Ehemals Babenhausen, Pfarrkirche
Enthaltene Fenster
Katalogdaten
Beschreibung
Aufgrund einer im Jahr 1821 erfolgten Zahlung von 44 Gulden – Friedrich Back nennt 66 Gulden – für Fenster von Babenhausen (s. Reg. Nr. 2), die Großherzog Ludewig I. für seine Darmstädter Sammlungen erworben haben muss, ist gesichert, dass die dem Hl. Nikolaus geweihte Pfarrkirche der hanau-lichtenbergischen Residenzstadt bis ins frühe 19. Jh. Reste ihrer Farbverglasung bewahrt hatte; welcher Art und wie umfangreich diese Reste waren, liegt im Dunkeln. Der Chor der Kirche wurde nach Ausweis einer Bauinschrift im Jahr 1383 begonnen, 1388 war er überdacht. Zusammen mit dem bis auf Höhe des Traufgesimses gleichzeitigen Turm ersetzte er einen älteren Vorgänger, dessen Langhaus zunächst beibehalten wurde, bis nach Mitte des 15. Jh. die heutige dreischiffige, 1472 vollendete Stufenhalle an seiner Stelle errichtet wurde5. Um die Kirche aufzuhellen, wurde im November 1773 der Beschluss gefasst, das Maßwerk aus allen Fenstern zu entfernen6, weshalb nur zwei dreibahnige Fenster auf der Nordseite des Langhauses und fünf zweibahnige, mit Kopfscheiben fünfzeilige Fenster im Chorschluss ihre ursprüngliche Unterteilung bewahrt haben. Wenngleich die 1773 eingeleiteten Maßnahmen zur Aufhellung des Baues keinen schonenden Umgang mit den damals noch vorhandenen alten Glasmalereien erwarten lassen, so ist angesichts der oben erwähnten Zahlung von 44 Gulden dennoch mit einer gewissen Anzahl von Scheiben zu rechnen, die 1821 ihren Weg nach Darmstadt genommen haben müssen7. Im Glasgemäldebestand des Hessischen Landesmuseums sind jedoch keine Scheiben aus Babenhausen ausgewiesen – mit Ausnahme jener im Zweiten Weltkrieg zerstörten Fragmente einer Wappenscheibe von 1560 –, und alle bisherigen Versuche, solche Scheiben ausfindig zu machen, erwiesen sich als nicht haltbar8. So schlummern sie entweder unerkannt im Museum oder sind, was gleichermaßen möglich ist, bereits früh wieder veräußert worden – etwa zur Verglasung des Westchores des Wormser Domes. Unter den um 1842–1844 für Worms angekauften Glasmalereien befanden sich die Reste eines Passionszyklus aus dem späten 14. Jh., von dem zwei Scheiben noch im 19. Jh. nach Sigmaringen abgegeben wurden, während das Fragment einer dritten Scheibe 1930 in die Sammlungen des Hessischen Landesmuseums Darmstadt kam (Fig. 25)9. Suzanne Beeh-Lustenberger bezeichnete es als »eindeutig fränkisch«, womit sie eine überlieferungsgeschichtlich mögliche Herkunft vom Mittelrhein ausschloss. Da jedoch die 1991 in Wixhausen gefundenen Reste einer Farbverglasung der Zeit um 1400 (s. S. 436–438, Abb. 268–272) ein durchaus verwandtes Stilbild aufweisen, kommt für das Scheibenkonvolut in Sigmaringen und Darmstadt ein ehemaliger Standort am Mittelrhein durchaus in Betracht; Babenhausen böte sich dabei aus bau- wie aus überlieferungsgeschichtlichen Gründen in besonderer Weise an. Solange indessen genauere Hinweise auf Gegenstand und Alter der dort einst vorhandenen Glasgemälde fehlen, müssen diese gegenwärtig als verschollen, wenn nicht als verloren angesehen werden.
…
Glasgemälde aus der Kirche von Babenhausen zum Preis von 66 Gulden aufgeführt« werden und identifiziert diese irrtümlich mit Glasgemälden aus Ersheim); Herchenröder 1940, S. 30 (»Verschwunden […] Glasfenster mit figürlichen Darstellungen, die in den Chorfenstern gesessen haben sollen«); Heinz Merten, in: AK München 1947, S. 24, Nr. 154 (erwägt für die Figur des Hl. Valentin in Darmstadt [Beeh-Lustenberger 1973, Nr. 244] eine nicht zu begründende Herkunft aus Babenhausen); Max Herchenröder, Führer durch die Stadtkirche Babenhausen, umgearbeitet und erweitert durch Balthasar Rock, Babenhausen/Hessen 1966, S. 14 (»1783 wurden sogar die farbigen Glasfenster beseitigt«); Hess 1999, S. 247, Anm. 14 (zieht im Hinblick auf die verlorene Farbverglasung der Kirche eine Tätigkeit Werner Störes in Erwägung).
Nachweise
Fußnoten
- Herchenröder 1940, S. 12, 15–30; Scholz, Darmstadt, 1999, S. XVf.; Dehio Hessen, II, 2008, S. 21. ↑
- Diehl 1935, S. 719f. ↑
- Für zwei Scheiben aus Hirschhorn am Neckar wurden einige Jahre zuvor z.B. 9 fl. gezahlt; s. Reg. Nr. 27. ↑
- Zu den Fragmenten einer Wappenscheibe s. Beeh-Lustenberger 1973, S. 317, Nr. B 16 mit Abb. Taf. 30. – Die von Back 1913 nach Babenhausen lokalisierten Stifterscheiben hatte bereits Heinz Merten, in: AK Darmstadt 1935, S. 29f., Nr. 145–150, mit »Hirschhorn oder Ersheim« in Verbindung gebracht, während Mertens eigene Überlegungen bezüglich der Herkunft der Valentin-Scheibe (Darmstadt, HLM, Inv. Nr. Kg 31:15 [Fig. 26]; Beeh-Lustenberger 1967, Abb. 154, bzw. 1973, S. 190f., Nr. 244) auf die etwas fragwürdige Beobachtung zurückzugehen scheinen, dass sie dem Meister des Babenhausener Altars »sehr nahe« stehe (vgl. Merten 1935, S. 33). ↑
- Inv. Nr. Kg 30:22; Beeh-Lustenberger 1973, S. 103, Nr. 138, Taf. 13. Zu den beiden Scheiben im Sigmaringer Schloss vgl. Becksmann 1986, S. 230–232, Fig. 173f., Abb. 300, 302. ↑
Drucknachweis
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen / Uwe Gast unter Mitwirkung von Ivo Rauch (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 1), Berlin 2011
Nachnutzung
Rechtehinweise
Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Ehemals Babenhausen, Pfarrkirche“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-objekte/121-1_ehemals-babenhausen-pfarrkirche> (aufgerufen am 26.11.2025)
Kurzform der URL für Druckwerke
https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/121-1
![Vorschaubild [Unbekanntes Fenster]](https://www.lagis-hessen.de//img/cvmahessen/s1/void_de.jpg)