Handwaschung des Pilatus (Oppenheim, Katharinenkirche)

 
Datierung
um 1480-1485
AEC416D7-3050-4A60-B27E-A826B70B90DD

Katalog

Von Uwe Gast

Abmessungen

Köln, um 1480/90.
H. 75 cm, B. 56 cm. – Feld 7d. – Hunecke 1988, S. 224–226; Rauch 1994, I, S. 84f., Nr. 33; Rehm 1999, Nr. 312.

Inschriften

Auf den Spruchbändern in gotischer Minuskelschrift, von rechts nach links: innoce[n]s e(g)o su(m) a sa[n]gui(n)e i(us)ti h[ui](us) (Mt 27,24) / [sa(n)guis s(upe)r no]s (et) s(upe)r fi(li)or(um) n(ost)rus (nach Mt 27,25) (vgl. Fig. 295). Am unteren Rand 1888 hinzugefügt: <Christus vor Pilatus.>

Erhaltung

Im Zusammenhang mit der Anbringung der Bekrönung wurde die Scheibe am oberen Rand unregelmäßig um einige wenige Zentimeter beschnitten, wobei Teile der Inschriften verloren gingen (vgl. Fig. 295); ansonsten ist der originale Glasbestand vollständig intakt. Die Bemalung ist vor allem im Gewand der rechts knienden Figur mit der Schüssel berieben; das Wappen am unteren Rand wurde im Schildfuß anscheinend mit Lackfarbe kalt übermalt.

Ikonografie, Komposition

Am unteren Rand, etwas aus der Mitte gerückt, ein geteiltes, unten übermaltes, nicht sicher identifiziertes Wappen, das im oberen, silbernen Feld mit drei Muscheln belegt ist. Zwei weitere Wappen sind in dem Fenster im Hintergrund dargestellt. Heraldisch rechts erscheint offenbar ein weiteres Mal das Wappen vom unteren Rand der Scheibe. Heraldisch links ist das Wappen der Kölner Patrizierfamilie Rheidt zu erkennen: Geteilt; oben ein Stern zwischen zwei Muscheln, unten eine Muschel zwischen zwei Sternen442. Dargestellt ist die zweite Vorführung Christi vor dem Statthalter Pontius Pilatus (Mt 27,1f. und 11–26). Christus, ist ein langes Gewand gekleidet, wird von zwei Schergen gewaltsam vor Pilatus geführt. Dieser sitzt rechts auf einem Thron und neigt sein Haupt seiner hinter ihm stehenden Gemahlin zu, während er seine Hände in einer Schüssel wäscht, wobei ihm ein Höfling mit Schwert dienstfertig behilflich ist. Das Spruchband über dem Kopf Christi zitiert die von Matthäus überlieferten Worte des jüdischen Volkes, das sich selbst verflucht (s.o.). Herbert Rode hat bereits darauf hingewiesen, dass die Komposition eine Zweitausführung nach der vermutlich etwas älteren Darstellung aus St. Cäcilia in Köln ist (Dom, Sakramentskapelle, n XVI, 1a)443.

Farbigkeit

Christus in langem, hellviolettem Gewand, der neben ihm stehende Scherge in kurzem, blassem violetten Obergewand, der Nimbus Christi und der Thronsitz des Pontius Pilatus in Gelb; ansonsten bräunliche Grisaille mit Silbergelb. Aufgrund der hellen Farbgläser ist die Farbigkeit im Ganzen sehr licht.

Stil, Datierung

Da die Figuren in einem deutlich größeren Maßstab dargestellt sind als diejenigen der Gruppen Nr. 1–16 und Nr. 17–29, dürfte die Scheibe weder zu dem einen noch zu dem anderen Zyklus gehört haben. Legt schon ihre Komposition einen Zusammenhang mit dem Verglasungszyklus aus St. Cäcilia in Köln nahe, so ist die Verbindung zu dieser Scheibengruppe auch in den Figurentypen und in der technischen Ausführung gegeben, auch wenn die Anlage der Oppenheimer Scheibe in der Modellierung etwas weicher ist. Sollte Letzteres für eine Ausführung nach dem Verglasungszyklus aus St. Cäcilia sprechen, der vermutlich erst nach der Umwandlung des Damenstifts in ein Augustinerinnenkloster geschaffen wurde (1475), kommt für die vorliegende Scheibe ein Entstehungsdatum um 1480/90 in Frage444.

Bildnachweis

Worms, StA, Nr. M 1180b; CVMA A 10915, A 10972 (Detail), Großdia A 193

Nachweise

Fußnoten

  1. Das Wappen am unteren Rand wurde von Herbert Rode – vermutlich nach Fahne, II, 1853 (wie Anm. 432), S. 9 – als Wappen derer von Bergheim bestimmt; AK Köln 1970, S. 62, Nr. 57. Zur Frage seiner Identifizierung s. auch Rehm 1999, S. 596, Anm. 20. Rauch 1994, I, S. 85 (Nr. 33) weist auf eine Kreuzigung Christi in Shrewsbury (Shropshire), St Mary, hin, die das gleiche Wappen zeigt. Zum heraldisch links stehenden Wappen im Hintergrund s. Rode, a.a.O. Zur Kölner Familie (von) Rheidt vgl. die Bemerkungen bei Fahne, I, 1848 (wie Anm. 432), S. 355, Nr. 4f.
  2. AK Köln 1970, S. 62 (Nr. 57). Vgl. hierzu auch Rode 1974, S. 159f. sowie Abb. 392 und Farbabb. 21 (Detail). Ergänzend Rauch 1994, I, S. 85 (Nr. 33).
  3. Die bisherigen Datierungen variieren zwischen 1460/70 und 1490/1500. Die frühe, u.a. von Herbert Rode und Irmgard Hunecke vertretene Datierung war an der vermuteten Entstehung der Kreuzgangsscheiben aus St. Cäcilia um 1460–1470 orientiert; s. insbesondere Rode 1974, S. 155f., und Hunecke 1988, S. 224. Demgegenüber hat Lymant 1993, S. 233f., gute Gründe für deren Entstehung – zumindest eines Teils der Scheiben – nach 1476 angeführt, was letztlich besser zur Geschichte des Baues passt, der bis zum Einzug der Augustinerinnen 1475 lediglich von zwei Stiftsdamen bewohnt worden war; vgl. hierzu Ulrich Bock, St. Cäcilia, in: Colonia Ro-manica. Jb. des Fördervereins Romanische Kirchen Köln e.V. 10, 1995 (Kölner Kirchen und ihre mittelalterliche Ausstattung, I), S. 121–132, hier S. 121. Die von Rauch 1994, I, S. 85 (Nr. 33), und Rehm 1999, S. 250, 256 und S. 595f., Nr. 312, vorgeschlagene Datierung in die Zeit »um 1500« bzw. »um 1490/1500« dürfte etwas zu spät angesetzt sein.

Drucknachweis

Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen / Uwe Gast unter Mitwirkung von Ivo Rauch (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 1), Berlin 2011, 402 [= 31. Handwaschung des Pilatus]

Siehe auch

Extern

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Nachnutzung

Rechtehinweise

Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Handwaschung des Pilatus (Oppenheim, Katharinenkirche)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/134-1-19-02_handwaschung-des-pilatus-oppenheim-katharinenkirche> (aufgerufen am 26.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/134-1-19-02

Handwaschung des Pilatus: ES [= Erhaltungsschema] Qhs. n VII, Nr. 31