Wappenscheibe mit Gedenkinschrift für die Gründer des Klosters Hirschhorn (Hirschhorn, ehemalige Karmeliterkirche und -kloster)

Allianzwappen Hirschhorn/Dhaun. Hirschhorn, ehem. Karmeliter-Klosterkirche, Lhs. n V. Heidelberg (Kamberger-Werkstatt), um 1509.
Katalog
Von Uwe Gast
Abmessungen
H. 61 cm, B. 48,5 cm.
Inschrift
Auf der Sockelleiste in gotischer Minuskel die Fürbitte: An(n)o • 1426 • ob(iit) • str(e)nv(vs) • miles • d(omi)n(v)s • iohanes • de • hirszhor(n) • fv(n)dat(or) • hvi(vs) • co(n)ve(n)t(vs) /
An(n)o • 1421 • ob(iit) • d(omi)na • ylant • co(m)itissa • de • reno • fv(n)datrix • hvivs • co(n)ve(n)t(vs) • or(a) • p(ro) • ei[s]<fn>12#Scholz’ Lesung des Sterbedatums Ilands – »eindeutig 1431« (s. Bibl.); vgl. Christina Kimmel, Hans V. von Hirschhorn im Dienst der Kurpfalz. Ein Ritter aus dem Neckartal am Heidelberger Hof im 14. und 15. Jahrhundert, Ubstadt-Weiher 1999, S. 23 – ist nicht nachzuvollziehen; m.E. lautet das zu lesende Datum 1421. So überliefert es auch J. Fr. Wickenburg im Thesaurus Palatinus, 1751 (München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Abt. III, Geheimes Hausarchiv, Hs. 317/II, pag. 82), und zwar als Inschrift eines Grabdenkmals, dessen Figuren und Wappen allerdings auf Melchior von Hirschhorn und Kunigunde von Oberstein zu beziehen sind. Rätselhaft bleibt, dass Iland in einer Urkunde aus dem Jahr 1422 bereits als »selig« bezeichnet wird (Würzburg, StA, Mainzer Urkunden, weltlicher Schrank 53, Nr. 57), während sie zur Zeit der Abfassung einer Urkunde vom 8. Sept. 1425 noch gelebt haben könnte (vgl. Eckhardt 1976, S. 79f., Nr. 48).</fn>.
Erhaltung
Die in der Glassubstanz offenbar vollständig mittelalterliche, aber ihres oberen Abschlusses beraubte und durch zahlreiche, teils aus fremdem Kontext genommene Flickstücke in ihrer Komposition gestörte Scheibe ist im Hinblick auf ihre Erhaltung auch nach der jüngst erfolgten »Restaurierung« insofern gefährdet, als die schwache, womöglich noch aus dem 19. Jh. stammende Verbleiung stark konvex verwölbt ist. Geflickt sind vor allem drei Partien: die Zwickelfelder oben links und rechts sowie in der linken Hälfte Schild und Helm des Wappens derer von Hirschhorn mitsamt einem größeren Teil des Bodens. Im Randbereich links mehrere Sprünge, entlang deren Bruchkanten Bemalungsverluste; insgesamt ist die Bemalung auf den harten, witterungsresistenten Gläsern mäßig erhalten. – Die auf den Aufnahmen zu erkennenden außenseitigen Beläge in den Wappenschilden konnten 1998 weitgehend entfernt werden.
Ikonografie, Komposition
Über einer Sockelleiste mit Inschrift, die an die 1426 und 1421(?) verstorbenen Gründer des Klosters erinnert und zum Gebet für sie auffordert, erscheinen in einer von Säulchen gerahmten, das Fenstergewände optisch vertiefenden Nische zwei in Form und Größe nicht zueinander passende Wappen. Der größere, heraldisch rechts erscheinende Schild ist einschließlich seines Helms – die goldene Krone mit den roten und goldenen Hirschstangen als Zier und die roten und goldenen Decken gehören zum ursprünglichen Bestand – durch einen etwas kleineren Schild zu ersetzen, der jenem des Vollwappens der Wild- und Rheingrafen (Geviert; 1+4: in Gold ein roter Löwe; 2+3: in Schwarz ein silberner Löwe; Helmzier: ein silberner Hut mit zwei Federstößen; Decken: ganz silbern) entsprochen haben muss und, den eingeflickten Stücken entsprechend, in Gold eine rote Hirschstange zeigte13; Teile dieses Schildes sind als gelbe bzw. gelb/rote Flickstücke oben links und rechts sowie in der Mitte erhalten14. Der Schild stand auf einem kassettierten Boden und war dem in ursprünglicher Position stehenden wild- und rheingräflichen Wappen in Courtoisie zugeneigt; die heute anstelle des Bodens eingeflickten Stücke gehörten – wie auch ein großes Flickstück über dem Wappen von Venningen aus Ersheim(?) (Abb. 44) – zur ursprünglichen Astwerkbekrönung der Scheibe, die somit bei gleicher Breite etwas höher gewesen sein muss.
Farbigkeit, Technik
Die gegenüber den Wappen recht blass erscheinende, mit grau-schwarzer und wässriger, rötlich-brauner, auch rückseitig aufgetragener Lotfarbe gemalte Nische trat als Architektur ursprünglich wohl deutlicher hervor. Mit großem technischem Aufwand ist der Schild mit dem wild- und rheingräflichen Wappen gearbeitet, wo anscheinend ein ausgeschliffenes oder -geätztes rotes, rückseitig mit Silbergelb bemaltes Überfangglas Verwendung fand15.
Ornament
Als Fond ein großflächiges Stück blauen Damastgrundes (Muster III,16), der mit einem weiteren Fragment in dem Pasticcio in Büdingen überliefert ist (Abb. 43). Eine Variante dieses Damastgrundes ist in Ersheim verwendet worden (Abb. 44, 50).
Stil, Datierung
Obwohl sich nicht viele Vergleichsmöglichkeiten bieten, lässt sich die Wappenscheibe aus dem Kapitelsaal eindeutig als ein etwas älteres Produkt jener in Heidelberg ansässigen Werkstatt bestimmen, aus der auch die Farbverglasung des 1517 fertiggestellten Chores der Ersheimer Kirche hervorgegangen war16. Dafür sprechen die bereits erwähnte Verwandtschaft im Ornament und die ähnliche Gestaltung der Wappen. Ein enger, in der Wahl derselben Werkstatt begründeter Zusammenhang zwischen beiden Verglasungen ist angesichts der wohl direkt miteinander verwandten Fensterstifter hier und dort eine ohnehin naheliegende Vermutung. Vgl. auch Kunstgeschichtliche Einleitung S. 67.
Bildnachweis
CVMA G 8843
Nachweise
Fußnoten
- Aus welchem Kontext der eingeflickte Schild mit Helm stammt, ist nicht eindeutig zu klären. Von den erhaltenen Schilden des Ersheimer Bestandes weicht er ab (vgl. Abb. 44, 47f.). Er könnte, ohne dass es Belege dafür gibt, mit Wappenscheiben aus der Anna-Kapelle an der Klosterkirche zu verbinden sein, was seine stilistische Verwandtschaft mit den Ersheimer Scheiben erklären würde und sich zudem mit der Überlieferung in Einklang bringen ließe, dass mehr als nur eine Scheibe aus Hirschhorn nach Darmstadt gelangt war (s. Anhang). ↑
- Der zugehörige Helm ist wahrscheinlich in der Scheibe in Büdingen überliefert (Abb. 43), wie bereits Hess 1999, S. 77 (Nr. 3), vermutet hat. ↑
- Technisch eng verwandt ist das Wappen der Ottilie von Katzenelnbogen in einer Stifterscheibe auf Schloss Altshausen; vgl. AK Heidelberg 1986, Abb. S. 255. ↑
- So schon Beeh-Lustenberger 1973, S. 218. ↑
Drucknachweis
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen / Uwe Gast unter Mitwirkung von Ivo Rauch (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. III, 1), Berlin 2011, 173 f. [= 2a. Wappenscheibe mit Gedenkinschrift für die Gründer des Klosters Hirschhorn]
Nachnutzung
Rechtehinweise
Katalogdaten: Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br.
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Wappenscheibe mit Gedenkinschrift für die Gründer des Klosters Hirschhorn (Hirschhorn, ehemalige Karmeliterkirche und -kloster)“, in: Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/mittelalterliche-glasmalereien-in-hessen/alle-eintraege/111-1-01-01_wappenscheibe-mit-gedenkinschrift-fuer-die-gruender-des-klosters-hirschhorn-hirschhorn-ehemalige-karmeliterkirche-und-kloster> (aufgerufen am 26.11.2025)
Kurzform der URL für Druckwerke
https://lagis.hessen.de/resolve/de/cvmahessen/111-1-01-01
![Wappenscheibe mit Gedenkinschrift für die Gründer des Klosters Hirschhorn: ES [= Erhaltungsschema] Lhs. n V, 2a Wappenscheibe mit Gedenkinschrift für die Gründer des Klosters Hirschhorn: ES [= Erhaltungsschema] Lhs. n V, 2a](https://www.lagis-hessen.de/img/cvmahessen/s1/111-1-01-01_40.jpg)