Katalogdaten

Gegenwärtiger Bestand

Außer dem im Zusammenhang mit der Friedberger Liebfrauenkirche bereits behandelten Maßwerkvierpaß (s. S. 187) befinden sich im [Wetterau-]Museum noch vier mit höchster Wahrscheinlichkeit in die Liebfrauenkirche zu lokalisierende Rechteckscheiben mit Engeln (Fig. 144-147, Abb. 170-176).

Katalog Seite(n)

S. 213 ff.

Standort heute

Friedberg, Wetterau-Museum

Bibliographie

Ludwig Neundörfer, Die Glasgemälde der Stadtkirche zu Friedberg. Ein Beitrag zur Geschichte und Kunst am Mittelrhein im 14. und 15. Jahrhundert, ungedruckte Phil. Diss. Gießen 1923, S. 16 (lokalisiert die Engel in das Querhausfenster nord IV); Georg Blecher, Das Wetterau-Museum, in: Ferdinand Dreher, Führer durch Friedberg – Ein Heimatbuch, Friedberg 1925, S. 140 (Erwähnung der damals vor die Fenster des »Raumes für kirchliche Altertümer« gehängten Scheiben); Fischer, 21937, S. 87, Abb. 23 (Datierung in die erste Hälfte des 15. Jh.); Roth, 1960, S. 96, Abb. 1 (lokalisiert die Engel ins Querhaus und setzt sie als unmittelbare Vorläufer der Chorverglasung um 1465/70 an).

Erhaltung

Im Zuge der Niederlegung und Neuaufführung von Chor und Querhaus in den Jahren 1896-1900 wurden die vier Scheiben ausgebaut, von Linnemann restauriert und an ihren heutigen Standort verbracht. Linnemann, der die Felder neu verbleite, ersetzte auch die wohl bereits im 18. Jahrhundert mit Blankglas ausgeflickten Fehlstellen und einzelne, in ihrer Bemalung stark reduzierte Partien; darüber hinaus sicherte er größere Sprünge mit Sprungbleien. Die Scheiben sind auf der Innenseite leicht korrodiert und weisen partiell Malverluste sowie einzelne Sprünge auf.
[Zur Frage des ursprünglichen Standorts] Im 19. Jahrhundert befanden sich die vier Scheiben im Querhausfenster nord IV direkt unterhalb des heute in der Sakristei der Liebfrauenkirche aufbewahrten Jüngsten Gerichts (Fig. 113). Da dieses Fenster im Zuge der Erhöhung des Sakristeidachs 1671/72 bis auf die letzte Zeile vermauert worden war, sind die aus verschiedenen Zeilen stammenden Scheiben erst später als Lückenfüller dorthin übertragen worden. Sie stammen ursprünglich möglicherweise aus dem Westfenster, dessen lichte Feldmaße von ca. 65-76 x 61 cm den Scheibenmaßen recht nahekommen1. Nachdem man die Orgel von der Langhausnordwand auf die Westempore verlegt hatte, wurden sie offenbar 1756 in das Querhausfenster übertragen2. Die Scheiben wurden im Zuge der Niederlegung des Chores 1896 ausgebaut und von Linnemann restauriert.
[Rekonstruktion, ikonographisches Programm] Auf Grund der unterschiedlichen Hintergrundmuster und abweichenden Farbigkeit stammen die vier Engel nicht aus einer Fensterzeile. Die Scheibe Nr. 5 wurde, wie ein Photo des Zustandes vor der Restaurierung um 1900 zeigt, vor dem Einbau im Querhausfenster nord IV mit von gelben Sternen durchsetztem Blankglas nach oben erweitert, um sie den übrigen drei Scheiben anzupassen. Während die drei über Turmbrüstungen gelehnten Engel (Nr. 2-4) als oberer Abschluß einer nicht mehr bestimmbaren Komposition in Frage kommen, war dieses Feld wegen seines Damastgrundes und der abweichenden Farbgebung wohl ursprünglich Bestandteil einer Figurenszene. Vergleichbare Turmengel und tuchhaltende Engel begegnen in der Verkündigung Mariae aus dem Utrechter Altar, einem Hauptwerk mittelrheinischer Malerei des frühen 15. Jahrhunderts3. Doch lassen sich weder aus Beschreibungen oder anderen Quellen noch aus dem erhaltenen Bestand präzisere Vorstellungen vom ursprünglichen Aussehen des Fensters gewinnen.
[Farbigkeit, Technik] Die Farbigkeit ist sehr zurückhaltend: Mit Ausnahme des Engels Nr. 5, der als einziger grüne Flügel zeigt, erscheinen die Engel in Grisaille, mit gelben Haaren und rotem bzw. grünem Kragen. Die Modellierung basiert auf einem flächigen Halbton, der in den Höhungen mit dem Borstenpinsel ausgewischt und in den Schattenlagen durch einen außenseitigen Halbton verstärkt ist; Schraffuren treten nicht auf. Auch die Binnen- und Konturzeichnung bleibt auf wenige markante Striche beschränkt, welche die Hauptfalten des Gewands und die Gesichtszüge festlegen. Der Damast in Nr. 5 ist wäßrig gestupft und flächig ausgeschabt.
[Stil, Datierung] Stilistisch läßt sich die Scheibengruppe einer Reihe von mittelrheinischen Kunstwerken zuordnen, die zwischen 1430 und 1450 entstanden sind. Neben den Glasgemälden aus Partenheim und der wohl aus Kronberg stammenden Martinsscheibe im Wiesbadener Museum (Abb. 276) sind hier auch etwa die Wandmalereien in der Turmvorhalle der Pfarrkirche zu Eltville (Textabb. 30f.) sowie die musizierenden Engel im Chorschluß der Frankfurter Karmeliterkirche (Textabb. 40) zu erwähnen4. Die Friedberger Engel mit ihren etwas metallisch geschnittenen Gesichtern, auffällig stilisierten Korkenzieherlocken und weich fallenden Gewändern lassen sich gegen 1440/50 datieren; sollten sie tatsächlich aus dem Westfenster der Liebfrauenkirche stammen, wären sie dort erst rund 40 Jahre nach Bauabschluß eingesetzt worden.
[Vorbemerkung zum Katalog] Der Bestand wurde im Spätherbst 1994 untersucht; auf Grund mangelnder Kooperation des Museums konnten die Scheiben trotz mehrfacher Vorstöße nicht photographiert werden, weshalb auf die Nachzustandsphotos Linnemanns in Darmstadt zurückgegriffen werden mußte.

Nachweise

Fußnoten

  1. Vor Ort konnten nur die untersten Felder der beiden linken Bahnen ausgemessen werden. Die Querhausstirnfenster aber auch die Langhausfenster, soweit dies nachgeprüft werden konnte, weisen dagegen schmalere Bahnen auf.
  2. Hinweise auf den Ausbau und die Übertragung der Scheiben konnten in den Archivalien nicht aufgefunden werden. Zur Verlegung der Orgel vgl. Hartmut Seeliger, Die Stadtkirche in Friedberg in Hessen, in: AhGA NF 27, 1962/67, S. 12.
  3. Vgl. Zipelius, 1993, Abb. 3.
  4. Zu Partenheim vgl. Beeh-Lustenberger, 1973, bes. S. 146f., zu Eltville Herchenröder, 1965, Abb. 678f., 681-686, zur Frankfurter Karmeliterkirche Dohrn-Ihmig, 1984, Abb. 4.

Drucknachweis

Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet / Daniel Hess (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 2), Berlin 1999

Nachnutzung

Rechtehinweise

Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„[Westfenster?]“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-objekte/208-1-10_westfenster> (aufgerufen am 25.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/208-1-10