Geisenheim

Stadt · 88 m über NN  
Gemeinde
Geisenheim
Topografische Karten
KDR 100, TK25 1900 ff.
AEC416D7-3050-4A60-B27E-A826B70B90DD

Siedlung

Ortstyp

Stadt

Lagebezug

2,5 km östlich von Rüdesheim am Rhein

Lage und Verkehrslage

Siedlung in der Rheinuferzone an der Einmündung des Steg- oder Blaubaches. Kirche an der Südostecke des Marktplatzes. Geisenheim war Endpunkt des bei Rüdesheim zum Rhein absteigenden "Kaufmannsweges", der von Lorch aus über die Taunushöhen (Kammerforst) führend, die Stromschnellen des Binger Lochs umging. Bahnhof der Eisenbahnlinie Wiesbaden – Oberlahnstein ("Rheintalbahn") (Inbetriebnahme der Strecke 11.8.1856). Eisenbahn-Rheinbrücke von Geisenheim-Rüdesheim nach Bingen-Kempten (Hindenburgbrücke) 1915 erbaut, 1945 gesprengt. Dampfer-Anlegestelle seit 1832.

Ersterwähnung

772

Siedlungsentwicklung

Den Kern bildet ein fränkisches, ringförmiges Haufendorf mit radförmigem Straßennetz um den rechteckigen Marktplatz (mit Kirche). Da die Hauptstraße nördlich dieses Kerns verläuft, wuchs die Siedlung besonders in dieser Richtung und entwickelte in den neueren Teilen einen mehr gitterförmigen Grundriss mit leicht gebogenen, nicht ganz parallelen Straßenzügen. Er zeigt heute ein unregelmäßiges Vieleck mit 3 langen Ausläufern an den Hauptstraßen nach W, N und O, die zusammen mit dem Nordostteil (Pflanzer) zu den jüngsten Stadtteilen gehören. Zur Gemeinde rechnet das 5 km nördlich gelegene Kloster Marienthal (gegründet 1313).

Historische Namensformen

Bezeichnung der Siedlung

  • villa (772)
  • dorff (1408)
  • 1864 Erhebung zur Stadt

Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung

Koordinaten

Gauß-Krüger: 3425931, 5539069
UTM: 32 U 425886 5537293
WGS84: 49.983367° N, 7.966197° O

Statistik

Ortskennziffer

439004010

Flächennutzungsstatistik

  • 1885 (Hektar): 2822, davon 486 Acker (= 17.22 %), 100 Wiesen (= 3.54 %), 1800 Holzungen (= 63.78 %)
  • 1950: 2801 ha. Sie stellt einen langen, schmalen Streifen von Nord-Süd-Richtung (senkrecht zum Rhein) zwischen Rhein und Wisper dar, etwa 2,6 zu 11 km, den Taunus bis über 440m Höhe durchziehend.
  • 1961 (Hektar): 2800, davon 1871 Wald (= 66.82 %)
  • Stadtflur 1890: 2821 ha, davon 1803 ha Wald, 200 ha Weinbaufläche, 459 ha Ackerland;

Einwohnerstatistik

  • 1515: 258 Herdstellen
  • 1700: 128 Bürger und 28 Beisassen
  • 1820: 1942 Einwohner
  • 1885: 3125, davon 360 evangelisch (= 11.52 %), 2727 katholisch (= 87.26 %), 6 andere Christen (= 0.19 %), 31 Juden (= 0.99 %), 1 andere (= 0.03 %)
  • 1961: 7672, davon 1806 evangelisch (= 23.54 %), 5722 katholisch (= 74.58 %)
  • 1970: 8492

Diagramme

Verfassung

Verwaltungsbezirk

  • 772: Rinechgowe
  • 1604: Kurfürstentum Mainz, Unteramt Geisenheim (zum Umfang s. Mittelpunktfunktion)
  • 1787: Kurfürstentum Mainz, Unteres Erzstift, Vicedomamt Rheingau, Amtskellerei Rüdesheim und Amtsvogtei Geisenheim
  • 1803: Nassau-Usingen, Vicedomamt Rheingau, Amtskellerei Rüdesheim
  • 1816: Herzogtum Nassau, Amt Rüdesheim
  • 1849: Herzogtum Nassau, Regierungsbezirk Wiesbaden, Herzogtum Nassau, Verwaltungsbezirk VIII (Kreisamt Rüdesheim)
  • 1854: Herzogtum Nassau, Amt Rüdesheim
  • 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Wiesbaden, Rheingaukreis
  • 1968: Regierungsbezirk Darmstadt, Rheingaukreis
  • 1977: Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Rheingau-Taunus-Kreis

Altkreis

Rheingaukreis

Gemeindeentwicklung

Zur Entwicklung der im Zuge der hessischen Gebietsreform neu gebildeten Stadtgemeinde s. Geisenheim, Stadtgemeinde Sitz der Gemeindeverwaltung ist Geisenheim.

Gericht

  • Seit 1200 Schultheiß und Schöffen des örtlichen Gerichts
  • 1816: Amt Rüdesheim
  • 1849: Justizamt Rüdesheim
  • 1854: Justiz- und Verwaltungsamt Rüdesheim
  • 1867: Amtsgericht Rüdesheim am Rhein

Herrschaft

  • Mit der Verleihung des Königsbannes und des Geleitsrechts vom Elsterbach bis vor Kaub durch Kaiser Otto II. 983 gingen die Fiskalgüter des Reiches und wohl auch Geisenheim an den Erzbischof von Mainz über. Erzbischof Adalbert (1110-1137) übergab einige Allodien, die er für Geld erwarb, dem Mainzer Domkapitel, u.a. auch Gut in Geisenheim. 1128 fügte er einer Schenkung an das Domkapitel u.a. 6 Fuder Wein aus Geisenheim hinzu. In einer Urkunde aus dem Jahr 1130 werden 8 erzstiftische Ministerialen aus Geisenheimals Zeugen genannt.
  • 1408 erließ der Mainzer Erzbischof Johann II. eine Ordnung für Geisenheim.
  • 1864 Erhebung zur Stadt

Besitz

Grundherrschaft und Grundbesitzer

  • 772 schenkt der edle Geistliche Alwalah in Gegenwart König Karls des Großen dem Kloster Fulda unter Vorbehalt lebenslangen Nießbrauches u.a. Besitzungen im Rheingau im Dorf Geisenheim. 788 schenkten Matto und sein Bruder Megingoz für den Todesfall dem Kloster Fulda ebenfalls unter Vorbehalt des Nießbrauches zwei Drittel dessen, was ihr Vater Macco als Eigen besaß, u.a. im Dorf Geisenheim. Um 776-796, vielleicht 789/94 schenkte Egilolf zu seinem und seines Sohns Seelenheil dem Kloster Fulda ebenfalls Güter u.a. in Geisenheim. Nach der Hildesheimer Chronik soll Bischof Otwin von Hildesheim (954-984) einen Hof in Geisenheim zum Nutzen der Domherren erworben haben.
  • Unter den Gütern, die Erzbischof Ruthard von Mainz 1008 dem Kloster Disibodenberg schenkte, befand sich ein Weingarten bei Lorch, der Lehngut des Werner von Geisenheim war, und eine Hufe in Staudernheim, die Embricho von Geisenheim gehörte.
  • Während die Besitzungen der Abtei Fulda und des Domstifts Hildesheim noch im Hochmittelalter verloren gingen, erhielt die Zisterzienserabtei Eberbach schon unter Erbzischof Markolf (1141-1142) einen Weinberg in Geisenheim, den es allerdings bereits um 1150 gegen ein Gut in Rheinhessen vertauschte. 1258 und 1263 kamen weitere Güter in Geisenheim an das Kloster, bevor ihm 1292 von Ritter Gisilbert von Rüdesheim und dessen Frau Elisabeth alle Güter des Ritters Siegfried von Hattenheim in Geisenheim übergeben wurden, womit das Kloster in den Besitz des Kapellenhofes im Westen des Ortes mit der Nikolauskapelle gelangte.

Zehntverhältnisse

Der Zehnthof des Mainzer Domkapitel ging 1773 an den Grafen von Ostheim über.

Ortsadel

1108: Werner von Geisenheim, Embricho von Geisenheim
Um 1770 werden 7 adlige Familien genannt

Kirche und Religion

Ortskirchen

  • 1146: Kirche
  • 1215: Pleban
  • um 1440: Michaelskapelle

Patrozinien

  • Heilig Kreuz (Crux)

Patronat

Das Patronatsrecht der wohl schon im 8. Jahrhundert errichteten Pfarrei ging 1146 von den Herren von Geisenheim auf das Mainzer Domkapitel über, 1803 bei Auflösung des Mainzer Kurstaates an den Herzog von Nassau.
Das Patronatsrecht der Michaelskapelle hatte er Junker von Scharfenstein 1481 inne.

Diakonische Einrichtungen

1925 Gemeindeschwester nach Struck, Geisenheim, S. 284; nach Wegweiser für die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau. Ausgabe von 1954 eine Schwesternstation mit 1 Kraft

Bekenntniswechsel

Gegen reformatorische Versuche zur Zeit des Bauernkriegs schritt Kurmainz ein. Der Ort blieb katholisch.
Die evangelischen gehörten zunächst zur Pfarrei Rüdesheim, seit 1897 eigene Pfarrei.

Kirchliche Mittelbehörden

Mainzer Archidiakonat St. Moritz in Mainz. Seit 1827 Bistum Limburg
Dekanat Wiesbaden-Land, seit 1934 Dekanat St. Goarshausen der Hessen-Nassauischen Landeskirche

Juden

1437 erhält ein Jude Schutzbrief; 1446 leben 2, 1456 drei und 1477 ein Jude im Ort.
Der Ort nutzt den Mainzer Friedhof.
1842: 19, 1905: 34 Juden

Kultur

Schulen

Bereits 1478 wird eine Schule genannt, im 16. Jahrhundert erweitert. Es war eine Art Volksschule, verbunden mit einer Lateinschule. Die Gemeinde bestellte gemeinsam mit dem Pfarrer den Lehrer; die Obsorge für das Schulwesen lag in den Händen des Haingerichts (1549), doch wurde die gemeindliche Zuständigkeit Ende 18. Jahrhundert hinfällig. Unterrichtsbehörde waren der Ortspfarrer und (als Oberbehörde) das Vikariat Mainz, seit 1803 der (nassauische) Staat. Schulpflicht seit dem 17. Jahrhundert. 1751-69 bestand eine von den Englischen Fräulein geleitete Mädchenschule. Seit Mitte 19. Jahrhundert entwickelte sich Geisenheim zur Schulstadt des Rheingaues: Staatliche Oberschule für Jungen (seit 1845 Realprogymnasium, seit 1918 Reformrealgymnasium), eine staatliche Lehr- und Forschungsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau (seit 1872), eine Oberschule der Ursulinen für Mädchen (entwickelt aus der 1894 gegründeten Anstalt als Nachfolger einer Paritätschule 1857-94) und seit 1936 eine Kreisberufsschule.

Hospitäler

1505 bis 1810 Hospital; Leprosorium vor der Stadt; seit 1900 Maria-Hilf-Krankenhaus, an Stelle des Natalienhospitals von 1873 (Gräfin Natalie von Ingelheim)

Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles)

Wirtschaft

Mittelpunktfunktion

Zum Unteramt Geisenheim gehörten 1604 Rüdesheim, Eibingen, Assmannshausen und Aulhausen

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bildet der Weinbau an den Rheingauhängen die wichtigste Wirtschaftsgrundlage mit Lagen von guten bis sehr guten Ertragswertklassen (Rotenberg, Morschberg, Kläuserweg). Weinbau 1128 erstmalig bezeugt, vermutlich jedoch bedeutend älter. Chronik der Weinmärkte von Geisenheim (bezeugt ab 1343) im Haingerichtsbuch (1543-1613); im Hebaufschen Haus (Bierhof) und im heutigen „Gasthaus zur Post" befanden sich Bierbrauereien bis Mitte des 19. Jahrhunderts;
Färber- und Walkgewerbe;
1828 in 29 Berufen bei 449 Haushaltungen 141 Gewerbetreibende
Bedeutungszuwachs des Obst- und Gartenbaus; vier große Weingüter; Sektkellereien; Obstweinbrennereien
1892 Gründung des Kaolinwerkes Erbslöh (bedeutende Kaolin-Vorkommen auuf dem Rotenberg nördlich der Stadt - Geisenheimer Porzellanton)
Maschinenfabriken, Mineralwasser-Fabrikation, Arzneimittelfabrik (Dr. Madaus)

Mühlen

1420 zwei Walkmühlen

Markt

1144: Erwähnung des Marktplatzes
1343: Weinmärkte
1661: Verleihung eines Jahrmarktes
1687: Verleihung eines zweiten Jahrmarktes

Zoll

In Geisenheim befand sich (belegt ab 1194/98 bis um 1700) ein Pfefferzoll für alle zu Berg und zu Tal fahrenden Schiffe, ein Reichslehen des Rheingrafen.

Nachweise

Literatur

Nachnutzung

Rechtehinweise

Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Geisenheim, Rheingau-Taunus-Kreis“, in: Historisches Ortslexikon <https://lagis.hessen.de/de/orte/historisches-ortslexikon/alle-eintraege/11005_geisenheim> (aufgerufen am 25.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

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