Basisdaten
In Marburg existiert von 1476 bis 1527 eine Gemeinschaft der Brüder vom Gemeinsamen Leben, nach ihrer Kopfbedeckung "Kugelherren" genannt. Sie leben in einer Art Klostergemeinschaft, legen aber keine Mönchsgelübde ab. 1515 wird mit dem Bau der spätgotischen Kirche begonnen, die heute durch eine katholische Gemeinde genutzt wird.
Orden
Brüder vom Gemeinsamen Leben (Kugelherren)
Ordensprovinz
Münsterisches Kolloquium
Alte Diözesanzugehörigkeit
Kirchenprovinz Mainz, Erzbistum Mainz, Archidiakonat St.Stephan Mainz, Dekanat Amöneburg
Typ
Kollegiatstift
Territorium
- Landgrafschaft Hessen
Benennung der Institution in den Quellen
Kugelhaus (zum Löwenbach, ad rivum Leonis) der Brüder vom gemeinsamen Leben (Fraterherrn)
Historische Namensformen
- geistlichen und ersamen priesteren, cleriken und bruederen des lebens (1476) [Abschrift 1481 Klosterarchive 4: Die oberhessischen Klöster 2, Texte, S. 373-374, Nr. Ia (Regest Nr. 341)]
- [...]Pater [...] und gemeyne brüder des fraterhuses zu Lebenbach bynnen Marpurg by der Barfussen pforten gelegen (1481) [UniA Marburg Bestand Urk. 91 Nr. 195]
Benennung der Institution
Ordenskürzel CRVC für Canonici Regulares Sancti Augustini Fratrum a Vita Communi,
Lage
Das Konventsgebäude und die Kirche liegen am westlichen Rand der Stadt zwischen der Barfüßerstraße und dem Kalbstor, Kugelgasse 10.
Geschichte
Das Kloster wird durch ein vermögendes Marburger Ehepaar, Heinrich Imhof, genannt Rohde und seine zweite Frau Elisabeth aus dem oberhessischen Adelsgeschlecht der von Treisbach gegründet. Da sie keine Kinder haben, möchten sie ihren Besitz in eine geistliche Stiftung einbringen. Dies genehmigt 1476 der hessische Landgraf Heinrich III. Vorbild für das Haus, in dem geistliche und weltliche Personen gemeinsam leben sollen, ist die niederländische Reformgemeinschaft der „Brüder vom Gemeinsamen Leben“. Sie tragen eine kegelförmige Kappe, wie sie die einfache Landbevölkerung hat und werden deshalb Kugelherren genannt. Die ersten drei Mönche kommen aus einem Münsteraner Kloster, erhalten von den Imhofs ein Haus als Wohnsitz. Im Kirchenneubau werden bereits 1482 die ersten Altäre geweiht, 1485 der östliche Teil des Friedhofs. Das Vollendungsdatum von 1485 bleibt umstritten. 1491 beginnen die Mönche mit der Errichtung des Konventsgebäudes, woran ein Stein in der südöstlichen Ecke der Außenmauer noch heute erinnert.
Der Stifter Heinrich Imhof dient als Schöffe der Stadt Marburg spätestens seit 1447 bis zu seinem Tode. Seinen Besitz in Marburg vergrößert er systematisch zwischen der Kalbspforte und dem Barfüßertor und überlässt ihn den Kugelherren. Landgraf Heinrich III. befreit das Kloster von Abgaben an die Stadt. Berühmt wird die Schule der Kugelherren, in der auch Landgraf Philipp unterrichtet wird. In der Tradition des Humanismus widmen sich die Mönche dem Studium antiker Schriften und der Bibel im Urtext.
Zum Eigentum des Klosters gehören neben Besitz in fast sechzig Orten auch die Urkunden der Familie Imhof. Die umfangreiche Bautätigkeit wird durch Bücher abschreiben, eine Schule und Geldgeschäfte, wie Kreditvergaben und Rentenverkäufe finanziert. Mit Schuldnern führt das Kloster zahlreiche Prozesse vor dem Marburger Hofgericht. Die Schule wird von adligen und bürgerlichen Söhnen besucht, genießt einen guten Ruf.
1527 wird über die Auflösung des Klosters zwischen dem Konvent und einer landgräflichen Kommission verhandelt. Der letzte Prokurator, Johann Tenner, wird nach 21 Jahren Tätigkeit im Kloster der erste Verwalter der landgräflichen Kugelhausvogtei und Ökonom der neu gegründeten Universität. Diese übernimmt 1533 die Gebäude, 1540 auch die Besitzungen und Einkünfte des Kugelhauses, die Mönche werden entschädigt.
Ersterwähnung
1476
Gründungsjahr
1476
Gründer
Magister Heinrich Imhof gen. Rode
Aufhebungsjahr
1527
Organisation
Die Mönche nennen die Niederlassung „Fraterhaus zum Löwenbach“ und beziehen sich damit auf das Imhofsche Wappen, das einen Löwen zeigt. 1514 gehören acht Personen, bei Auflösung 12 Brüder zum Konvent. Ein aus der Gemeinschaft gewählter Prokurator steht an der Spitze. Sie leben als Mönche zusammen, ohne die geistlichen Gelübde abgelegt zu haben.
Patrozinien
Johannes Evangelista, Jacobus und Anna
Bibliotheksgeschichte
Bibliotheksreste in den Bibliotheken von Kassel, Gießen und Marburg; vgl. Zedler, UB Marburg 8. 10. 12. 14ff.
Besitz
Eine Jahresabrechnung von 1541, die sich heute im Universitätsarchiv in Marburg befindet, bietet eine Übersicht zum Besitz des Klosters in den heutigen Kreisen Marburg-Biedenkopf, Gießen und Wetzlar: Altenbracht, Allna, Altenvers, Ammenhausen, Amöneburg, Anzefahr, Bellnhausen, Betziesdorf, Bracht, Breidenbach, Bürgeln, Cölbe, Damm, Diedenhausen, Dilschhausen, Ebsdorf, Elnhausen/Obernhausen, Fronhausen, Goßfelden, Großseelheim, Großen-Buseck, Hachborn, Hassenhausen, Hommertshausen, Ilschhausen, Kehna, Kirchvers, Kleinseelheim, Lixfeld, Lohra, Marburg, Mardorf, Michelbach, Moischt, Nanzhausen, Nesselbrunn, Niederhörlen, Niederwald, Niederwalgern, Niederweimar, Oberdieten, Oberhörlen, Oberrosphe, Oberwalgern, Oberweimar, Ockershausen, Reddehausen, Rodenhausen, Rollshausen, Roth, Rüchenbach, Sarnau, Schönbach, Schönstadt, Schröck, Sichertshausen, Sindersfeld, Sinkershausen, Sterzhausen, Treisbach, Unter-, Niedernhausen, Unterrosphe, Wallau, Wehrda, Weiershausen, Weidenhausen, Wißmar, Wittelsberg Besitz in Orten, der 1541 nicht mehr als Kugelhausbesitz bezeugt ist (Eckhardt S. 132) Allendorf, Altenbracht, Cyriaxweimar, Eckelshausen, Elmshausen, Engelbach, Friedensdorf, Göttingen, Holzhausen, Krofdorf, Leidenhofen, Leun, Niedernbiel, Oberndorf, Obernhain, Rimershausen, Roßdorf, Salzböden, Stausebach, Treis an der Lumbda, Wiesecker Aue, Wolfgruben
Ausstattung
Gebäude
1527 für die theologische Fakultät und Stipendiatenanstalt (Propstei) eingerichtet. 1627 an Marburg, 1650 an Gießen, 1767 von Hessen-Kassel wieder eingelöst, seit 1853 Amtsgericht, seit 1894 Seminar für historische Hilfswissenschaften. Kirche wiederholt als Raum für die Universitätsbibliothek in Vorschlag gebracht (16. bis 19. Jahrhundert) 1687 der französisch-reformierten Gemeinde, 1827 der katholischen Gemeinde überlassen.
Nachweise
Arcinsys Hessen
Quellen
- Archiv im Staatsarchiv Marburg: Urkunden. Ebenda: Universitätsarchiv, Urkunden, Stadt Marburg, Urkunden, Deutscher Orden, Urkunden. Samthofgerichtsakten F 103. 104. G 177. K 282. Fragmenta actorum 33, 17. 42, 38. Kirchensachen, Generalia, Inventar. Gießen, Universitätsbibliothek: Hs. 34 c (Urkundenregister der Kugelhaus-Vogtei). Universitätsarchiv, Urkunden.
Gedruckte Quellen
- Eckhardt, oberhessische Klöster, S.73-254
- Monasticon Fratrum Vitae Communis, Bd. 2 Deutschland, S. 147-150
- Der Stand von 1940 bei Dersch, Klosterbuch, S. 112
Literatur
- Heinemeyer, Marburger Kugelherren als Wegbereiter der Universität
- Monasticon Fratrum Vitae Communis, Bd. 2 Deutschland, S. 147-165
- Eckhardt, Besitz und Einkünfte der Kugelherren in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd.17, 1967, S.112-137
- Der Stand von 1940 bei Dersch, Klosterbuch, S. 113f
Germania Sacra-ID
GND-Nummer Bauwerk
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Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Marburg, Kugelhaus“, in: Klöster und Orden <https://lagis.hessen.de/de/orte/kloester-und-orden/alle-eintraege/10646_marburg-kugelhaus> (aufgerufen am 26.11.2025)
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