Krönung/Inthronisation Mariä mit den Hll. Petrus und Wigbert (Ober-Ingelheim, Burgkirche)

Krönung bzw. Inthronisation Mariä. Ulm, Münster, Chor s III, 12-16a-d. Ulm, um 1410/15
Katalog
Von Uwe Gast
Abmessungen
H./B. (einschließlich der neuen Messingrahmen): 4a: 73,6/43,2 cm;
4b: 74/43 cm; 4c: 73,5/43,9 cm; 4d: 73,5/43,2 cm; 5a: 73,5/43,2 cm; 5b: 74/43 cm; 5c: 74/43,9 cm; 5d: 74,5/43 cm; 6a: 76/43 cm; 6b: 75/43,1 cm; 6c: 75,1/43,9 cm; 6d: 75/43 cm; 7a: 23/39,5 cm; 7b: 23,3/40,2 cm; 7c: 23,4/38,9 cm; 7d: 24,5/41 cm.
Inschrift
In 6a auf dem Spruchband des Propheten die komplett neue Inschrift: <+ Justus · ex · fide · vivit> (nach Rm 1,17). In 5a ist noch ein originaler Inschriftenrest in gotischer Minuskel zu lesen: abalienati · su(n)t. Nachgewiesenermaßen lautete der Vers in 5/6a einmal vollständig: · s(an)c(tu)m · isr(ahe)l · abalienati · su(n)t (Fig. 153). Es handelte sich folglich um einen Vers des Propheten Isaias (Is 1,4), der bei der Restaurierung des Fensters im Jahr 1956 eliminiert wurde. In 5/6d stehen auf dem Spruchband der weiblichen Figur heute die Worte: <Fides · per · charitatem · operatur · +> (nach Gal 5,6). Vor der Restaurie-rung stand in 6d, wiederum in gotischer Minuskel, der Inschriftenrest Iob factus (Fig. 153), ein in einzelnen Ausgaben der Biblia pauperum der alttestamentlichen Figur des Job in den Mund gelegtes Wort des Propheten Jeremias (Ier 20,7 oder Lam 3,14)<fn>71#Näheres hierzu s. S. 236</fn>. In 6d an der Decke der Tabernakelbekrönung zudem ausradiert die Inschrift: A Domini / 1956 / restauriert / durch Heinz Hindorf / in der Werkstatt Münch, Gr. Umstadt.
Erhaltung
Siehe hierzu grundsätzlich die Bemerkungen zu 1–3a–d. Größere zusammenhängende Partien mit originalem Glasbestand weisen insbesondere die Felder 4a und 4d, ferner 5b/c und 6d auf. Dort, wie auch in 6b, finden sich am oberen Rand mehrere Sprünge. Punktueller oder bereits flächig sich ausbreitender Lochfraß ist hier auch auf roten, violetten und grünen Glasstücken zu beobachten. Die Ergänzungen stammen größtenteils von 1956; in Randstreifen und unbemalten gelben und weißen Teilen der Architektur finden sich auch Ergänzungen des 19. Jh. und von 2002 (Kopfscheiben). Bei der letzten Restaurierung erhielt der vormals grelle Kopf Christi ein Deckglas, um ihn der Umgebung farblich besser anzupassen.
Ikonographie
Anders als die Anbetung der Könige basiert die Darstellung der Krönung Mariä und deren Inthronisation als Himmelskönigin nicht auf einer biblischen oder legendarischen Erzählung, vielmehr ist sie im Zusammenhang mit der zunehmenden Bedeutung und Verehrung Mariens im 12./13. Jh. aus liturgischen Texten und Gesängen zur Verherrlichung der Gottesmutter hervorgegangen. Hier ist der hieratische Bildtyp der Inthronisation dargestellt: Maria und Christus sitzen nebeneinander und gekrönt auf einem Thron; Christus hält, Maria zugewandt, seine Rechte segnend erhoben, während Maria andächtig den Segen empfängt72. Zwei Heilige – links Petrus mit Schlüssel und Buch, rechts Wigbert mit Kirchenmodell und Abtsstab73 – stehen seitlich in Tabernakeln, in deren Bekrönungen zwei fälschlich in ein Stifterpaar verwandelte Halbfiguren mit Spruchbändern erscheinen (s. Reg. Nr. 51, Kap. 6), ursprünglich Isaias und Job; über Maria und Christus sind zudem musizierende Engel zu sehen.
Im Kontext der Kunst um 1400 am Mittelrhein begegnet der Bildtyp der Inthronisation bereits am Retabel der Stadtkirche in Schotten, um 1380/90; vielleicht war er auch auf der verdeckten Mitteltafel des etwas jüngeren Retabels der Karmeliter-Klosterkirche in Mainz dargestellt74. Dass aber auch das Freuden-Marien-Fenster im Ulmer Münster diesen – durchaus verbreiteten – Bildtyp zeigt (Fig. 163), sei hinsichtlich der oben geführten Diskussion ausdrücklich erwähnt.
Farbigkeit
In der Architektur kehren die gleichen Farben wie in 1–3a–d wieder, bei Weiß und Gelb in gewechselter Ordnung, sodass Krabben, Zinnen und Halbgeschosse von der fünften Zeile an aufwärts in lichtem Weiß gestaltet sind; die Thronbank für Maria und Christus ist gelb. Die Hintergründe, wiederum mit separat eingesetzten hellen Punkten, sind rot und blau (4/5b/c) bzw. violett (6/7a+d).
Von Maria abgesehen, die über einem blauen Gewand einen weißen, violett gefütterten Mantel trägt, erscheinen alle Figuren in gedämpft farbigen Gewändern: Christus in grünem Gewand und blauem, vormals hellviolett gefüttertem Mantel; Petrus in violetter Tunika und einst hell graublauem, rot gefüttertem Pallium; der Hl. Wigbert mit Alba, moosgrüner Dalmatik und ursprünglich violetter Kasel; die erhaltenen Inkarnatpartien sind wiederum bräunlich; die Nimben graublau (Maria, Hl. Wigbert) bzw. grün (Christus).
An den Händen Mariens nervös-flüchtige Ausradierungen aus dem in Resten erhaltenen Halbton.
Bildnachweis
CVMA G 8730–8742, Großdia G III 76–83 (4/5a–d)
Nachweise
Fußnoten
- LCI, II, 1970, Sp. 671–676 (H. W. van Os); Schiller IV,2, 1980, S. 114–118, 147–154; zuletzt Kahsnitz 2004 (wie Anm. 54), S. 88–95 (mit jüngerer Literatur). ↑
- Zu Darstellungen des Heiligen s. vor allem Karl Künstle, Ikonographie der Heiligen, Freiburg i. Br. 1926, S. 592f., und Braun 1943, Sp. 747–749. Beide Autoren erwähnen auch das Ober-Ingelheimer Fenster. Vgl. auch LCI, VIII, 1976, Sp. 601f. (Vincent Mayr). ↑
- Häring 1976 (wie Anm. 70), Abb. 9; Fritz (V.) Arens, Der gotische Altar-schrein der Mainzer Karmeliterkirche, in: MZ 52, 1957, S. 46–49, hier Taf. 10b ↑
Drucknachweis
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen / Uwe Gast unter Mitwirkung von Ivo Rauch (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 1), Berlin 2011, 243 [= 4-7a-d. Krönung/Inthronisation Mariä mit den Hll. Petrus und Wigbert]
Indizes
Iconclass
- 11F = die Jungfrau Maria
- 11H(PETER) = der Apostel Petrus, erster Bischof von Rom; mögliche Attribute: Buch, Hahn, (umgekehrtes) Kreuz, Krummstab mit drei Querbalken, Fisch, Schlüssel, Schriftrolle, Schiff, Tiara
Sachbegriffe
- Inschriften
- Minuskeln, gotische
- Kronen
- Schlüssel
- Bücher
- Kirchen
- Abtsstäbe
- Tabernakelbekrönungen
- Engel
- Krabben
- Thronbänke
- Nimben
- Gewänder, liturgische
Personen
Nachnutzung
Rechtehinweise
Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Krönung/Inthronisation Mariä mit den Hll. Petrus und Wigbert (Ober-Ingelheim, Burgkirche)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/133-1-02-02_kroenung-inthronisation-mariae-mit-den-hll-petrus-und-wigbert-ober-ingelheim-burgkirche> (aufgerufen am 25.11.2025)
Kurzform der URL für Druckwerke
https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/133-1-02-02
![Krönung/Inthronisation Mariä mit den Hll. Petrus und Wigbert: ES [= Erhaltungsschema] Chor I, 4-7a-d Krönung/Inthronisation Mariä mit den Hll. Petrus und Wigbert: ES [= Erhaltungsschema] Chor I, 4-7a-d](https://www.lagis-hessen.de/img/cvmahessen/s1/133-1-02-02_21.jpg)

