Maria mit Kind (Fritzlar, Dommuseum)

 
Datierung
Mitte 15. Jahrhundert
AEC416D7-3050-4A60-B27E-A826B70B90DD

Katalog

Von Daniel Parello

Abmessungen

Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Die Scheibenmaße lassen sich mit keiner der heute noch vorhandenen Fensteröffnungen verbinden, doch spricht der Befund dafür, dass das Feld rechtsseitig stark beschnitten wurde. Unter der Annahme einer ursprünglich mehr als doppelten Breite käme als Standort ein südliches Langhausfenster durchaus in Betracht.

Inschrift

Auf dem eingerollten Schriftband am unteren Bildrand die durch eine Trugschrift stark ergänzte Buchstabenfolge in gotischer Minuskel: co(m)pletu(m) z(?).

Erhaltung

Einige Fehlstellen im Mantel Marias, im Blattgrund und im Inschriftenband sind wahrscheinlich von Otto Linnemann, Frankfurt, ergänzt worden. Mehrere Sprünge im Gesicht des Christkindes und in den Gewandteilen. Innenseitig partieller Ausbruch der dünnen Konturzeichnung. Durch Staufeuchte sind die Gläser entlang der horizontal verlaufenden Bleie stärker verwittert. Auf violetten und gelben Gläsern haben sich Korrosionsinseln gebildet, der tiefblaue Gewandzipfel ist vollständig erblindet. Rekonstruktion: Da der Gewandzipfel über den nur links sichtbaren Hintergrundspiegel hinausragt und Maria sich betont nach rechts wendet, wäre an eine Ergänzung der Scheibe mit einem figürlichen Pendant, sei es ein Stifter oder eine weitere Heiligenfigur, zu denken. Sicherlich war das Figurenfeld ursprünglich mit einem Architekturrahmen versehen. Die Inschrift (completum) könnte entweder auf die Vollendung eines Gebäudeteils hingewiesen haben, mit dem die Fensterstiftung einst im Zusammenhang stand, oder sich auf die heilsgeschichtliche Bedeutung der Menschwerdung Christi beziehen, durch welche der göttliche Heilsplan vollendet wurde.

Ikonographie, Farbigkeit

Maria ist von stämmiger Statur. Unter ihren Arm hat sie sich einen Zipfel ihres fast glockenförmig zu Boden fallenden Mantels geklemmt; mit der Rechten hält sie dabei das nackte, vornüber gebeugte Kind. Es fasst sich an den Fuß und greift mit der anderen Hand nach der roten Birne, die ihm die Mutter reicht. Marias Mantel ist weiß, ihr Kleid tiefblau, violettes Schuhwerk. Krone, Nimben und Haar bestehen aus gelben Gläsern. Der Hintergrund zeigt ein Ornament aus violetten Eichblättern, der grüne Wiesenboden ist mit Klee und Ähren übersät.

Technik, Stil, Datierung

Das Gewand fällt in überwiegend ruhigen, am Saum ondulierenden Faltenlinien herab. Die feine Linienzeichnung wird sowohl innenseitig durch graubraune Überzüge als auch durch kräftigen außenseitigen Halbtonauftrag bereichert. Auf diese Weise wird ein samtig weicher Modelliereffekt erzielt, der besonders im zarten Inkarnat zur Geltung gelangt. Die Schattenlagen sind zusätzlich durch Parallelschraffuren verstärkt, am Mantelsaum wurden auch Lichtkanten gesetzt. Unsicherheiten lassen sich vor allem in den leicht verzeichneten Gesichtskonturen ausmachen, die offenbar mehrfach nachgezogen werden mussten. Dieser zeichnerischen Unbeholfenheit ist wohl auch die insgesamt etwas somnambule Erscheinung von Maria und Kind geschuldet. Werke von solch’ einfacher Machart fallen gerne durch ein Stilraster, welches sich für den nordhessischen Raum nur locker flechten lässt, sodass hier eine Beurteilung über motivische Kriterien vielleicht weiter führt. In der Kölner Tafel- und Glasmalerei des Weichen Stils, der in unserer Scheibe noch anklingt, finden sich vergleichbare Hintergrundmuster, so etwa im Gnadenstuhlbild des Kölner Domobergadens aus der Zeit um 1420/3017. Die kaum jüngere Strahlenkranzmadonna, heute im Metropolitan Museum of Art in New York, markiert dabei den Ausgangspunkt, an dem sich der in der Provinz tätige Meister noch zu orientieren scheint. Rheinisch-westfälischen Ursprungs ist auch der Schmollmund mit abgeschatteter Oberlippe sowie das kleine Kinnrund. Auf ähnlich standfeste Figuren mit gedrungener Körperkonstitution treffen wir andererseits noch in den jüngeren Glasmalereien der Kaufunger Stiftskirche. Ob die Fritzlarer Madonna mit diesem Werkstattumkreis verbunden werden kann oder ob hier westfalische Künstler am Werk waren, kann an dieser Stelle jedoch nicht mit Sicherheit entschieden werden. Westfalen oder Niedersachsen, Mitte 15. Jahrhundert.

Bildnachweis

CVMA J 12838, Großdia J 01/207, J 01/206 (Detail)

Weitere Angaben

Standort heute

Fritzlar, Dommuseum

Nachweise

Fußnoten

  1. Rode 1974, Textabb. 48 und Taf. 187. Vergleichbare Eichenranken zeigt etwa das Hintergrundmuster eines Triptychons im Wallraf-Richartz-Museum, Köln (WRM 36, 37), Ende 14. Jh. Hierzu Annette Willberg, Die Punzierungen in der Altkölner Malerei. Punzierungen in Kölner Tafelbildern des 14. und 15. Jahrhunderts, Phil. Diss. Köln 1997, S. 28, Nr. 12. URL: http://kups.ub.uni-koeln.de/volltexte/2003/611 (10.9.2008).

Drucknachweis

Die mittelalterlichen Glasmalereien in Marburg und Nordhessen / Daniel Parello unter Verwendung von Vorarbeiten von Daniel Hess (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 3), Berlin 2008, 132 f. [= 5. Maria mit Kind]

Siehe auch

Weitere Angebote in LAGIS (Standort)

Personen

Nachnutzung

Rechtehinweise

Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Maria mit Kind (Fritzlar, Dommuseum)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/308-2-02-01_maria-mit-kind-fritzlar-dommuseum> (aufgerufen am 25.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/308-2-02-01

Maria mit Kind: ES [= Erhaltungsschema] Dommuseum Nr. 5Maria mit Kind (Detail aus Abb. 48)