Drachenkampf des Hl. Georg mit Fragmenten einer Vierpassscheibe (?) (Arnoldshain, Laurentiuskirche)

Drachenkampf des Hl. Georg. Arnoldshain, Laurentiuskirche, Chor süd II. Mittelrhein, um 1485/90.
Katalog
Von Daniel Hess
Abmessungen
H. 23,5 cm, B. 36,5 cm.
Erhaltung
Die Scheibengruppe ist bis auf die leicht korrodierten blauen wie roten Gläser und die Beschneidung im Wappenfeld rechts unten vorzüglich erhalten und weist keine Ergänzungen auf. Verbleiung des Wappens original; übrige Bleie bei der letzten Restaurierung durch die Glasmalerei Dr. H. Oidtmann, Linnich, 1981 partiell erneuert. Die umgebende Butzenverglasung weist neben verschiedenen Ergänzungen des 19. und 20. Jh. auch einige ältere Gläser auf; letztere unterscheiden sich von mittelalterlichen Butzen durch ihren klaren, ungetrübten Ton und zeigen lediglich einzelne Kratzer.
Ikonographie, Komposition
Wie in den meisten Darstellungen des im späten 15. Jh. überaus beliebten Motivs ist Georg zu Pferd gezeigt. Als unmittelbare Vorlage für die dynamische Schilderung mit dem jäh zurückgerissenen Pferdekopf könnte ein gleichnamiger Kupferstich von Israhel van Meckenem gedient haben5, während der hilflos auf dem Rücken liegende Drache dem Figurenalphabet des Meisters E.S. (L. 304) entliehen sein dürfte6. Für den Falkner kommt als Vorlage wohl ebenfalls ein Stich aus diesem Umkreis in Frage. Der ursprüngliche Zustand der Scheibengruppe, deren heutiges Arrangement auf die im späten 17. Jh. erfolgte Überführung in die Kirche zurückgehen dürfte, läßt sich nurmehr vermuten. So dürfte etwa das links unten beschnittene Wappen mit dem Falkner das untere Bogenfeld einer Vierpaßscheibe gebildet haben. Ob die übrigen Teile dazugehörten oder Reste weiterer Scheiben sind, ist unklar. Stilistisch als auch in der Verwendung eines Sternenhimmels in Drachenkampf und Wappenscheibe gehörten die drei Stücke zwar zusammen, bildeten aber offenbar ein größeres Ensemble von Wappen und religiösen wie profanen Motiven.
Farbigkeit, Technik
Mit Ausnahme des Wappens mit drei roten und weißen Schrägbalken unter einem blauen Turnierkragen sind Figuren und Landschaft ganz in Grisaille mit Silbergelb in wechselnder Stärke für Haare und Nimben, Waffen, Achselteller und Zaumzeug gehalten; bei den bemalten Gläsern handelt es sich jedoch nicht um Butzen, wie vereinzelt behauptet worden ist. Neben stichartig dünn gemalten Kreuzschraffuren in den dunkelsten, auf der Außenseite partiell mit Halbtonlasuren verstärkten Schattenlagen wird die Modellierung durch Auswischen und Radieren des streifigen, über die ganze Fläche gelegten Halbtones bestimmt. Im Unterschied zur Rundscheibe mit dem Drachenkampf zeigen die Paßfelder einen wäßrig gestupften Halbtonüberzug.
Stil, Datierung
Auf der Grundlage des erwähnten Vorlagenmaterials ist die bislang postulierte Zuschreibung der Glasgemäldegruppe an den »Hausbuchmeister« zu relativieren; mehr als Reflexe allgemeinster Art können weder von den Kaltnadelstichen des Meisters des Amsterdamer Kabinetts noch von den Werken aus dem engeren und weiteren Umkreis des Meisters der Genreszenen im Hausbuch abgeleitet werden. Ohne Vorbild bleibt die eigentümliche Landschaftsdarstellung mit den wie ein wehendes Gewand aufschwingenden Felsen im Hintergrund. Die Glasgemäldegruppe dürfte in den späten achtziger Jahren des 15. Jh. entstanden sein und wurde wahrscheinlich von Philipp von Reifenberg, Burgbesitzer von 1484 bis 1533, gestiftet, wie bereits Lotz vermutete7.
Bildnachweis
CVMA G 8841
Nachweise
Fußnoten
- Vgl. Lehrs IX, 1934, Nr. 343. Wie im Glasgemälde trägt Georg eine bis auf die Achselteller gleichartige Rüstung und holt mit dem Schwert über dem Kopf zum Schlag aus; im Stich bäumt sich das Pferd jedoch stärker auf. Meckenems Darstellung dürfte auf einen Stich des Meisters der Berliner Passion zurückgehen, wo das Motiv vorgebildet ist (Lehrs II, 1915, Nr. 113). Letzterer zeigt eine dem Glasgemälde vergleichbare Gestaltung des Bodens mittels übereinander geschichteter Platten mit scharfen Bruchkanten. ↑
- Lotz, 1880, S. 7, und Mielke (s. Bibl.), 1974, S. 36, führten als Vorlage einen auf dem Rücken liegenden Hund an. Bei der Kompilation verschiedener Vorlagen hat der Glasmaler offensichtlich vergessen, die üblicherweise im Drachenleib steckende Lanzenspitze wiederzugeben; der Lanzenschaft liegt deshalb etwas unmotiviert im Vordergrund. ↑
- Auf der Basis der unvollständigen und verwirrenden Genealogie der Herren von Reifenberg ist eine eindeutige Bestimmung des Stifters nicht möglich. Vgl. hierzu zuletzt Wolfgang Meister (s. Anm. 1), 1978, S. 97-103. ↑
Drucknachweis
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet / Daniel Hess (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 2), Berlin 1999, 75 [= o. A.. Drachenkampf des Hl. Georg mit Fragmenten einer Vierpassscheibe (?)]
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Rechtehinweise
Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Drachenkampf des Hl. Georg mit Fragmenten einer Vierpassscheibe (?) (Arnoldshain, Laurentiuskirche)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/202-1-01-01_drachenkampf-des-hl-georg-mit-fragmenten-einer-vierpassscheibe-arnoldshain-laurentiuskirche> (aufgerufen am 26.11.2025)
Kurzform der URL für Druckwerke
https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/202-1-01-01