarum Lulli, einem Güterverzeichnis von 815, sind die zahlreichen Stiftungen und Schenkungen der Gründungszeit, in fast 200 Orten, verzeichnet. Verwaltet wird dieser sehr ausgedehnte Streubesitz mit Hilfe eines Vogtes, zusammenhängender Grundbesitz findet sich um Hersfeld, Niederaula, Dorndorf und Breitungen. 843 erhält Hersfeld "Immunität" verliehen. Die Klosterschule steht in hohem Ansehen und eine stattliche Bibliothek wird eingerichtet. Auf Anregung Kaiser Ottos des Großen wird der Abtei 968 die endgültige Exemtion und damit Unterstellung unter das Papsttum bestätigt. 1003 verleiht König Heinrich II. das Forst- und Jagdrecht im als „Eherinevirst“ bezeichneten Bezirk und dringt auf eine Reform des Klosterlebens. Sein Vertrauter Godehard reformiert in sieben Jahren die Abtei, 1015 wird ihr durch Kaiser Heinrich II. das Kloster Memleben unterstellt.
Das Amt der Vögte, die nach einer Erblichkeit des Titels für ihre Familie streben, übt im 11. Jahrhundert die Familie der Gisonen aus, über die es an die Landgrafen von Hessen fällt. Mit dem Bau von Burgen, zum Teil auf hersfeldischem Gebiet, versuchen diese ihren Einfluss zu verstärken, wogegen sich die Äbte in jahrhundertelangen Konflikten verwahren. In weiteren Auseinandersetzungen und Kämpfen verlieren sie gegen die Grafen von Schwarzburg die Stadt Arnstadt, gegen die Erzbischöfe von Mainz ihren Besitz im Mainzer Raum bis auf Ingelheim. Von hier bezieht das Kloster bis 1606 seinen notwendigen Wein.
1038 zerstört ein Brand große Teile der Klosteranlage, die in rund hundert Jahren wiederaufgebaut wird. In der neuen dreischiffigen Basilika werden in der Krypta die Klosterpatrone Lul und Wigbert begraben.
Mit der Stadt kämpfen die Äbte ebenfalls um Einfluss und Besitz. Das Bürgertum erstrebt eine Befreiung von der Klostervormundschaft, die Äbte versuchen ihre Territorialmacht zu sichern. 1378, am Vitalistag, fallen vom Kloster beauftragte Ritter über die Stadt her, werden aber vertrieben. Die Stadtbevölkerung plündert daraufhin den Klosterbereich, Konvent und Abt flüchten. Beide Parteien wenden sich an den hessischen Landgrafen, der seine Schlichterrolle zum Ausbau seines eigenen Einflusses nutzt. 1432 begibt sich die Reichsabtei unter die Schutzherrschaft der hessischen Landgrafen.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts versucht Abt Volpert die politische Bedeutung des geistlichen Fürstentums zu stärken. Er schließt einen Geheimvertrag mit der Abtei in Fulda ab, mit der die Inkorporation, also Vereinigung vollzogen werden sollte. Sowohl Kaiser Maximilian als auch der Papst stimmen dem Vorhaben zu. Bauernkrieg und Reformation zerstören den Plan. Luthers Lehre findet im Stift und in der Stadt schnell Anhänger
1606 nach dem Tode des letzten Abtes, Joachim Röll, übernimmt Landgraf Otto von Hessen als weltlicher Administrator die Reichsabtei. 1628 wird sie vom habsburgischen Erzherzog Leopold Wilhelm besetzt, 1631 von hessischen Truppen. Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges endet auch die Selbständigkeit der Fürstabtei Hersfeld, in der seit 1606 kein klösterliches Leben mehr existierte. Der Westfälische Friede von 1648 bestimmt, dass das Kloster mit seinem gesamten Besitz als weltliches Fürstentum (Reichslehen) an die Landgrafschaft Hessen-Kassel geht.
Gründungsjahr
743
Gründer
Sturmius
Aufhebungsjahr
1606-1648
Organisation
Die Größe des Konventes betrug bei der Beisetzung Lulls um 786 150 Mönche.
Patrozinien
Simon und Judas Thaddaeus, dann (etwa 780) Wigbertus
Archivgeschichte
Archiv im Staatsarchiv Marburg (vgl. Wenck, Hessische Landesgeschichte 2, S. 281).
Besitz
Die Besitzungen liegen nach dem Breviarum Lulli (815) im Bereich Thüringens, in der Wetterau und als Streubesitz in anderen Reichsgauen, also in einem Bereich zwischen Main, Saale und Unstrut. S. hierzu die Karte aus dem Geschichtlichen Atlas Hessen Nr. 9. In 1285 Orten lässt sich Besitz nachweisen, in einem Gebiet von einer Ost-Westausdehnung von 460 km und einer Nord-Süd-Ausdehnung von 340 km. Karten mit zeitlichen Zuordnungen finden sich sehr differenziert in Fleck, Engel, Deiß, Die territoriale Entwicklung der Reichsabtei Hersfeld.
Niederlassungen
Zur Sicherung des Einflusses gründet die Reichsabtei Hersfeld Propsteien in
Arnstadt, Blankenheim, Cornberg, Frauensee, Frauenbreitungen, Göllingen, Herrenbreitungen, Johannesberg, Kölleda, Kreuzberg, Memleben, Ohrdruf, Petersberg
Ausstattung
Gebäude
Kirche und Stiftsgebäude werden 1761 durch französische Truppen im Siebenjährigen Krieg in Brand gesteckt, die Kirche ist noch heute als Ruine erhalten. Zur Ausstattung mit mittelalterlichen Glasfenstern vgl. Hersfeld · Benediktinerklosterkirche
Nachweise
Arcinsys Hessen
Quellen
- Archiv im Staatsarchiv Marburg (vgl. Wenck, Hessische Landesgeschichte 2, S. 281): A. Urkunden. des Stiftsarchivs. Ebenda: Generalrepertorium. Verträge zwischen Hessen und H., päpstl. Bullen und Privilegien, Lehnreverse
- Stand 2004 bei Burkhardt, Klüßendorf u. a., Artikel Hersfeld, in: Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Hessen, S. S. 609 - 610
Gedruckte Quellen
- Stand von 1940 bei Dersch, Klosterbuch, S. 74 - 80
Literatur
- Mense, Mittelalterliche Bildwelten
- Fleck, Engel, Deiß, Territoriale Entwicklung der Reichabtei Hersfeld
- Stand 2004 bei Burkhardt, Klüßendorf u. a., Artikel Hersfeld, in: Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Hessen, S. 589-629
- Denkmaltopographie Landkreis Hersfeld Rotenburg III, Stadt Bad Hersfeld, S. 78-79, S. 89-90, S. 123-143
- Stand von 1940 bei Dersch, Klosterbuch, S. 74 - 80
Germania Sacra-ID
GND-Nummer
Siehe auch
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Rechtehinweise
Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Hersfeld, Benediktinerkloster“, in: Klöster und Orden <https://lagis.hessen.de/de/orte/kloester-und-orden/alle-eintraege/7736_hersfeld-benediktinerkloster> (aufgerufen am 25.11.2025)
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