Anbetung der Könige (Ober-Ingelheim, Burgkirche)

 
Datierung
um 1404
Fenster
Chorfenster I
AEC416D7-3050-4A60-B27E-A826B70B90DD

Katalog

Von Uwe Gast

Abmessungen

H./B. (einschließlich der neuen Messingrahmen): 1a: 78,1/43 cm; 1b: 77/43,1 cm; 1c: 78,3/43,9 cm; 1d: 77,6/43 cm; 2a: 73,1/43 cm; 2b: 75,2/42,9 cm; 2c: 75,1/44 cm; 2d: 74/43 cm; 3a: 74,1/43 cm; 3b: 73,6/43 cm; 3c: 73,9/44,2 cm; 3d: 74,7/43 cm.

Inschrift

In 1d rechts unten ausradiert die Restaurierungsinschrift von 1956. Umlaufend: Möge die Aussage dieses Fensters stets im Glauben an den einen Herrn JESUS CHRISTUS gehört werden: In den beiden Zwickeln: Exaudi / 1956. Im Binnenfeld: 16 Jahre / nach seinem / Ausbau zu Be- / ginn des letzten / Krieges – war / die Restaurie- / rung und der Wiedereinbau dieses / Fensters vollendet. Auftraggeber war unter / dem Vorsitz von Dekan Seyerle der Kirchen- / vorstand, der die Kosten u.a. aus Mitteln / der Poss’schen Stiftung aufbrachte. Die / künstlerische Arbeit leistete Heinz Hindorf, / die meisterliche Werksarbeit die Kunstgl[a]serei Münch-Wolff in Gross-Umstadt.

Erhaltung

Mit Ausnahme des Feldes 2c, das 1956 vollständig neu geschaffen wurde, weisen alle Felder noch einen mehr oder minder großen Bestandteil an mittelalterlichen Gläsern auf. In der ersten und zweiten Zeile ist dieser Bestandteil gering; nur die dritte Zeile hat größere zusammenhängende Flächen ihres Originalbestandes bewahrt. Die Ergänzungen stammen weitgehend aus dem Jahr 1956, wobei allerdings auch mittelalterliche Partien übermalt, patiniert und neu gebrannt wurden. Ältere, aus dem 19. Jh. stammende Ergänzungen und jüngere, 2002 vorgenommene Reparaturen bleiben offenbar auf weiße, unbemalte Glasstücke im Randstreifen und in der Architektur beschränkt.
Im Randbereich haben einige wenige originale Glasstücke Sprünge. Weiße, gelbe und blaue Stücke zeigen Lochfraß; weitere Farbgläser, insbesondere rote, blaue, violette, grüne und braune Stücke, weisen unterschiedlich fortgeschrittene Korrosion auf, die bis hin zu nahezu völliger Lichtundurchlässigkeit durch verbräunte Krusten reicht. Diesem Zustand entsprechend ist die Bemalung allenthalben mäßig bis schlecht erhalten; allein der Kopf des Königs in 2d, die Köpfe der Engel in 3a+d und Teile des Mariengewandes in 1a lassen noch Rückschlüsse auf die ursprüngliche malerische und zeichnerische Qualität zu.

Ikonographie

Dem Bericht des Evangelisten Matthäus zufolge kamen zur Zeit der Geburt Christi Weise aus dem Orient nach Jerusalem, da ihnen ein Stern die Geburt des Judenkönigs verkündet hatte. Herodes wies sie nach Bethlehem, und »der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen hin, bis daß er kam und stand oben über, wo das Kindlein war«. Sie fanden es mit Maria in einem Haus, »beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe« (Mt 2,1–11).
Die Darstellung gibt diese Begebenheit auf vier Bahnen verteilt exakt wieder, wobei der Stern, der einst in dem Feld 3b über Maria und Christus stand (Fig. 153), bei der Restaurierung 1956 offenbar in Unkenntnis der Textgrundlage entfernt wurde. Die anekdotische Bereicherung der Szenerie in den Feldern 1/2a um Ochse und Esel an der Futterkrippe und Joseph, der hinter einem Vorhang versteckt dem Geschehen beiwohnt, ist in der Kunst um 1400 ebenso häufig anzutreffen, wie Maria oftmals auch mit Krone dargestellt wird70. Letzteres ist hier im Hinblick auf das übergreifende ikonografische Thema der Verherrlichung Mariä besonders sinnfällig.
Eine völlig gleichartige Verteilung der Figuren bei etwas anders akzentuierter Rhythmisierung der übergreifenden Architektur findet sich um 1410/15 im Freuden-Marien-Fenster des Ulmer Münsters (Fig. 162).

Technik

In 1a+d originale Teile des Architektursockels in verschiedenen Gelbtönen einschließlich einem bräunlich-dunklen Bernsteingelb. Die Farben werden in der Architektur aufgenommen und durch Weiß (Säulchen, Profile, etc.), Violett, Braun und Blau ergänzt und vielfältig variiert eingesetzt, wobei die violetten Bögen mit türkisfarbenen Rosetten und gelben Krabben besetzt sind, während das abschließende blaue Gesims mit gelben Rosetten belegt ist. Die gewölbten Decken unter den beiden Kielbögen sind grün (mit ausradierten hellen Punkten), in der apsisartigen Ausbuchtung in 2b/c ist die Decke rot (wiederum mit ausradierten hellen Punkten). Das Rot kehrt als Hintergrund hinter den Engeln wieder. Ansonsten ist der Hintergrund flächig blau bzw. in 1/2b/c flächig blau mit separat eingesetzten hellen Punkten angelegt.
Soweit gesichert, ist diese Farbigkeit in den figürlichen Teilen nicht erweitert. Maria trägt über einem roten Gewand einen goldgelben Mantel, ihr Nimbus war auch ursprünglich vielleicht rot (Fig. 153), ebenso wie der Kreuznimbus Christi rot/weiß geteilt ist. Der König zu ihrer Linken trägt ein moosgrünes Gewand, sein – blauvioletter – Mantel ist gelb gefüttert; grün/gelb, oben mit einem roten Kragen versehen, ist der Mantel des in 1/2d stehenden Königs gestaltet; Joseph schließlich trägt ein rotes Gewand und einen violetten Umhang mit wiederum gelbem Futter. Das nur bei der Figur Christi, dem König rechts und den Engeln – der linke Engel in weißem Gewand erhaltene Inkarnat ist bräunlich (und durch Verbräunung zusätzlich dunkler wirkend). Beim König ist das Haar ebenfalls braun, beim Engel rechts ist es hellgelb abgesetzt. Goldgelb sind Gaben (1c) und Kronen (2d) der Könige.

Bildnachweis

CVMA G 8718–8729, Großdia G III 68–75 (1/2a–d)

Nachweise

Fußnoten

  1. Was die Darstellung Mariens mit einer Krone angeht, so ist in unserem Kontext z.B. auf eine Tafel mit der Anbetung der Könige in Frankfurt a. M, Städel Museum, Inv. Nr. SG 1002, hinzuweisen; s. Stephan Kemperdick, in: Brinkmann/Kemperdick 2002, S. 66–76 mit Abb. 59. Die Tafel ist von Kemperdick überzeugend an den Mittelrhein lokalisiert und um 1400 datiert worden, womit sie in nächster Nähe des Ober-Ingelheimer Fensters steht. Auf ihr erscheint zudem Joseph neben Maria hinter einem grünen Vorhang – ein Motiv, das seinerseits um 1380/90 am Retabel in Schotten begegnet; vgl. hierzu Friedhelm Häring, Der Schottener Altar, Phil. diss. Gießen 1976, zuletzt Norbert Wolf, Deutsche Schnitzretabel des 14. Jahrhunderts, Berlin 2002, S. 203–207 mit Abb. 136. Zur anekdotischen Auskleidung der Szene im Spätmittelalter vgl. die knappen Hinweise von Adolf Weis, Art. »Drei Könige«, in: LCI, I, 1968, Sp. 539–549, hier Sp. 544.

Drucknachweis

Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen / Uwe Gast unter Mitwirkung von Ivo Rauch (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 1), Berlin 2011, 240 ff. [= 1-3a-d. Anbetung der Könige]

Nachnutzung

Rechtehinweise

Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Anbetung der Könige (Ober-Ingelheim, Burgkirche)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/133-1-02-01_anbetung-der-koenige-ober-ingelheim-burgkirche> (aufgerufen am 25.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/133-1-02-01

Anbetung der Könige: ES [= Erhaltungsschema] Chor I, 1-3a-dEngel (3d) aus der Anbetung der Könige. Ober-Ingelheim, Burgkirche, Chor I. Mittelrhein (Mainz?), um 1404Königskopf (2d) aus der Anbetung der Könige. Ober-Ingelheim, Burgkirche, Chor I. Mittelrhein (Mainz?), um 1404