Christus als Schmerzensmann (Kassel, Hessisches Landesmuseum)

 
Datierung
Mitte 15. Jahrhundert
AEC416D7-3050-4A60-B27E-A826B70B90DD

Katalog

Von Daniel Parello

Abmessungen

Mitteldeutschland, Mitte 15. Jahrhundert.

Inschrift

Auf dem Nimbus in spätgotischer Minuskel: ihs.

Erhaltung

Ein Großteil des Hintergrundes durch schwarz mattiertes Glas erneuert. Rote, stark verwitterte Flickstücke im Nimbus. Weiß deckender Lochfraß auf den außenseitigen Halbtonlagen, stärker angegriffen auch das blassgrüne Glas des Fliesenbodens. Partieller Ausbruch der Schwarzlotzeichnung. Im Gesicht Christi störende Sprungbleie.

Ikonographie

Christus steht frei auf einem Fliesenboden mit Dornenkrone und Lendentuch und präsentiert seine Wundmale. In der linken Hand hält er eine Rute, in der Armbeuge rechts die Geißel. Blut strömt aus seinen Wunden. Der Hintergrund bestand wahrscheinlich aus eingestreuten Vergiss-mein-nicht-Blüten, die aus dem schwarzem Fond ausradiert waren. Die imago pietatis erfreute sich als Andachtsbild im Spätmittelalter großer Beliebtheit, wie die Vielzahl erhaltener Holzschnitte belegt5. Vielleicht war als Pendant zum Schmerzensmann einst die Mater dolorosa zu sehen, so in der gegen 1445 anzusetzenden Verglasung aus der Martinskirche in Stöckenburg/Württemberg, im Chorfenster der Hanauer Marienkirche (um 1492–1497) und später noch in den von Baldung für den Kreuzgang der Freiburger Kartause geschaffenen Fenstern. Denkbar wäre allerdings auch eine Anordnung mit flankierenden Stifterfiguren, wie dies ein Fenster im Chor der Pfarrkirche zu Eglosheim (um 1440/45) zeigt6.

Technik, Stil, Datierung

Die Figur zeichnet sich durch eine im Gegensatz zur holzschnitthaften Anlage von Gesicht und Lendentuch vergleichsweise differenzierte Wiedergabe des Körpers mit Falten und Muskeln aus, wobei die weiche Modellierung des Inkarnats durch beidseitig ausgewischte, stellenweise auch mit dem Federkiel herausradierte Halbtonüberzüge erzielt wird. In der unsicheren, zittrigen Linienführung, dem kugeligen Augenschnitt oder der Gestalt des Maßwerknimbus wird man auf die Marienfigur im Fritzlarer Dommuseum (Nr. 5) verwiesen, die gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts in einer Stadt in Nordhessen (Kassel?) oder auf benachbartem Gebiet in Niedersachsen oder Westfalen entstanden sein mag.

Farbigkeit

Roter Maßwerknimbus, der Ausfluss des Blutes ist durch ein rotes Glasstück hervorgehoben. Rutenbüschel und Fliesenboden blassgrün.

Bildnachweis

CVMA JJ 12845, MF 476 (Auflicht)

Nachweise

Fußnoten

  1. In vergleichbarer Haltung mit abgewinkelten Armen und zusammengeführten Beinen wendet sich Christus auf einem Holzschnitt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts dem vor ihm knienden Stifter zu; T.I.B. 163, S. 211, Nr. 917.1.
  2. Zu Eglosheim und Stöckenburg (heute Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum) vgl. Becksmann 1986, Abb. 58–60 bzw. Abb. 327–329; zu Hanau vgl. Hess 1999, S. 250f. mit Abb. 418; eine Farbabb. der Freiburger Scheiben in: AK Los Angeles/Saint Louis 2000, S. 240f., Nr. 113,114.

Drucknachweis

Die mittelalterlichen Glasmalereien in Marburg und Nordhessen / Daniel Parello unter Verwendung von Vorarbeiten von Daniel Hess (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 3), Berlin 2008, 276 f. [= 14. Christus als Schmerzensmann]

Nachnutzung

Rechtehinweise

Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Christus als Schmerzensmann (Kassel, Hessisches Landesmuseum)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/313-1-03-01_christus-als-schmerzensmann-kassel-hessisches-landesmuseum> (aufgerufen am 26.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/313-1-03-01

Christus als Schmerzensmann: ES [= Erhaltungsschema] Nr. 14