Heringen

Bearbeitet von Carina Schmidt  
Landkreis
Limburg-Weilburg
Topografische Karten
KDR 100, TK25 1900 ff.

Basisdaten

Lage

65597 Hünfelden, Ortsteil Heringen, Hauptstraße 25

Rabbinat

Ems und Weilburg

erhalten

ja

Gedenktafel vorhanden

nein

Als Kulturdenkmal erfasst

Geschichte

Zur Geschichte der Kultusgemeinde siehe den Ortsartikel zu Kirberg

Betsaal / Synagoge

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts lebten in Heringen beinahe ebenso viele Juden wie in Kirberg, so dass die dortige jüdische Gemeinschaft 1844 die Landesregierung um Erlaubnis zum Bau eines eigenen Gotteshauses und die Verlegung der Synagoge von Kirberg nach Heringen bat. Dieses Gesuch wurde abgewiesen, ebenso wie jenes um Loslösung aus dem Kirberger Synagogenverband. Allerdings erhielten die Heringer Juden 1850 die Genehmigung zur Einrichtung einer Filialsynagoge, unter der Bedingung, dass sie sich weiterhin an allen Kosten der Kultusgemeinde Kirberg beteiligten.1 Der Betraum in Heringen befand sich in einer geräumigen Scheune, die zu einem jüdischen Bauernhof in der Hauptstraße 25, frühere Übergasse, gehörte und in unmittelbarer Nachbarschaft des Heringer Rathauses lag. Sie hatte eine Grundfläche von 328 Quadratmetern,2 wobei nur etwa das linke Drittel des Gebäudes als Synagoge genutzt wurde. Das dazu gehörige zweistöckige Wohnhaus war aus Fachwerk erbaut und mit einem durchgehenden Satteldach gedeckt. Das ganze Anwesen war mindestens seit den 1830er Jahren im Besitz der jüdischen Familie Strauss: Ursprünglich gehörte es Moses Strauss, der den Gebäudekomplex 1859 seinem ältesten Sohn Gerson vererbte. 1894 ging es an Siegmund Strauss über und blieb bis in die 1930er Jahre im Besitz der Familie, die vom Vieh- und Häutehandel lebte und im vorderen Teil des Wohnhauses einen Manufakturladen sowie eine Filiale der Nassauischen Sparkasse unterhielt. Erst 1938 kaufte eine christliche Familie das Anwesen. Die als Synagoge genutzte Scheune ist bis heute erhalten, Zerstörungen in nationalsozialistischer Zeit sind keine bekannt.3

Weitere Einrichtungen

Schule

Schutzjuden von Kirberg und Dauborn behaupteten 1842, „die jüdischen Kinder von Dauborn und Heringen gingen von jeher nach Kirberg zur Schule“4. Allerdings waren 18 Jahre lang keine schulpflichtigen Kinder in Kirberg wohnhaft gewesen, so dass von der Gemeinde kein Lehrer angestellt war. Die Heringer und Dauborner Juden beauftragten deshalb privat Religionslehrer, die ihre Kinder unterrichteten. In Mensfelden scheint von vornherein eine separate Judenschule existiert zu haben, u.a. war dort 1830 der Lehrer Joseph Muhr aus Fürth tätig. Als Anfang der 1840er Jahre auch in Kirberg wieder Schulkinder lebten, kam es zu einer langjährigen Auseinandersetzung zwischen den Juden von Kirberg und Dauborn einerseits und denjenigen von Heringen andererseits um die Verlegung des Lehrerwohnsitzes von Heringen nach Kirberg.5 Schließlich schloss die Kultusgemeinde Kirberg einen Vertrag mit dem aus Polen stammenden Lehrer Abraham Levi Dickstein von Heringen, der bereits seit Mitte der 1830er Jahre Privatlehrer in Heringen war. Demnach durfte Levi in Heringen wohnen bleiben, wurde jedoch verpflichtet, alle Filialorte der Gemeinde einschließlich Mensfelden im Sommer zweimal, im Winter einmal pro Woche zu besuchen, um den Unterricht zu halten. Für die Einrichtung eines Schullokals in dem jeweiligen Ort mussten die dort wohnhaften Juden selbst Sorge tragen. Zudem sollten die Prüfungen abwechselnd in den verschiedenen Ortschaften stattfinden.6 Trotz anhaltender Streitigkeiten zwischen den Gemeindegliedern blieb Lehrer Dickstein jahrzehntelang in der Kultusgemeinde Kirberg tätig; er starb 1887 im Alter von 107 Jahren als Ehrenbürger der Gemeinde Heringen.7

Friedhof

Alle Juden aus der Kultusgemeinde Kirberg mit Heringen und Mensfelden wurden auf dem jüdischen Friedhof in Kirberg beigesetzt.

Vgl. hierzu den Abschnitt „Friedhof“ im Ortsartikel Kirberg

Nachweise

Fußnoten

  1. Trennungsbestrebungen der Heringer Juden und Einrichtung einer Filialsynagoge in Heringen, 1844-1858. In: HHStAW 211, 11569; siehe auch Wiederholte Anträge der Filialgemeinde Heringen um Erlaubnis zum Bau einer eigenen Synagoge, 1844-1850. In: HHStAW 232, 43
  2. In der Immobilienbeschreibung des Heringer Stockbuches sind als Maße der Scheune 41 x 32 (nassauische) Fuß angegeben, das entspricht 20,5 x 16 Metern. Vgl. dazu Verdenhalven, Meß- und Währungssysteme, S. 19–20
  3. Altaras, Synagogen, S. 225-226; Immobilienbeschreibung und Eintrag des Moses Strauss von Heringen als Besitzer des Synagogenanwesens in der Übergasse, o. J. In: HHStAW 362/17, Stockbuch Heringen, Bd. 6, Artikel 155; Eintrag des Gerson Strauss von Heringen als Besitzer des Synagogenanwesens in der Übergasse, 1859. In: HHStAW 362/17, Stockbuch Heringen, Bd. 8, Artikel 305; Nachlass des Moses Strauss von Heringen, 1859. In: HHStAW 362/17, Stockbuchanlage Heringen, Bd. 11, Artikel 20

Weblinks

Quellen

Literatur

Abbildung vorhanden

(in Bearbeitung)

Indizes

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Heringen“, in: Synagogen in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/orte/synagogen-in-hessen/alle-eintraege/285_heringen> (aufgerufen am 25.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/syn/285

Heringen: Straßenansicht des Gebäudes Hauptstraße 25, in dessen Scheune sich die ehemalige Synagoge befand (um 1985)Der Standort der Synagoge von Heringen im modernen Orthofoto (Bildmitte)