Verordnung über die Wahlen zur verfassunggebenden Volkskammer der Republik Hessen

 
Bezugsort(e)
Volksstaat Hessen
Themenbereich
Politik

Ereignis

Was geschah

Die provisorische Regierung des Volksstaates Hessen erlässt eine Verordnung über die Wahlen zur verfassunggebenden Volkskammer der neu gegründeten Republik. Das Wahlrecht zur Mitbestimmung über die Zusammensetzung der politischen Vertreter im neuen Landesparlament besitzen demnach alle in Hessen beheimateten Männer und Frauen, die das 20. Lebensjahr vollendet haben. Im Gegensatz zur Zweikammer-Verfassung des Großherzogtums Hessen besteht das Landesparlament des republikanischen Volksstaates ausschließlich aus einer Volkskammer. Die Abgeordneten werden im Gegensatz zu der im Großherzogtum bestehenden Regelung (indirekte Wahl über zwei Stufen mit der Zwischenschaltung von Bevollmächtigten und Wahlmännern) direkt in einer reinen Listenwahl bestimmt. Die Verordnung wird am 9. Januar 1919 ergänzt. Knapp vier Wochen zuvor, am 8. November 1918, hat die Novemberrevolution unter anderem Offenbach am Main, Mainz und Darmstadt, die Hauptstadt des Großherzogtums Hessen, erfasst. Während in Offenbach eine von sozialdemokratischen Vertrauensleuten der betrieblichen Arbeitervertretungen organisierte Demonstration zum Ausgangspunkt der Revolution wird, geht der politische Umsturz in Mainz von rund 50 Matrosen der Kaiserlichen Marine aus, die von Frankfurt am Main kommend dort am Abend mit der Bahn eintreffen. In Darmstadt ist es zu einer Revolte von Teilen der dort stationierten Truppen gekommen. In der Nacht vom 8. auf den 9. November belagern etwa 7.000 Soldaten den Wohnsitz von Großherzog Ernst-Ludwig (1868–1937), das Neue Palais am Wilhelminenplatz, um ihn dort gefangen zu nehmen. Der Großherzog weigert sich allerdings, seine dabei durch die Aufständischen erklärte Absetzung selbst nominell zu bestätigen. Ein letzter Versuch des Großherzogs, durch die Einberufung eines All-Parteien-Staatsrats (mit jeweils zwei Politikern der fünf im Landtag vertretenen Parteien) seine Position als Staatsoberhaupt zu wahren und noch selbst Einfluss auf die politischen Geschehnisse zu nehmen, scheitert an der Forderung der an diesem Gremium beteiligten Vertreter der Linksparteien, die seinen Rücktritt fordern. Ernst Ludwig lehnt dieses Ansinnen ab, woraufhin ihn ein am 9. November gewählter Arbeiter- und Soldatenrat mit Zustimmung von Carl Ulrich (1853–1933), dem Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion und späteren ersten Staatspräsident des neu gegründeten Volksstaates Hessen formell absetzt. Das Großherzogtum Hessen verwandelt sich in eine Republik (Proklamierung am Nachmittag des 10. November), deren Übergangsregierung am 14. November durch Carl Ulrich (SPD), Heinrich Fulda (1860–1943; SPD; Inneres), Konrad Henrich (1864–1928; Fortschrittspartei; Finanzen) und Otto von Brentano di Tremezzo (1855–1927; Deutsche Zentrumspartei; Justiz) gebildet wird. Die neue Regierung trifft noch am selben Tag ein Übereinkommen mit den Arbeiter- und Soldatenräten über Kompetenzabgrenzungen, wodurch die Räte ihre Zuständigkeiten in der Verwaltung verlieren. Mit der Verabschiedung der „Verordnung über die Wahlen zur verfassunggebenden Volkskammer der Republik Hessen“ am 3. Dezember festigt man das von Ulrich befürwortete Zusammengehen mit den Vertretern der bürgerlichen Parteien und trifft damit eine Entscheidung gegen die sozialistische Umgestaltung des vormaligen Großherzogtums.
(KU)

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Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Verordnung über die Wahlen zur verfassunggebenden Volkskammer der Republik Hessen, 3. Dezember 1918“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/2802_verordnung-ueber-die-wahlen-zur-verfassunggebenden-volkskammer-der-republik-hessen> (aufgerufen am 25.11.2025)

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