Rundscheibe [Dreipassscheibe] mit Wildem Mann und Wappen mit Hausmarke (Eberbach, Kreuzgang)

Mittelrhein, um 1500  
Datierung
um 1500
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Katalog

Von Daniel Hess

Abmessungen

1995 wurde die Dreipaßscheibe aus der Sammlung Nassauischer Altertümer im Museum Wiesbaden (Inv. Nr. 11033) in das neu eingerichtete Abteimuseum im Kloster Eberbach überführt. H. 57,5 cm, B. 59 cm.
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Auch wenn eine Herkunft aus Kloster Tiefenthal nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann, ist diese Lokalisierung auf dem Hintergrund der Zerstörungen infolge eines großen Brandes 1752 und der unverbürgten Herkunftsangaben zu relativieren. Da die Scheibe derselben Werkstatt zuzuweisen ist wie das unten behandelte Glasgemäldefragment eines knienden Stifters aus dem Kreuzgang des Klosters Eberbach, liegt eine Lokalisierung nach Eberbach nahe. Möglicherweise gehörte auch diese Dreipaßscheibe zu den Resten der um 1500/01 erweiterten Kreuzgangsverglasung.

Erhaltung

Bis auf drei Flickstücke in der Bordüre intakt; Schwarzlot stellenweise berieben und partiell ausgebrochen. Verbleiung anläßlich der Überführung in das neue Museum in Wiesbaden 1916 erneuert.

Ikonographie, Komposition

Das Thema des Wilden Mannes, Sinnbild von Wildheit und Stärke sowie eines freien, ungebundenen Lebens, gehörte zu den beliebtesten profanen Motiven des ausgehenden Mittelalters. Der Komposition muß der Kupferstich eines Wilden Mannes als Wappenhalter von Martin Schongauer zu Grunde gelegen haben, der nicht nur die Körperhaltung, sondern auch die Felsen und den Grasboden vorgab12. Das Motiv der Quelle ist hingegen neu und dürfte auf Werke wie die Liebesgarten-Stiche des wohl in Frankfurt tätigen Monogrammisten b x g oder die Rundscheibe mit Johannes dem Täufer aus dem Kreis des Meisters der Genreszenen im Hausbuch zurückzuführen sein13. Als Wappenhalter begegnet der Wilde Mann auch in den 1491 gestifteten Wappenscheiben im Chor von St. Leonhard in Frankfurt (Abb. 86-89). Das Wappen mit Hausmarke läßt sich nicht bestimmen.

Farbigkeit, Technik

Die Figur zeigt ein weißes, leicht bläuliches Glas mit Silbergelb in den Haaren und im Wappenriemen. Keule dunkelgelb, Wappenschild in Grisaille; bräunlichgrüne Wiese, hellbrauner Boden und rosaviolette Felsen. Dunkelroter Fiederrankengrund und hellgelbe Bordüre. Zarter, flächig gestrichener Halbton, in den Lichtern radiert und mit trockenem Pinsel leicht ausgewischt; Figur auf der Außenseite mit hellbraunem Lot hinterlegt.

Stil, Datierung

Die immer wieder zusammen mit der Rundscheibe eines Engels mit Lammwappen im Museum Wiesbaden (Nr. 25; Abb. 280) genannte Dreipaßscheibe unterscheidet sich maltechnisch und stilistisch deutlich von jener 1510/20 in Köln entstandenen Rundscheibe. Engste Zusammenhänge zeigt das Glasgemälde jedoch mit dem unten behandelten Fragment eines knienden Stifters aus dem Kreuzgang des Klosters Eberbach. Maltechnisch und stilistisch stammen die beiden Glasgemälde aus derselben Werkstatt, was ein Vergleich der Zeichnung und Modellierung des Kopfes als auch die Wahl der dezenten Farbgläser verdeutlicht. Das Glasgemälde ist folglich wie das Stifterbild um 1500 zu datieren.

Bibliographie

Cohausen, 1888, S. 300, Nr. 103 (zusammen mit den Resten eines Vita-Christi-Zyklus und der Rundscheibe mit Lammwappen im Museum Wiesbaden aus Kloster Tiefenthal stammend); Heubach, 1916/17, S. 33-35 (die Anfang des 16. Jh. entstandene Scheibe erinnere an die Art des »Hausbuchmeisters« und soll aus Tiefenthal kommen); Faber du Faur, 1921, S. 96 (rückt die nach Tiefenthal lokalisierte Scheibe aus dem engeren Kreis der Glasmalereien im Hausbuchmeister-Kreis heraus); Karl Simon, Mittelrheinische Scheiben in Amorbach, in: Der Cicerone 17, 1925, S. 142f. (die bislang wenig beachtete Scheibe gehört in die Reihe der »Hausbuchmeisterscheiben« in Amorbach, Frankfurt und Büdingen); Günther Kleineberg, Der wilde Mann und ein Engel auf zwei Kabinettscheiben aus Kloster Tiefenthal, in: Wiesbadener Leben 26, Februar 1977, S. 6-8 (höchstwahrscheinlich im Rahmen der Renovierungen um 1500 im Kloster Tiefenthal entstanden; zusammen mit der Rundscheibe mit Lammwappen im Museum Wiesbaden wohl das Werk einer mittelrheinischen Werkstatt im Umkreis des Meisters der Genreszenen im Hausbuch).

Bildnachweis

CVMA A 10547

Nachweise

Fußnoten

  1. Vgl. zuletzt Kat. Ausst. München 1991, Nr. 103.
  2. Vgl. HESS, 1994, S. 56, Abb. 50.

Drucknachweis

Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet / Daniel Hess (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 2), Berlin 1999, 86 f. [= o. A.. Rundscheibe [Dreipassscheibe] mit Wildem Mann und Wappen mit Hausmarke]

Nachnutzung

Rechtehinweise

Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Rundscheibe [Dreipassscheibe] mit Wildem Mann und Wappen mit Hausmarke (Eberbach, Kreuzgang)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/204-2-01-01_rundscheibe-dreipassscheibe-mit-wildem-mann-und-wappen-mit-hausmarke-eberbach-kreuzgang> (aufgerufen am 25.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/204-2-01-01

Wilder Mann. Ausschnitt aus Abb. 19.