Reichensachsen

Die Lage von Reichensachsen im Orthofoto
Siedlung
Ortstyp
Dorf
Lagebezug
6 km südwestlich der Stadtmitte von Eschwege gelegen
Lage und Verkehrslage
Geschlossenes Dorf mit ursprünglich einfachem, langgezogenem Grundriss an der Mündung des Leimbachs in die Wehre. Siedlungsentwicklung entlang der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Landstraße (B 452) und des parallel führenden Steinwegs, die sich am südlichen Rand der Ortslage teilen und im Norden wieder zusammenlaufen. Sogenanntes Schloss mit Wirtschafts- und Wohngebäuden im Westen (Eschweger Hof 1-7) in der Nähe der Pfarrkirche, ehemaliger Boyneburgischer Gutshof im Osten (Langenhainer Str. 5). Moderne Siedlungsentwiclung östlich der Landstraße Bahnhof bzw. Haltepunk der Strecke Bebra – Friedland („Bebra-Friedländer-Bahn“; „Werratalbahn III“) (Inbetriebnahme der Strecke 31.10.1875). Auflösung des Haltepunkts Reichensachsen West 1985
Ersterwähnung
1253
Siedlungsentwicklung
1928 erfolgt die Eingemeindung von Teilen des aufgelösten Gutsbezirks Vogelsburg.
Historische Namensformen
- Sassen, de (1253) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 345, Nr. 883]
- Sassen, de (1262) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 348, Nr. 890]
- Sayssen (1320) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra S. 375, Nr. 956]
- Sassen, in (1339) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra S. 28-29, Nr. 60]
- Richensaczen (1355) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra 545]
- Rychensassin, zu den (1369) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 451 f., Nr. 1166]
- Richinsassin, zu den (1369) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 452, Nr. 1167]
- Sassen, in; Rychinsassen, in et extra; Ryechensassen, in; Richinsassen, in; Saßin; Richin Sassin, zu den (um 1376) [Vogtherr, Ältestes Lehnbuch der Landgrafschaft Hessen, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 37 (1987), S. 25-71, hier S. 66 (Register)]
- Richensassen (1443) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 235, Nr. 627]
- Richensachsen (1493) [Klosterarchive 1: Klöster an der Werra, S. 267, Nr. 706]
- Reiche[n]sachsen (1585) [Der ökonomische Staat, S. 79]
- Reichen Saxen (1708/10) [Schleenstein, Landesaufnahme, Karte Nr. 12]
Bezeichnung der Siedlung
- ville (1320)
- Mengedorf (1654)
Ortsteile
Reichensachsen und Vierbach (01.10.1971 - 27.01.1976)
Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung
Burgen und Befestigungen
Umlegung der Flur
1900, 1906, 1911/1912
Älteste Gemarkungskarte
1788
Koordinaten
Gauß-Krüger: 3569935, 5669003
UTM: 32 U 569833 5667175
WGS84: 51.151756° N, 9.998477° O
Statistik
Ortskennziffer
636014040
Flächennutzungsstatistik
- 1885 (Hektar): 1362, davon 890 Acker (= 65.35 %), 84 Wiesen (= 6.17 %), 287 Holzungen (= 21.07 %)
- 1961 (Hektar): 1371, davon 396 Wald (= 28.88 %)
Einwohnerstatistik
- 1585: 150 Haushaltungen mit ca. 750 Einwohnern (Der ökonomische Staat)
- 1745: 210 Haushaltungen
- Gewerbetreibende: 3 Müller, 7 Wirte, 4 Branntweinbrenner, 9 Schneider, 9 Schuster, 5 Schmiede, 7 Metzger und Schlächter, 4 Weißbinder, 4 Wagner, 3 Zimmerleute, 3 Maurer, 2 Bender, 1 Sattler, 1 Sälzer, 8 Schreiner und Glaser, 14 Leinweber, 8 Krämer und Garnhändler (HStAM Bestand 49 d Nr. Eschwege 512)
- 1747: 203 Haushaltungen (Stadt- und Dorfbuch des Ober- und Niederfürstentums Hessen)
- 1885: 1657, davon 1525 evangelisch (= 92.03 %), 14 katholisch (= 0.84 %), 118 Juden (= 7.12 %)
- 1961: 2702, davon 2374 evangelisch (= 87.86 %), 265 katholisch (= 9.81 %)
- 1970: 2749
- Um 1987: 3212
Diagramme
Verfassung
Verwaltungsbezirk
- 1460: Landgrafschaft Hessen, Amt Eschwege, Gericht Boyneburg
- 1585: Landgrafschaft Hessen, Niederfürstentum, Amt Eschwege, Gericht Boyneburg
- 1654: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Niederhessen, Amt Bischhausen
- 1787: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Niederhessen, Amt Bischhausen
- 1803-1806: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Bischhausen
- 1807-1813: Königreich Westphalen, Departement der Werra, Distrikt Eschwege, Kanton Reichensachsen
- 1814-1821: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Bischhausen
- 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Eschwege
- 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Eschwege
- 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Eschwege
- 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Eschwege
- 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Eschwege
- 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Eschwege
- 1974: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Werra-Meißner-Kreis
Altkreis
Eschwege
Gemeindeentwicklung
Am 1.10.1971 erfolgte im Zuge der hessischen Gebietsreform die Eingliederung der Gemeinde Vierbach in die Gemeinde Reichensachsen bei. Dieses wurde am 31.12.1971 Ortsteil und Gemeindeverwaltungssitz der Gemeinde Wehretal, allerdings ab 28.1.1976 ohne Vierbach, das den Status eines eigenen Ortsteils erhielt.
Gericht
- Gericht Boyneburg
- 1822: Justizamt Eschwege
- 1834: Justizamt Eschwege II
- 1867: Amtsgericht Eschwege
- 1879: Amtsgericht Eschwege
Herrschaft
Hessen, Landgrafen 1369 stimmt Landgraf Heinrich stimmt dem Verkauf von Reichensachsen durch Ritter Hermann von Boyneburg an das Kloster Germerode zu. Das Dorf gehört denen von Boyneburg, die es mit dem Gericht Boyneburg von den Landgrafen von Hessen zu Lehen nehmen. Die von Eschwege erhalten 1436 erworbene Güter u.a. in Reichensachsen von den Landgrafen als Lehen zurück und erwerben dort weitere Güter und Rechte. Streitigkeiten zwischen denen von Boyneburg und Eschwege werden 1545 dahingehend geschlichtet, dass die von Boyneburg 3/4 und die von Eschwege 1/4 des Rügegerichts ausüben sollten, die peinliche Gerichtsbarkeit jedoch denen von Boyneburg verblieb. 1590 errichtet die Familie der von Eschwege einen repräsentativen Gutshof. Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts sind zahlreiche Burglehen in Reichensachsen von den Landgrafen auch an andere Lehnsmänner ausgetan.- 1602 überlassen die Landgrafen denen von Boyneburg die Peinliche Gerichtsbarkeit, zumal Hessen ohnehin nur über 10 % der Hausgessenen verfügen. Als größter Ort im Gericht Boyneburg ist Reichensachsen einziges Samtdorf mit Besitzungen und Berechtigungen aller boyneburgischen Familien. Da diese Orts- und Gerichtsherrschaft zunächst vollständig in ihren Händen halten, ist es Hauptort des boyneburgischen Territoriums und Sitz des zentralen Hauptgerichts.
- 1650 kommt es zur Veräußerung boyneburgscher Lehngüter (sogenannte bemmelbergische Anteile) u.a. in Reichensachsen an Hessen, wodurch die Landgrafen stärker an der Ortsherrschaft partizipieren und versuchen Einfluss auf das Gericht Boyneburg geltend zu machen. 1654 und 1753 ist Reichensachsen als sogenanntes Mengedorf dreiherrig: hessen-rotenburgisch, boyneburgisch und eschwegisch.
Besitz
Grundherrschaft und Grundbesitzer
- 1328 erhält das Kloster Cornberg von dem hersfelder Bürger Günther Horrewagen Einkünfte in Reichensachsen. Das Kloster hat bis zur seiner Auflösung 1525 dort Besitz.
Cyriacusstift Eschwege 1339 erhält die Benediktinerinnen St. Cyriacus in Eschwege zur Dotation der Johanneskapelle von der Witwe Walters von Hundeslhausen eine Hufe zu Wassenhausen mit dazugehörigem Hof in Reichensachsen. Nach dem Weistum von 1436 ist der Besitz noch vorhanden.Augustinerkloster Eschwege 1356 stiften Hermann von Boyneburg der Ältere und sein Bruder Heimbrod und Hermann von Boyneburg der Jüngere und seine Brüder durch Liegenschaften in Reichensachsen ein Seelgerät bei Prior und Konvent des Augustinerklosters in Eschwege.Germerode, Kloster 1369 veräußern die von Boyneburg Einkünfte in Reichensachsen an das Kloster Germerode, die diesem bis zur Auflösung des Klosters zufallen.von Eschwege 1463 erwerben Reinhard von Honstein und Herting von Eschwege Höfe, Schaftrift und Wasserrechte in der Gemarkung Reichensachsen von der Familien Thamsbrück.
Kirche und Religion
Ortskirchen
- Plebanus (1253)
- Vikar (1495)
- Romanischer Westturm aus Sandsteinquadern mit spätgotischem Turmhelm, Saalbau mit dreiseitigem Schluss und Mansarddach von 1773
Patrozinien
- Petrus (1443)
- Maria (1495)
Pfarrzugehörigkeit
1585 wird Wipperode genannt. Zur protestantischen Pfarrei der Klasse Eschwege zählte 1872 Langenhain als beständiges Vikariat. Diese wird 1986 in das Kirchspiel Oetmannshausen umgepfarrt.
Patronat
1585 pauschal bei der Familie Boyneburg, liegt das Patronat 1660 nicht in den Händen der Familie von Boyneburg-Hohenstein, sondern wird von den Boyneburg-Bischhausen und Ladenbach und denen von Bemmelberg gemeinsam mit Hessen ausgeübt.
Diakonische Einrichtungen
1889 Diakonissen vom Vaterländischen Frauenverein in Eschwege werden angestellt; Betreuung durch den Jungfrauenverein; 1898 Gründung einer Schwesternstation im sog. "Siechenhaus", Langenhainer Straße 6 durch den Vaterländischen Frauenverein in Reichensachsen; 1905 Umzug Diakonissenstation ins Hospital; Rudolf Francke, Die christliche Liebestätigkeit in Kurhessen. Kassel 1904; nach Sardemann, Geschichte des hessischen Diakonissenhauses zu Cassel, S. 328-329 Kinderschule, Krankenpflege, Näh- und Strickschule, Vereinsarbeit; Diakoniestation bis 1979 (Landeskirchliches Archiv Kassel, Findbuch G 2.6. Kurhessisches Diakonissenhaus)
Bekenntniswechsel
Erster nachweisbarer evangelischer Pfarrer: Johannes Schade bis 1562
Reformierter Bekenntniswechsel, unter hessen-darmstädtischer Herrschaft 1627-1635 lutherisch, nach 1635 wieder reformiert.
Kirchliche Mittelbehörden
1262: Mainzisches Archidiakonat Heiligenstadt, Archipresbyterat Niederhone Die protestantische Pfarrei gehört 1872 zur Klasse Eschwege.
Juden
Provinzial Rabbinat Kassel, seit 1905 Wichmannshausen angeschlossen.
1835: 141; 1861: 236; 1905: 106; 1932/33: 86 Juden. Nach 1933 wanderten 48 Juden aus, 14 verstarben und 33 wurden deportiert.
Seit dem 18. Jahrhundert nahmen die Herren von Boyneburg Schutzjuden auf. 1729 wohl die Ersterwähnung.
Die Synagoge befand sich in der Herrengasse 142.
Eine Israelitische Elementarschule bestand bis 1933. Sie bestand mindestens seit 1868.
Die meisten Juden waren im örtlichen Handwerk und Viehhandel tätig.
Im Ort gab es einen jüdischen Friedhof. Er liegt schwer erreichbar 2 Kilometer außerhalb des Ortes. (
Kultur
Schulen
1636 Bau einer Schule in der Angergasse
1830 Neubau einer Schule nach Abriss der alten; 1872 Bau einer weiteren Schule
1910 Volksschule mit fünf Klassen
1914 Errichtung eines Schulgebäudess für 6 Klassen zu je 70 Kindern und einer Schuldienerwohnung
Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles)
Wirtschaft
Ursprünglich überwiegend Land- und Mühlenwirtschaft, Handwerk und Leinenweberei
Mühlen
Nachweise
Literatur
- Reichensachsen. Ein Heimatbuch, hrsg. zur 750-Jahr-Feier 1253-2003
- Diehl, Adelsherrschaft im Werraraum, S. 105-106
- Scholz, Wasser- und Windmühlen Werra-Meißner-Kreis, S. 144
- Knappe, Burgen in Hessen, S. 68
- Historisches Ortslexikon Kurhessen, S. 416 (Sachsen)
- Denkmaltopographie Werra-Meißner-Kreis 1, S. 612-633
- Hütteroth, althessische Pfarrer, S. 532
- Diehl, Pfarrer- und Schulmeisterbuch für die acquirierten Lande und die verlorenen Gebiete, S. 386
- Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen: Anfang, Untergang, Neubeginn, Bd. 2, S. 215f.
Siehe auch
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„Reichensachsen, Werra-Meißner-Kreis“, in: Historisches Ortslexikon <https://lagis.hessen.de/de/orte/historisches-ortslexikon/alle-eintraege/6714_reichensachsen> (aufgerufen am 25.11.2025)
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