Klage der Juden in den Ämtern Borken und Gudensberg gegen den neuen Schultheißen zu Fritzlar

HStAM 4 f Staaten M Nr. Mainz 328  
Laufzeit / Datum
1591 [März-April]
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

[Anfang März 1591] berichten die Juden der Ämter Borken und Gudensberg dem Landgrafen von Hessen-Kassel, daß der neue Schultheiß zu Fritzlar ihnen, ebenso wie dies auch schon sein Vorgänger getan hat, mit Hilfe des Stadtrates den freien Zugang nach Fritzlar verwehrt, wenn sie nicht zuvor um Erlaubnis ansuchen, die Stadt betreten zu dürfen. Zuwiderhandelnde müssen 1 Albus Strafe zahlen und ihre Waffen und sonstige Dinge, die sie bei sich haben, werden ihnen abgenommen und gepfändet.
Ein auf Bitten der Juden dem Schultheißen und seinem Vorgänger übergebener Einspruch der Regierung Kassel gegen dieses Verfahren ist wirkungslos geblieben. Die Juden berufen sich darauf, daß sie Schutzgeld zahlen und "wöchentlich etzlich silber in die muntz lieffern", und bitten um Abhilfe.
Daraufhin fordern die Kasseler Räte den Schultheißen zu Fritzlar am 11. März auf, den Juden im Sinne gegenseitigen guten Einvernehmens einen "unversperrten paß" zu gewähren und sie nicht weiter zu behindern, da ja umgekehrt auch die Fritzlarer Bürger ohne Einschränkung die Landgrafschaft betreten können.
Am 21. März anworten Schultheiß, Bürgermeister und Rat, daß es sich bei den von den Juden beanstandeten Maßnahmen keineswegs um Neuerungen handelt. Nachweislich darf bereits seit mehr als achtzig Jahren kein Jude ohne Erlaubnis des Bürgermeisters in die Stadt. Diejenigen, denen der Paß verweigert wird, müssen vor den Toren bleiben und Brot, Wecken und dergleichen durch andere holen lassen. In Anbetracht des erzbischöflichen Privilegs, Juden im Erzbistum zu dulden oder nicht, wird sich diese Regelung auch nicht ändern und den Juden, die die Stadtbürger ohnehin bis aufs Äußerste aussaugen und viel aus der Stadt schleppen, kein Generalpaß ausgestellt werden.
Die Juden erklären dagegen, daß die Zugangsbeschränkung keineswegs seit alters besteht, sondern erst gegen Ende der Amtszeit des letzten Schultheißen eingeführt wurde. Dieser hat es aber dabei bewenden lassen, 1 Albus zu verlangen und die Juden sonst nicht behindert.
Was das Duldungsprivileg angeht, so kann es damit nicht weit her sein, wenn sich das Aufenthaltsrecht für einen Albus erwerben läßt. Im übrigen fügen die Juden den Fritzlarer Bürgern keinen Schaden zu. Sie kaufen und bezahlen Bier und Brot in der Stadt, wo die Waren Juden so gut wie Türken, Heiden und Christen angeboten werden.
Da die Räte in Fritzlar nichts erreicht haben, empfehlen sie den Juden, sich selbst mit der Stadt zu einigen. Daraufhin wenden sich diese noch einmal an den Landgrafen, erinnern ihn an eine Supplik in gleicher Sache vom 8. April 1583 und an ihre Bittschrift vom März und beklagen sich erneut darüber, daß man sie in Fritzlar nur in die Stadt läßt, wenn sie zuvor auf ihre Kosten den Torhüter zur Stadtverwaltung geschickt und dort um einen Paß angesucht haben. Mit Berufung auf ihren Schutz bitten sie den Landgrafen, sich für sie bei der Stadt Fritzlar zu verwenden.

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Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

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„Klage der Juden in den Ämtern Borken und Gudensberg gegen den neuen Schultheißen zu Fritzlar“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/5834_klage-der-juden-in-den-aemtern-borken-und-gudensberg-gegen-den-neuen-schultheissen-zu-fritzlar> (aufgerufen am 25.11.2025)

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