Haiger

Haiger: Giebelseite mit Eingang der ehemaligen Synagoge (1960er Jahre)
Basisdaten
Juden belegt seit
1843
Lage
35708 Haiger, Bahnhofstraße 55
Rabbinat
Weilburg
erhalten
nein
Jahr des Verlusts
1989
Art des Verlusts
Abbruch
Gedenktafel vorhanden
nein
Geschichte
Erstmals 778 urkundlich erwähnt gilt Haiger als die älteste Gemeinde im Dilltal. Der Ort gehört seit dem frühen 14. Jahrhundert zu Nassau. Heute ist er Bestandteil des Lahn-Dill-Kreises.
Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts, im Jahr 1843, ließ sich der erste Jude in Haiger nieder. Die Zahl jüdischer Einwohner stieg über vier im Jahr 1871 und 18 in 1925 auf 25 im Jahr 1936.
Die überwiegende Mehrzahl der Gemeindemitglieder erwirtschaftete ihr Einkommen aus dem Viehhandel, daneben gab es einen Kaufmann. 1903 eröffnete Hermann Strauß in der Hauptstraße ein Spielwarengeschäft, das aber wegen schlechten Umsatzes bald als Manufakturwarengeschäft weitergeführt wurde.1
Die Bildung einer eigenen Synagogengemeinde erfolgte erst um 1910 mit der Abtrennung von der bisherigen Muttergemeinde in Herborn.
Nach der Machtübergabe litten auch die Haigerer Juden unter Repressalien. Einige von ihnen wanderten nach 1934 nach Amerika oder Frankreich aus. 1938 wurden auf Veranlassung des Dillenburger Landrats die Immobilien der Familien Simon, Löwenstein und Hirsch arisiert und deutlich unter Wert versteigert.2
Nachdem Hermann Herz 1936 sein Amt als Gemeindevorstand aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt hatte, fand keine Neuwahl mehr statt. Der Landrat in Dillenburg bestimmte Isaak Löwenstein als Vorsteher. Vermutlich im September 1938 wurde die Gemeinde aufgelöst.3
Bis Mitte 1940 verzogen die Haiger Juden zumeist ins Ausland.4 Das Schicksal von drei Personen bleibt ungeklärt. Sie müssen als Opfer des Holocausts betrachtet werden.
Betsaal / Synagoge
Zunächst besuchten die Gemeindemitglieder die Synagoge in Herborn. Um 1910 mieteten sie ein Zimmer im Obergeschoss eines christlichen Ehepaares in der Kreuzgasse 6, um dort einen Betraum einzurichten. 1928 wechselte man in das Erdgeschoss des Hinterhauses Bahnhofstraße 55.5
1936 befanden sich in der Synagoge zwei Thorarollen in einem Schrank, ein Lesefinger, ein Vorleserpult, drei Pultdecken sowie ein Schofar.6 Zu diesem Zeitpunkt befanden sich vier Sitzbänke aufbewahrt bei Siegmund Hirsch. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass schon zu dieser Zeit kein Gottesdienst mehr gehalten wurde.
Da das Gebäude im November 1938 bereits arisiert war, wurde es in der Pogromnacht nicht überfallen. Die Kultgegenstände waren bereits vorher in die Synagoge nach Gießen verbracht worden, wo sie zerstört wurden.
Das Haus wurde 1989 abgerissen.
Weitere Einrichtungen
Mikwe
Im Keller des Hauses Kreuzgasse 7 befand sich nach 1905 eine Mikwe. Sie war 1,2 x 2,1 Meter groß. Sechs oder sieben Stufen sollen in das Becken hinein geführt haben.7
Schule
In Haiger gab es Schulraum, in dem teilweise ehrenamtlich von den Eltern unterrichtet wurde. Anfang der 1930er Jahre kam der Lehrer aus Herborn in den Ort.
Friedhof
Ende 1912 oder Anfang 1913 erwarb die junge jüdische Gemeinde ein Stück Land von der politischen Gemeinde und richtete darauf einen Friedhof ein. Bis 1941 wurden dort zwei Verstorbene aus Haiger bestattet. Während des Zweiten Weltkrieges diente er auch als Begräbnisstätte für Fremdarbeiter. Ein ebenfalls hier bestatteter Kriegsgefangener wurde später auf den Sammelfriedhof bei Hermannstein umgebettet.8
Nachweise
Fußnoten
Weblinks
Quellen
Literatur
- Alicke, Klaus-Dieter: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Gütersloh 2008
- Altaras, Thea: Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen – Was geschah seit 1945? 2. Aufl. Königstein im Taunus 2007, S. 215
- Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang. Untergang. Neubeginn, 2 Bde. Frankfurt a.M. 1971/1972, hier: Band 1, S. 314-316
- Das Schicksal der Haigerer Juden. Hrsg. Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dillenburg. 1999
- Georg, Erich: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Haiger. In: Heimatblätter zur Pflege und Förderung des Heimatgedankens. Bd. 49 (1981)
- Pletz-Krehahn, Hans-Jürgen: Die Versteigerung jüdischer Immobilien in Haiger 1938, in: Heimatjahrbuch für das Land an der Dill im Lahn-Dill-Kreis 29, 1986, S. 235-236
- Seifert, Gerhard: Ergänzungen zum Thema die jüdische Gemeinde Haiger, in: Haigerer Geschichtsblätter 20 (1989), S. 53-64
Abbildung vorhanden
✓ (in Bearbeitung)
Indizes
Personen
- Strauß, Hermann
- Simon, Familie
- Löwenstein, Familie
- Hirsch, Familie
- Herz, Hermann
- Löwenstein, Isaak
- Hirsch, Siegmund
Orte
Sachbegriffe Geschichte
Sachbegriffe Ausstattung
Siehe auch
Weitere Angebote in LAGIS (Synagogen-Standort)
Orte
- Hessische Flurnamen
- Historische Kartenwerke
- Jüdische Friedhöfe
- Historisches Ortslexikon
- Topografische Karten
- Urkataster+
Personen
Quellen und Materialien
Nachnutzung
Rechtehinweise
Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Haiger“, in: Synagogen in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/orte/synagogen-in-hessen/alle-eintraege/149_haiger> (aufgerufen am 25.11.2025)
Kurzform der URL für Druckwerke
https://lagis.hessen.de/resolve/de/syn/149

