Christus als Sponsus (Marburg, Elisabethkirche)

Christus als Sponsus. Marburg, Elisabethkirche, Chor H I, 5-8a. Niedersachsen, um 1240/50.
Katalog
Von Daniel Parello
Abmessungen
H./B.: 5a: 60/82,5 cm; 6a: 61,5/82,5 cm; 7a: 48/82,5 cm; 8a: 35,5/82,5 cm; 9a: 82/82,5 cm.
Inschrift
Im aufgeschlagenen Buch Christi der Vers aus Io 12,26 in gotischen Majuskeln: • VBI / SVM / EGO / ILLIC / ET / MINI / STER MEVS / ERIT • (Wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein).
Erhaltung
Substantiell hervorragend erhalten. Geringfügige Ergänzungen im Gewand und in den Randstreifen. Vor allem die grünen, an den Säulenschäften auch die blauen und gelben Gläser scheinen durch flächige moderne Überzüge im Farbwert stark reduziert. Fortgeschrittene Korrosion weisen die violetten Farbgläser und der blassviolette Inkarnatton auf sowie ein überwiegend im Randstreifen verwendetes Bernsteingelb.
Ikonographie
Christus steht unter einer reichen Bogenarchitektur. Über dem goldverbrämten, farbig gestreiften Gewand trägt er einen togaartig über die linke Schulter geworfenen Mantel. Sein langes, am Rücken herabfallendes Haar ist schräg gescheitelt. Der Vollbart und die dunkel schattierten Augenhöhlen verleihen ihm einen unnahbar autoritären Ausdruck. In den Händen liegt das aufgeschlagene Buch mit jener Textstelle im Johannesevangelium, die von der Verherrlichung Jesu durch seinen Tod und der Aufforderung zur Nachfolge kündet (Io 12,20–36). Den Gläubigen wird damit die Aufnahme in das Himmelreich und die Erlangung des Ewigen Lebens verheißen. Die Linke Christi greift den langen Kreuzesstab mit wehendem Wimpel, Ausweis des Auferstandenen und Auszeichnung seines Sieges über den Tod. Von oben schwebt die Taube des Hl. Geistes herab.
Das ausgestellte, allerdings zu tief sitzende rechte Knie deutet eine klassische kontrapostische Haltung an, zugleich aber sind die Füße in starker Aufsicht wiedergegeben und verleihen der Figur dadurch einen mehr schwebenden Charakter. Der dunkle und ernste Ausdruck Christi wird durch die halb verschatteten Augen- und Bartpartien erzielt, ein Gestaltungsmittel, das auf die Verarbeitung spätkomnenischer Vorbilder schließen lässt. Diese bis in die Malerei der Antike zurückreichende Technik findet in den thüringisch-sächsischen Buchmalereiwerkstätten nur selten Verwendung. Am weitesten wagt sich hier der Maler der Halberstädter Bibel vor, in dessen Schöpferdarstellung wir zugleich den nächstliegenden Verwandten unserer Christusfigur erblicken dürfen (vgl. Fig. 438f.). Dem Ausdruck kommen auch die Evangelistenbilder des gegen 1240 zu datierenden Braunschweiger Perikopenbuchs nahe, während der Maler eines niedersächsischen Psalterfragments (ehem. Sammlung Chester Beatty) unter Anwendung dieses Gestaltungsmittels insgesamt freundlicher gestimmte Figuren hervorbringt94.
Komposition, Ornament
Das Tabernakel wird aus einem Paar kräftiger, in Kosmatenarbeit verzierter Marmorsäulen mit klassischer attischer Basis gebildet. Über den Blattkapitellen liegt eine Plinthe, darüber setzt der profilierte Halbrundbogen mit bekrönender Schirmkuppel auf95. Der Baldachin zeigt eine Art Vierungsarchitektur. Diese besteht aus vier durchfensterten, seitlich angeschnittenen Turmspitzen um einen zentralen hohen Rundturm mit ornamentverzierten Rundbogenfenstern, dessen Kegeldach mit Ziegeln gedeckt ist. Auf sämtlichen Turmspitzen sitzen verschiedenfarbige Knäufe. Angesichts der überbordenden Fülle an Ornamenten sei hier nur auf einige Gemeinsamkeiten zu anderen Glasmalereien hingewiesen: Den geschnörkelten Fiederrankengrund, den Nimbentyp, die antike Palmettenborte im Gewand und die Kreuzblattstreifen zeigen in nahezu identischer Ausprägung auch die Dalhemer Scheiben; Rahmenarchitektur und die an Mäander und laufenden Hund erinnernden Seitenstreifen begegnen später in den Lohner Prophetenfeldern.
Bildnachweis
CVMA T 6197 (5a), 6199 (6a), 6201 (7a), 6203 (8a), 6205 (9a)
Nachweise
Fußnoten
- Stange 1934, S. 330f.; zum Psalterfragment s. Kroos 1978, S. 300, Abb. 16. ↑
- Die mit einem Knauf verzierte Schirmkuppel ist auch in den gotländischen Glasmalereien ein bevorzugtes architektonisches Schmuckelement; vgl. etwa die Darbringungsszenen in Eksta und Rone sowie den Einzug in Jerusalem in Endre; Andersson 1964, Taf. 59, 57, 37. ↑
Drucknachweis
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Marburg und Nordhessen / Daniel Parello unter Verwendung von Vorarbeiten von Daniel Hess (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 3), Berlin 2008, 369 f. [= 5-9a. Christus als Sponsus]
Siehe auch
Extern
GND-Explorer (Objekt)
Nachnutzung
Rechtehinweise
Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Christus als Sponsus (Marburg, Elisabethkirche)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/321-1-02-03_christus-als-sponsus-marburg-elisabethkirche> (aufgerufen am 25.11.2025)
Kurzform der URL für Druckwerke
https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/321-1-02-03
![Christus als Sponsus: ES [= Erhaltungsschema] H I, 4-9b Christus als Sponsus: ES [= Erhaltungsschema] H I, 4-9b](https://www.lagis-hessen.de/img/cvmahessen/s1/321-1-02-03_40.jpg)




