Kirchditmold

Die Lage von Kirchditmold im Orthofoto
Siedlung
Ortstyp
Dorf
Lagebezug
3,5 km nordwestlich von Kassel
Lage und Verkehrslage
Stadtteil am westlichen Rand von Kassel am Fuße des Habichtswaldes am Südhang des Lindenbergs. Kirche auf einer Anhöhe über einer Quelle. Das Dorf mit geringer Siedlungsdichte erfuhr Ende des 19. Jahrhunderts durch die Industrialisierung der Region starken Bevölkerungszuwachs und rege Bautätigkeit mit Erweiterungen in nahezu alle Richtungen. Nach 1933 und im Zweiten Weltkrieg wurden Baracken- und Zwangsarbeiterlager in der Gemarkung von Kirchditmold angelegt. Nach dem Krieg wuchs Kirchditmold mit den westlich von Kassel gelegenen Dörfern Wahlershausen und Harleshausen zusammen.
Ersterwähnung
1019
Siedlungsentwicklung
Kirchditmold ist einer der alten Siedlungsplätze des Kasseler Beckens und der Kasseler Landschaft und verfügte vermutlich bereits in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhundert über eine Kirche bzw. Kapelle, von der aus die Missionierung des Raumes ausgegangen sein dürfte. Als Ersatz für das alte Gebäude wurde um 1000 unweit eine zweite, größere Kirche errichtet. Dieser mittelalterliche Bau befand sich auf dem Gelände der heutigen Friedrich-List-Schule zwischen Zentgrafenstraße und Kapellenweg. Der älteste Teil des Dorfes befand sich im Bereich um den Anger an der Brunnenstraße. Der Gerichtsplatz lag auf dem Kratzenberg. Mit der Neuerrichtung der Evangelischen Pfarrkirche in die Schanzenstraße erfolgt Ende des 18. Jahrhunderts eine leichte Siedlungskernverschiebung nach Westen.
1928: Eingemeindung des Gutsbezirks Oberförsterei Kirchditmold in die Stadt Kassel.
Vorbemerkung Historische Namensformen
Die frühen Belege ohne Zusatz beziehen sich zweifellos auf Kirch- und nicht auf Rothenditmold.
Historische Namensformen
- Diethmelle, in (vor 1019) [um 1077/78 entstandene Vita, in: Monumenta Germaniae Historica Scriptores 10, S. 601 = Leben des heiligen Heimerad, hrsg. und übersetzt von M. Fleck, S. , S. 100 f.]
- Thiedmali, in; Thiethmali, in (1081) [Fälschungen um 1100 HStAM Bestand Urk. 27 Nr. 585 und HStAM Bestand Urk. 27 Nr. 586. Druck UB Mainz 1, S. 253-258, Nr. 358]
- Deithmelle, in (1123) [HStAM Bestand Urk. 27 Nr. 591; Druck: Mainzer Urkundenbuch 1, S. 417-420, Nr. 514]
- Thietmelle, de (1143) [UB Mainz 2,1, S. 87-89, Nr. 45]
- Dietmelle, de (1146) [HStAM Bestand Urk. 56 Nr. 2337; Druck Wenck, Hessische Landesgeschichte 3, Urkundenbuch S. 69-70, Nr. 69]
- Ditmellę (1170) [UB Mainz 2,1, S. 553-554, Nr. 325]
- Dytmelle (1247) [Landgrafen-Regesten online Nr. 19]
- Dithmelde (1306) [Roques, Urkundenbuch Kloster Kaufungen 1, Nr. 105]
- Kirgdidmelle, in (1333) [HStAM Bestand Urk. 27 Nr. 172]
- Kirchdithmele, in (1348) [Klosterarchive 2: Klöster, Stifter und Hospitäler der Stadt Kassel und Kloster Weißenstein, S. 72-73, Nr. 183]
- Kirchditmol (1358) [Klosterarchive 2: Klöster, Stifter und Hospitäler der Stadt Kassel und Kloster Weißenstein, Nr. 223]
- Ditmol (1418) [Roques, Urkundenbuch Kloster Kaufungen 1, Nr. 105]
- Kirchdietmol (1457-1459) [HStAM Bestand S Nr. 411]
- Kirchditmol (1585) [Der ökonomische Staat, S. 77]
- Kirchditmold (1708/10) [Schleenstein, Landesaufnahme, Karte Nr. 1]
Bezeichnung der Siedlung
- villa (vor 1019)
- incolę de Thietmelle, qui vulgo dicuntur merchere (1143)
- villa Dytmelle genannt das uberste gerichte (1247)
Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung
Umlegung der Flur
1889
Älteste Gemarkungskarte
1686
Koordinaten
Gauß-Krüger: 3531316, 5687658
UTM: 32 U 531230 5685823
WGS84: 51.322844° N, 9.448178° O
Statistik
Ortskennziffer
611000045
Frühere Ortskennziffer
611000421
Flächennutzungsstatistik
- 1885 (Hektar): 282, davon 202 Acker (= 71.63 %), 24 Wiesen (= 8.51 %), 0,1 Holzungen (= 0.00 %)
Einwohnerstatistik
- 1585: 22 Haushaltungen (Der ökonomische Staat).
- 1747: 60 Haushaltungen (Stadt- und Dorfbuch des Ober- und Niederfürstentums Hessen).
- 1885: 1441, davon 1412 evangelisch (= 97.99 %), 24 katholisch (= 1.67 %), 5 andere Christen (= 0.35 %)
- 1895: 2004 Einwohner.
- 2006: 10535 Einwohner.
Diagramme
Verfassung
Verwaltungsbezirk
- Um 1143 bis 1325: Zent Kirchditmold (siehe Gericht)
- 1458/59: Landgrafschaft Kassel, Amt Ditmold
- 1534: Landgrafschaft Kassel, Amt Ahna
- 1787: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Niederhessen, Amt Bauna
- 1803-1806: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Bauna (seit 1804 Wilhelmshöhe)
- 1807-1813: Königreich Westphalen, Departement der Fulda, Distrikt Kassel, Kanton Ober-Vellmar
- 1814-1821: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Wilhelmshöhe
- 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Kassel
- 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Kassel
- 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Kassel
- 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Kassel
- 1906: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Stadtkreis Kassel
Altkreis
Kassel, kreisfreie Stadt
Gemeindeentwicklung
1.4.1906: Eingemeindung des Dorfes Kirchditmold in die Stadt Kassel.
Gericht
- vor 1822: Amt Wilhelmshöhe
- 1822: Landgericht Kassel
- 1850: Justizamt Kassel III
- 1867: Amtsgericht Kassel II
- 1879: Amtsgericht Kassel
Herrschaft
- Bei der im 12. Jahrhundert belegten Mark Ditmold handelt es sich um einen Teil des ehemaligen Kasseler Königsgutbezirks, der gegen Zins und Leistungen an Bauern ausgegeben ist. Deren Nachkommen treten Mitte des 12. Jahrhundert im genossenschaftlichen Verband der Märker in Erscheinung und bewahren die Erinnerung an alte Rechtsverhältnisse, so dass Kirchditmold den Mittelpunkt eines eigenen Gerichtsbezirks bildet (zum Umfang s. Mittelpunktfunktion). 1143 ist dieser in den Händen der Vögte von Schauenburg und gehört zur Grafschaft Hessen bzw. zur Landgrafschaft Thüringen. In unbekannter Zeit kommt er unter die Lehnshoheit von Mainz. Nach der Mitte des 13. Jahrhundert bringen sich die Landgrafen von Thüringen in ihren Besitz.
- Nach deren Aussterben streiten sich die Erzbischöfe von Mainz und die Nachkommen der heiligen Elisabeth um den Besitz der Zent. 1247 erhalten die Brüder Hermann und Heinrich von Wolfershausen als Mainzer Ministerialen von Erzbischof Siegrfried III. Gerichtsbezirke, von denen sie nachweisen können, das sie vom Landgrafen geraubt worden waren. Hierzu zählt das Gericht bei dem Dorf Ditmold, das oberste gerichte genannt. Durch die zunehmende Bedeutung von Kassel und die Präsenz der Landgrafen von Hessen verliert das Gericht Ditmold seine zentrale Rolle, bleibt jedoch formal noch bis ins 19. Jahrhundert Gerichtssitz. Der Konflikt zwischen den Landgrafen und den Erzbischöfen von Mainz wird 1325 mit der Belehnung der Landgrafen mit dem Gericht durch Mainz geregelt, aber 1346 bekundet Erzbischof Heinrich, dass das Kirchlehen zur Grafschaft Schauenburg gehöre und als mainzisches Lehen den Dalwigs zustehe.
Besitz
Grundherrschaft und Grundbesitzer
- Um 1081 bestätigt der Mainzer Erzibschof dem Kloster Hasungen den Besitz einer Schenkung von zwei Mansen in Ditmold. Das Kloster hat auch im 14. Jahrhundert noch Besitz im Ort.
- 1143 bekundet der Mainzer Erzbischof die von den Einwohnern von Kirchditmold vorgenommene Gründung des Augustinerchorherrnstifts, zu dessen Grundausstattung der Ort fortan gehört.
- 1257 überträgt ein Bürger in Kassel dem Kloster in Hardehausen seine Güter im Dorf Kirchditmold.
- 1348 erhält das Kloster Ahnaberg einen Hof in Kirchditmold.
Ortsadel
Adlige von Ditmold wurden 1306 bis 1329 genannt (Register zu Roques und Schultze, auch UA Hasungen).
Kirche und Religion
Ortskirchen
- due ecclesie, una baptismalis et una vetus neglecta (vor 1019)
- ęcclesię (1143)
- pleban de Ditmelle (1240) [Klosterarchive 2: Klöster, Stifter und Hospitäler der Stadt Kassel und Kloster Weißenstein, S. 518, Nr. 1393]
- Bereits Anfang des 11. Jahrhunderts gibt es in Kirchditmold eine Tauf- und eine zweite alte, vernachlässigte Kirche, die nach dem Bereicht des Ekkebert von Hersfeld dem heiligen Heimerad, Gründer des Klosters Hasungen, überlassen wird.
- Evangelische klassizistische Pfarrkirche mit Saalbau und Westturm nach Entwurf von Simon Louis du Ry 1792 geweiht.
Patrozinien
- Martinus [1392]
Pfarrzugehörigkeit
1569 und 1585 gehören Rothenditmold , Wahlershausen, Wehlheiden und Harleshausen zum Kirchspiel von Kirchditmold, ebenso 1872. Wilhelmshöhe ist zu diesem Zeitpunkt Filialort, der 1904 ausgegliedert wird.
Patronat
1346 bestätigt Erzbischof Heinrich zu Mainz den Herren von Dalwigk den Kirchsatz zu Ritte, Ditmold, Niedervellmar und Hoof (HStAM Bestand Urk. 111 Nr. 1). Das Patronat in Kirchditmold besitzen die von Dalwigk auch in der Folge, so 1585.
Diakonische Einrichtungen
1907 Gemeindepflegestation initiiert durch Pfarrer Maurer; Betreuung der Gemeinde und Vereine durch Diakonissen (Jungfrauenverein, Nähverein, Mütterverein); Ausbau des sog. Küsterhauses nach Erwerb von der Stadt als Diakonissenstation 1912 Sardemann, Geschichte des hessischen Diakonissenhauses zu Cassel, S. 265; 1926 nach Ritter, Kirchliches Handbuch, S. 5 Gemeindestation mit einer Schwester und einem Diakon, Kleinkinderschule; Diakoniestation bis 1982 (Landeskirchliches Archiv Kassel, Findbuch G 2.6. Kurhessisches Diakonissenhaus)
Bekenntniswechsel
Erster evangelischer Pfarrer: Hektor Walter 1524 bis ca. 1534, unbekannt, seit wann evangelisch
Kirchliche Mittelbehörden
15. Jahrhundert: Kirchenprovinz Mainz, Archidiakonat St. Peter zu Fritzlar, Erzpriestersprengel Ditmold Kirchditmold unterstand im Mittelalter dem Archidiaconus von Fritzlar. Es hatte dabei selbst ein Dekanat, zu dem 1425 folgende Orte gehörten: Bergshausen, Bettenhausen, Dennhausen, Eschenstruth, Eschenrode, Frommershausen, Heckershausen, Heiligenrode, Helsa, Kassel (mit Kapellen in Lampach, Freiheit, Emerichshusen und Kaldenbach), Kirchditmold, Krumbach, Landwehrhagen, Laubach, Lutterberg, Lutwardessen, Münden, Niederzwehren, Oberkaufungen, Obervellmar, Simmershausen, Speele, Uschlag, Vollmarshausen, Wahnhausen, Waldau, Weimar und Wolfsanger.
Kultur
Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles)
Wirtschaft
Mittelpunktfunktion
Ditmold war im Hochmittelalter Sitz eines "Obersten Gerichts" , Vorort einer gleichnamigen Mark, bildete eine Pfarrei und war Sitz eines Dekanats (s. hierzu Kirchenbehörden).
Zwischen 1143 und 1227 entspricht die Mark Ditmold vom Umfang im Wesentlichen der Pfarrei Ditmold mit den Dörfern Kirchditmold, Rothenditmold, Harleshausen, Wahlershausen und Wehlheien sowie den Wüstungen Geilhausen, Wickersdorf, Todenhausen, Bettenwiesen, Blickershausen und Ober-Wehlheiden.
Das Gericht Kirchditmold bewahrt unter den Ämtern lange Zeit eine Sonderstellung und umfasst noch 1585 neben dem Ort selbst Rothenditmold, Wahlershausen und Wehlheiden. Zur Pfarrei gehört zu diesem Zeitpunkt auch noch Harleshausen.
Bis ins 19. Jahrhundert überwiegend Landwirtschaft, im 20. Jahrhundert vor allem Arbeiterwohnort für Industriearbeiter u.a. im benachbarten Rothenditmold.
Nachweise
Literatur
- Kassel-Lexikon, Bd. 1: A-K, S. 332-333
- Denkmaltopographie Stadt Kassel, Bd. III, S. 179-238
- W. Klonk, Geschichte des Dorfes und heutigen Kasseler Stadtteils Kirchditmold
- K. Heinemeyer, Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, S. 276-277 (Register)
- Eisenträger/Krug, Territorialgeschichte der Kasseler Landschaft, S. 17-20,107-108
- Historisches Ortslexikon Kurhessen, S. 92 (Ditmold)
- Schenk zu Schweinsberg, Die Grafschaftsgerichtsstätten Maden und Ruchelo. Ein Beitrag zur Frage, ob die drei generalia placita der Freien Gau-, oder Hundertschaftsversammlungen waren, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde 15 (1874), S. 210-215
- Hochhuth, Statistik der evangelischen Kirche, S. 220
- Landau, Beschreibung des Hessengaues, S. 71
- Hütteroth, althessische Pfarrer, S. 514
Siehe auch
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Orte
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„Kirchditmold, Kassel“, in: Historisches Ortslexikon <https://lagis.hessen.de/de/orte/historisches-ortslexikon/alle-eintraege/2435_kirchditmold> (aufgerufen am 25.11.2025)
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