Rundscheibe mit Wappen Philipps des Großmütigen (Kassel, Hessisches Landesmuseum)

Wappen Philipps des Großmütigen. Kassel, HLM, Nr. 19, 20. Nordhessen, 2. Drittel 16. Jh., bzw. Thüringen, nach 1537.
Katalog
Von Daniel Parello
Abmessungen
Thüringen(?), nach 1537.
Durchmesser 27 cm. – Inv. Nr. 1911/815.
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Laut Weber geht die Wappenrundscheibe auf eine Fensterstiftung für die Stadt Schmalkalden, heute Thüringen, zurück, einem ehemaligen Kondominat der hessischen Landgrafschaft; das Glasgemälde soll sich vor dem Erwerb aus dem Kunsthandel im historischen Gasthaus zur Krone befunden haben. Es war Bestandteil einer Fensterstiftung, die an den Schmalkalder Fürstentag von 1537 erinnerte; damals verabschiedeten die Fürsten und Städte evangelischen Glaubens im Beisein von Luther und Melanchthon die Schmalkaldischen Artikel, eine grundlegende Bekenntnisschrift der neuen Kirche. Die Beratungen hatten abwechselnd im Rathaus, in Luthers Wohnung sowie im Gasthaus zur Krone stattgefunden. Noch heute befinden sich im Lutherhaus vier mehr oder weniger fragmentarisch erhaltene Reste einer weiteren Fensterstiftung, die Rückschlüsse auf das Bildprogramm der verlorenen Glasmalereistiftungen von Rathaus und Gasthof erlauben15. Auf einer von Balthasar Schmidt zur Zweihundertjahrfeier herausgegebenen Festausgabe der Schmalkalder Artikel von 1737 sind die mit jeweils acht Rundscheiben geschmückten Fensterfronten von Gasthaus und Lutherhaus zu sehen und außerdem die im Jahr 1538 ausgeführten Glasmalereien des Lutherhauses noch einmal im Detail wiedergegeben16. Aufgeführt werden die Wappen des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen, Herzogs Ulrich von Württemberg, der Grafen Berthold und Albrecht von Henneberg sowie die aus Wappen und Porträtbildern bestehenden Medaillonpaare des hessischen Landgrafen Philipp und des Grafen Wilhelm zu Henneberg. Hinzu gesellte sich schließlich noch eine Darstellung der Opferung Isaaks. Eine entsprechende oder verwandte Wappenkonstellation wird man daher auch für die ansonsten verlorenen Rundscheiben des Gasthauses annehmen können. Dass dabei die Wappenbilder nicht notwendig auf die Stifter verweisen müssen, kann die Überlieferungsgeschichte für das Lutherhaus klar belegen: Hier war es der Hausbesitzer Balthasar Wilhelm, der mit seiner Stiftung von Glasmalereien an die ruhmvollen Ereignisse in seinem Haus und den Aufenthalt Luthers erinnern wollte. Trotz der in beiden Fällen übereinstimmenden Größen von 27 cm Durchmesser stammen die Glasmalereien des Lutherhauses jedoch von erkennbar anderer Hand. Die Signatur ›HN‹ auf der Isaakopferung lässt sich mit dem Namen Hans Neumeister verbinden, der aus einer Schmalkalder Malerfamilie stammt, während das Monogramm des Landgrafenwappens ›TH. Wo.‹ auf einen anderen, bislang nicht identifizierten Glasmaler verweist.
Inschriften
Die umlaufende Inschrift in humanistischer Kapitalis: VON • GOTTES • GENADEN • PHILIPS • LANDT • GRAFF • ZV HESSEN • K(ATZENELNBOGEN) • D(IEZ) • Z(IEGENHAIN) • N(IDDA) [15•50] sowie die Signatur des Künstlers zwischen der Helmzier: TH. Wo.
Erhaltung
Erneuert sind die Helmzier mit Büffelhörnern und das Datum des umlaufenden Schriftbandes. Die olivgrünen Hintergrundgläser weisen starken Abrieb der Bemalung auf.
Ikonographie, Farbigkeit
Die Rundscheibe zeigt wie Nr. 19 das Wappen Philipps des Grossmütigen (1509/18–1567) in weitgehend übereinstimmender Form, hingegen mit annähernd korrekter Tingierung. Die Löwen sind jedoch nicht blau bewehrt, im Wappen Diez sind diese zudem gold-silbern geteilt und die Helmdecke zeigt statt einer rot-silbernen eine blau-silberne Färbung. Zudem ist der Löwe im Wappen Katzenelnbogen abgewendet wiedergegeben, und die Sterne sind mit einer unterschiedlichen Anzahl an Strahlen versehen.
Technik, Stil, Datierung
Die Löwen in den Wappenbildern von Katzenelnbogen und Diez sind aus dem Überfangrot ausgeschliffen und mit außenseitig aufgebrachtem Silbergelb nochmals farblich differenziert. Maltechnisch ist für die Arbeit ein breiter Pinselstrich mit deckendem Lotauftrag kennzeichnend. Neben trocken gewischten Halbtonüberzügen gelangen für die Schatten lockere Kreuzlagen, vor allem an Helmdecke und Bügelhelm, zum Einsatz. Einzelne, überwiegend entlang der Konturen und in der Schrift angelegte Lichtkanten wurden mit der Nadel herausradiert; auf dem olivgrünen Hintergrund lag ursprünglich ein feines Geflecht aus Linienranken. Das Wappen zeigt eine ungewöhnlich strenge Rundschildform, die der vegetabilen Helmdecke Raum zu üppiger Entfaltung lässt. Eine Entstehung der Scheibe im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts in Schmalkalden oder im nahe gelegenen Erfurt erscheint plausibel.
Bildnachweis
CVMA JJ MF 473/16
Weitere Angaben
Rundscheibe
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Nachweise
Fußnoten
Drucknachweis
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Marburg und Nordhessen / Daniel Parello unter Verwendung von Vorarbeiten von Daniel Hess (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 3), Berlin 2008, 279 f. [= 20. Rundscheibe mit Wappen Philipps des Großmütigen]
Siehe auch
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Personen
Nachnutzung
Rechtehinweise
Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Rundscheibe mit Wappen Philipps des Großmütigen (Kassel, Hessisches Landesmuseum)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/313-1-07-01_rundscheibe-mit-wappen-philipps-des-grossmuetigen-kassel-hessisches-landesmuseum> (aufgerufen am 26.11.2025)
Kurzform der URL für Druckwerke
https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/313-1-07-01
![Rundscheibe mit Wappen Philipps des Großmütigen: ES [= Erhaltungsschema] Nr. 20 Rundscheibe mit Wappen Philipps des Großmütigen: ES [= Erhaltungsschema] Nr. 20](https://www.lagis-hessen.de/img/cvmahessen/s1/313-1-07-01_40.jpg)