Sechs stehende weibliche Heilige unter Architekturbekrönungen (Oppenheim, Katharinenkirche)

 
Datierung
um 1330/40
AEC416D7-3050-4A60-B27E-A826B70B90DD

Katalog

Von Uwe Gast

Abmessungen

H./B.: 1–4a–f: 63–65,5/63–64 cm; 5a, c, d, f: 56–59/63–63,5 cm; 5b, e: 95/63–64 cm.

Erhaltung

Gemäß der Beschreibung von Müller 1823–1829, S. 42, der das Fenster im unteren Teil »stark beschädigt« gesehen und in Bahn c außerdem eine »Lücke« konstatiert hatte, sind heute große Teile in den Zeilen 1–5 ergänzt240. Die beiden unteren Zeilen und darüber hinaus die Felder 3c, 4/5b und 4/5e sind vollständige bzw. nahezu vollständige Neuschöpfungen aus der Mitte des 19. Jh. Von den Ergänzungen sind zudem die Figuren betroffen, von denen in 3b und 3e nur noch die Gesichter, in 3a und 3f auch die Haare und lediglich in 3a auch Krone und Nimbus zum originalen Bestand zu rechnen sind. Von den bekrönenden Architekturen, dem Muster im Hintergrund und den Blattborten sind dagegen größere Partien original erhalten. In 4d und 5f sind noch Teile des mittelalterlichen Bleinetzes vorhanden. In den Gesichtern der Heiligen sind vermehrt Korrosionsschäden festzustellen (vor allem in 3e); in Krone und Haar der Hl. Agnes (3a) massive Verluste der originalen Bemalung.

Ikonografie, Rekonstruktion Komposition

Das Heiligenensemble mit Agnes (2/3a), Maria Magdalena (2/3b), Ursula (2/3c), Margarete (2/3d), Barbara (2/3e) und Katharina (2/3f) geht auf die Angaben und bildliche Überlieferung von Müller 1823–1829, S. 42, Bl. 17, zurück (vgl. Fig. 189). Fünf der sechs Heiligen vermochte Müller anhand ihrer Attribute zu identifizieren, sodass seine Überlieferung vermutlich vertrauenswürdig ist241; nur anstelle der Heiligen in 2/3c befand sich jene bereits erwähnte »Lücke«, die Müller »ergänzend durch die h. Ursula mit dem Pfeile« ausfüllte. Da mit Katharina, Barbara und Margarete in der rechten Hälfte des Fensters aber drei der vier Virgines capitales dargestellt waren (bzw. sind), dürfte dort ursprünglich, wie bereits Ivo Rauch vermutet hat, Dorothea als vierte Hl. Jungfrau zu sehen gewesen sein242. Die Anwesenheit der Hl. Maria Magdalena im Gefolge dieser vier Hll. Jungfrauen lässt sich mit dem Patrozinium des Altars unterhalb des Fensters begründen, der ihr geweiht war243; zudem wurde die Büßerin Maria Magdalena ihnen gelegentlich ebenso zugeordnet wie die Hl. Agnes als Kanonheilige244. Die Heiligen stehen in monoton-gleichförmiger Ausrichtung auf die heraldisch linke Seite auf Sockeln, deren Architektur nicht gesichert ist, und werden von in der Fläche verhafteten Wimpergen bekrönt. Der Hintergrund ist durchgängig hell-blau/rot kariert (s. Ornament, Farbigkeit); umlaufende Blattborten rahmen die sechs Bahnen.

Ornament, Farbigkeit

Bei gleichem Hintergrund in allen sechs Bahnen – nämlich abwechselnd hellblauen und roten, auf der Spitze stehenden Quadraten mit Blattfüllung und hellen Kreuzungspunkten (Muster III,6) – sind die rahmenden Blattborten im Farbwechsel gestaltet, dem der gleichförmige Rhythmus a-b-a / b-a-b zugrunde gelegt ist. In der linken Hälfte rahmen weiße Blätter auf rotem Grund die Bahnen a und c, während die mittlere, höhere Bahn b einen blaugrundigen Rahmen mit gelben Blättern besitzt; rechts sind die Borten der Bahnen d und f blau/gelb, die Borte der Mittelbahn e ist rot/weiß245. Die Wimperge mit gelben (a, c) bzw. weißen (d, f) Blattkrabben belegen den Farbwechsel auch für die Architektur. Bei den wenigen originalen figürlichen Partien ist der grüne Nimbus der Hl. Agnes in 3a hervorzuheben.

Bildnachweis

CVMA G 9149–9178 (vR), G 9179–9182 (vR, Detail), G 9765–9794 (nR), G 9815–9820 (nR, Detail), Großdia G III 147–150 (nR)

Nachweise

Fußnoten

  1. Zum Erhaltungszustand vgl. auch den ausführlichen Scheibenkatalog bei Rauch 1997, S. 163–170. – Einige kleine, durchbrochen schraffierte Ergänzungen in den Feldern 1f, 2b, 2f, 3a, 5a und 5b sind keiner der großen Restaurierungen zuzuordnen und dürften lt. Rauch Maßnahmen des späten 19. und/oder frühen 20. Jh. sein.
  2. Eine leichte Unsicherheit besteht bei der Figur der Hl. Katharina in 2/3f. Müller 1823–1829, S. 42, sah sie »mit dem Schwerdte und einem kleinen Rade« (Fig. 189). Letzteres ist jedoch allenfalls an den Steckvorrichtungen für die Messer zu identifizieren. Die Messer selbst fehlen, und im Innern ist das »Rad« mit einem gezackten Blatt gefüllt. Zur Deutung s. Rauch 1997, S. 169f.
  3. Rauch 1997, S. 61f., 162, 167f. – Zur Gruppe der Virgines capitales vgl. Friederike Tschochner, in: LCI, VIII, 1976, Sp. 573, und dies., in: Marienlexikon, VI, 1994, S. 640f.
  4. Schütz 1982, S. 354, Fig. 15.
  5. Vgl. Friederike Tschochner, Art. »Virgo inter virgines«, in: LCI, VIII, 1976, Sp. 573–575.
  6. Vgl. aber Müller 1823–1829, Bl. 17, der die blau/gelben Blattborten in 2/3b, 2/3d und 2/3f jeweils mit einem roten Grund unterbricht (Fig. 189). Ob dies der ursprünglichen Situation entsprach, ist nicht mehr zu klären. Spätere Auflagen geben das Fenster in seiner heutigen Farbigkeit wieder; vgl. Hanschke 22007, Abb. 129.

Drucknachweis

Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen / Uwe Gast unter Mitwirkung von Ivo Rauch (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 1), Berlin 2011, 332 f. [= 1-5a-f. Sechs stehende weibliche Heilige unter Architekturbekrönungen]

Siehe auch

Extern

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Nachnutzung

Rechtehinweise

Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Sechs stehende weibliche Heilige unter Architekturbekrönungen (Oppenheim, Katharinenkirche)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/134-1-06-01_sechs-stehende-weibliche-heilige-unter-architekturbekroenungen-oppenheim-katharinenkirche> (aufgerufen am 25.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/134-1-06-01

Sechs stehende weibliche Heilige unter Architekturbekrönungen: ES [= Erhaltungsschema] Lhs. n IX [hier: 1-5a-f]Hl. Katharina. Karton der Werkstatt Usinger für Lhs. n IX, 2/3f, um 1843-1845. Speyer, LandesarchivHl. Agnes. Lhs. n IX, 3a. Oppenheim, Katharinenkirche. Mittelrhein (Oppenheim oder Mainz), um 1330/40Kopf der Hl. Barbara (Ausschnitt aus Abb. 159)Hl. Katharina. Lhs. n IX, 2/3f. Mittelrhein, um 1330/40Wimpergbekrönung. Lhs. n IX, 4/5f. Mittelrhein, um 1330/40